In der That ist also die gewöhnlich sogenannte Summe, das oder
[Formel 2]
, ein Verhältniß; und der sogenannte endliche Ausdruck ist der wahrhaft unendliche Ausdruck. Die unendliche Reihe aber ist in Wahrheit die Summe; ihr Zweck ist, das was an sich Verhältniß ist, in der Form einer Summe darzustellen, und die vorhandenen Glieder der Reihe sind nicht als Glieder eines Verhältnisses, sondern eines Aggregats. Ferner ist sie vielmehr der endliche Aus- druck; denn sie ist das unvollkommene Aggregat, und bleibt wesentlich ein Mangelhaftes. -- Wird der Bruch insofern der endliche Ausdruck genannt, weil er ein be- stimmtes Quantum ist, so ist die unendliche Reihe erstens nach dem, was in ihr da ist, gleichfalls ein bestimmtes Quantum, zugleich aber ein geringeres, als sie seyn soll; alsdann auch das, was ihr fehlt, ist ein bestimmtes Quantum; und das was in ihr da ist, zusammen mit dem was ihr fehlt, ist ein eben solches, dasselbe, was der Bruch ist. Insofern also der Bruch ein endliches, d. h. ein bestimmtes Quantum ist, ist sie es gleichfalls und noch mehr als er. Insofern er aber unendlich, und zwar im wahrhaften Sinne unendlich an ihm selbst ist, weil er das negative Jenseits an ihm selbst hat, ist sie mangelhaft, und hat das Unendliche nur als ein Jen- seits ausser ihr.
Mit unendlichen Reihen aber, die nicht summirbar sind, hat es eine andere Bewandniß; die Mathematik bleibt jedoch bey diesem Unterschiede, als einem äusser- lichen und zufälligen Umstande, ob sie summirt werden können oder nicht, stehen. Sie enthalten nemlich eine höhere Art der Unendlichkeit, als die summirbaren; eine Incommensurabilität, oder die Unmöglichkeit, das darin enthaltene quantitative Verhältniß als ein Quantum -- sey es auch als Bruch -- darzustellen; die Form der
Reihe
Erſtes Buch. II.Abſchnitt.
In der That iſt alſo die gewoͤhnlich ſogenannte Summe, das oder
[Formel 2]
, ein Verhaͤltniß; und der ſogenannte endliche Ausdruck iſt der wahrhaft unendliche Ausdruck. Die unendliche Reihe aber iſt in Wahrheit die Summe; ihr Zweck iſt, das was an ſich Verhaͤltniß iſt, in der Form einer Summe darzuſtellen, und die vorhandenen Glieder der Reihe ſind nicht als Glieder eines Verhaͤltniſſes, ſondern eines Aggregats. Ferner iſt ſie vielmehr der endliche Aus- druck; denn ſie iſt das unvollkommene Aggregat, und bleibt weſentlich ein Mangelhaftes. — Wird der Bruch inſofern der endliche Ausdruck genannt, weil er ein be- ſtimmtes Quantum iſt, ſo iſt die unendliche Reihe erſtens nach dem, was in ihr da iſt, gleichfalls ein beſtimmtes Quantum, zugleich aber ein geringeres, als ſie ſeyn ſoll; alsdann auch das, was ihr fehlt, iſt ein beſtimmtes Quantum; und das was in ihr da iſt, zuſammen mit dem was ihr fehlt, iſt ein eben ſolches, daſſelbe, was der Bruch iſt. Inſofern alſo der Bruch ein endliches, d. h. ein beſtimmtes Quantum iſt, iſt ſie es gleichfalls und noch mehr als er. Inſofern er aber unendlich, und zwar im wahrhaften Sinne unendlich an ihm ſelbſt iſt, weil er das negative Jenſeits an ihm ſelbſt hat, iſt ſie mangelhaft, und hat das Unendliche nur als ein Jen- ſeits auſſer ihr.
Mit unendlichen Reihen aber, die nicht ſummirbar ſind, hat es eine andere Bewandniß; die Mathematik bleibt jedoch bey dieſem Unterſchiede, als einem aͤuſſer- lichen und zufaͤlligen Umſtande, ob ſie ſummirt werden koͤnnen oder nicht, ſtehen. Sie enthalten nemlich eine hoͤhere Art der Unendlichkeit, als die ſummirbaren; eine Incommenſurabilitaͤt, oder die Unmoͤglichkeit, das darin enthaltene quantitative Verhaͤltniß als ein Quantum — ſey es auch als Bruch — darzuſtellen; die Form der
Reihe
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Erſtes Buch. II. Abſchnitt.
In der That iſt alſo die gewoͤhnlich ſogenannte
Summe, das [FORMEL] oder [FORMEL], ein Verhaͤltniß; und
der ſogenannte endliche Ausdruck iſt der wahrhaft
unendliche Ausdruck. Die unendliche Reihe
aber iſt in Wahrheit die Summe; ihr Zweck iſt, das
was an ſich Verhaͤltniß iſt, in der Form einer Summe
darzuſtellen, und die vorhandenen Glieder der Reihe ſind
nicht als Glieder eines Verhaͤltniſſes, ſondern eines
Aggregats. Ferner iſt ſie vielmehr der endliche Aus-
druck; denn ſie iſt das unvollkommene Aggregat, und
bleibt weſentlich ein Mangelhaftes. — Wird der Bruch
inſofern der endliche Ausdruck genannt, weil er ein be-
ſtimmtes Quantum iſt, ſo iſt die unendliche Reihe erſtens
nach dem, was in ihr da iſt, gleichfalls ein beſtimmtes
Quantum, zugleich aber ein geringeres, als ſie ſeyn
ſoll; alsdann auch das, was ihr fehlt, iſt ein beſtimmtes
Quantum; und das was in ihr da iſt, zuſammen mit
dem was ihr fehlt, iſt ein eben ſolches, daſſelbe, was
der Bruch iſt. Inſofern alſo der Bruch ein endliches,
d. h. ein beſtimmtes Quantum iſt, iſt ſie es gleichfalls
und noch mehr als er. Inſofern er aber unendlich, und
zwar im wahrhaften Sinne unendlich an ihm ſelbſt iſt,
weil er das negative Jenſeits an ihm ſelbſt hat, iſt ſie
mangelhaft, und hat das Unendliche nur als ein Jen-
ſeits auſſer ihr.
Mit unendlichen Reihen aber, die nicht ſummirbar
ſind, hat es eine andere Bewandniß; die Mathematik
bleibt jedoch bey dieſem Unterſchiede, als einem aͤuſſer-
lichen und zufaͤlligen Umſtande, ob ſie ſummirt werden
koͤnnen oder nicht, ſtehen. Sie enthalten nemlich eine
hoͤhere Art der Unendlichkeit, als die ſummirbaren; eine
Incommenſurabilitaͤt, oder die Unmoͤglichkeit, das darin
enthaltene quantitative Verhaͤltniß als ein Quantum —
ſey es auch als Bruch — darzuſtellen; die Form der
Reihe
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/266>, abgerufen am 22.11.2024.
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