Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Maaß.
unsterbliche Verdienste, die sich z. B. Galilei in Rück-
sicht auf den Fall, und Keppler in Rücksicht auf die
Bewegung der himmlischen Körper erworben hat. Das
Höhere aber ist diese Gesetze zu beweisen. Dieß
heißt aber nichts anders als ihre Quantitätsbestimmungen
aus den Qualitäten, oder bestimmten Begriffen, die be-
zogen sind, (wie Zeit und Raum) zu erkennen. Von
dieser Art des Beweisens aber findet sich in jenen mathe-
matischen Principien der Naturkenntniß, so wie in den
fernern Arbeiten dieser Art, noch keine Spur. Es ist
oben bey Gelegenheit des Scheins mathematischer Be-
weise von Naturverhältnissen, der sich auf den Mis-
brauch des Unendlichkleinen gründet, bemerkt worden,
daß der Versuch, solche Beweise eigentlich mathematisch
zu führen, ein widersinniges Unternehmen ist. Diese
Beweise setzen ihre Theoreme aus der Erfahrung voraus,
und was sie leisten, besteht allein darin, diese auf ab-
stracte Ausdrücke und bequeme Formeln zu bringen.
Das ganze reelle Verdienst, das Newton im Vorzug
gegen Keppler in Beziehung auf die nemlichen Gegen-
stände zugeschrieben wird, wird, das Scheingerüste von
Beweisen abgezogen, -- ohne Zweifel bey gereinigterer
Reflexion über das, was die Mathematik zu leisten ver-
mag und was sie geleistet hat, einst mit deutlicher Kennt-
niß auf jene Umformung des Ausdrucks eingeschränkt
werden.



C. Ver-

Das Maaß.
unſterbliche Verdienſte, die ſich z. B. Galilei in Ruͤck-
ſicht auf den Fall, und Keppler in Ruͤckſicht auf die
Bewegung der himmliſchen Koͤrper erworben hat. Das
Hoͤhere aber iſt dieſe Geſetze zu beweiſen. Dieß
heißt aber nichts anders als ihre Quantitaͤtsbeſtimmungen
aus den Qualitaͤten, oder beſtimmten Begriffen, die be-
zogen ſind, (wie Zeit und Raum) zu erkennen. Von
dieſer Art des Beweiſens aber findet ſich in jenen mathe-
matiſchen Principien der Naturkenntniß, ſo wie in den
fernern Arbeiten dieſer Art, noch keine Spur. Es iſt
oben bey Gelegenheit des Scheins mathematiſcher Be-
weiſe von Naturverhaͤltniſſen, der ſich auf den Mis-
brauch des Unendlichkleinen gruͤndet, bemerkt worden,
daß der Verſuch, ſolche Beweiſe eigentlich mathematiſch
zu fuͤhren, ein widerſinniges Unternehmen iſt. Dieſe
Beweiſe ſetzen ihre Theoreme aus der Erfahrung voraus,
und was ſie leiſten, beſteht allein darin, dieſe auf ab-
ſtracte Ausdruͤcke und bequeme Formeln zu bringen.
Das ganze reelle Verdienſt, das Newton im Vorzug
gegen Keppler in Beziehung auf die nemlichen Gegen-
ſtaͤnde zugeſchrieben wird, wird, das Scheingeruͤſte von
Beweiſen abgezogen, — ohne Zweifel bey gereinigterer
Reflexion uͤber das, was die Mathematik zu leiſten ver-
mag und was ſie geleiſtet hat, einſt mit deutlicher Kennt-
niß auf jene Umformung des Ausdrucks eingeſchraͤnkt
werden.



C. Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0331" n="283"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das Maaß</hi>.</fw><lb/>
un&#x017F;terbliche Verdien&#x017F;te, die &#x017F;ich z. B. <hi rendition="#g">Galilei</hi> in Ru&#x0364;ck-<lb/>
&#x017F;icht auf den Fall, und <hi rendition="#g">Keppler</hi> in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf die<lb/>
Bewegung der himmli&#x017F;chen Ko&#x0364;rper erworben hat. Das<lb/>
Ho&#x0364;here aber i&#x017F;t die&#x017F;e Ge&#x017F;etze zu <hi rendition="#g">bewei&#x017F;en</hi>. Dieß<lb/>
heißt aber nichts anders als ihre Quantita&#x0364;tsbe&#x017F;timmungen<lb/>
aus den Qualita&#x0364;ten, oder be&#x017F;timmten Begriffen, die be-<lb/>
zogen &#x017F;ind, (wie Zeit und Raum) zu erkennen. Von<lb/>
die&#x017F;er Art des Bewei&#x017F;ens aber findet &#x017F;ich in jenen mathe-<lb/>
mati&#x017F;chen Principien der Naturkenntniß, &#x017F;o wie in den<lb/>
fernern Arbeiten die&#x017F;er Art, noch keine Spur. Es i&#x017F;t<lb/>
oben bey Gelegenheit des Scheins mathemati&#x017F;cher Be-<lb/>
wei&#x017F;e von Naturverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, der &#x017F;ich auf den Mis-<lb/>
brauch des Unendlichkleinen gru&#x0364;ndet, bemerkt worden,<lb/>
daß der Ver&#x017F;uch, &#x017F;olche Bewei&#x017F;e eigentlich mathemati&#x017F;ch<lb/>
zu fu&#x0364;hren, ein wider&#x017F;inniges Unternehmen i&#x017F;t. Die&#x017F;e<lb/>
Bewei&#x017F;e &#x017F;etzen ihre Theoreme aus der Erfahrung voraus,<lb/>
und was &#x017F;ie lei&#x017F;ten, be&#x017F;teht allein darin, die&#x017F;e auf ab-<lb/>
&#x017F;tracte Ausdru&#x0364;cke und bequeme Formeln zu bringen.<lb/>
Das ganze reelle Verdien&#x017F;t, das <hi rendition="#g">Newton</hi> im Vorzug<lb/>
gegen <hi rendition="#g">Keppler</hi> in Beziehung auf die nemlichen Gegen-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde zuge&#x017F;chrieben wird, wird, das Scheingeru&#x0364;&#x017F;te von<lb/>
Bewei&#x017F;en abgezogen, &#x2014; ohne Zweifel bey gereinigterer<lb/>
Reflexion u&#x0364;ber das, was die Mathematik zu lei&#x017F;ten ver-<lb/>
mag und was &#x017F;ie gelei&#x017F;tet hat, ein&#x017F;t mit deutlicher Kennt-<lb/>
niß auf jene Umformung des Ausdrucks einge&#x017F;chra&#x0364;nkt<lb/>
werden.</p>
                  </div>
                </div>
              </div><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">C.</hi> <hi rendition="#g">Ver-</hi> </hi> </fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0331] Das Maaß. unſterbliche Verdienſte, die ſich z. B. Galilei in Ruͤck- ſicht auf den Fall, und Keppler in Ruͤckſicht auf die Bewegung der himmliſchen Koͤrper erworben hat. Das Hoͤhere aber iſt dieſe Geſetze zu beweiſen. Dieß heißt aber nichts anders als ihre Quantitaͤtsbeſtimmungen aus den Qualitaͤten, oder beſtimmten Begriffen, die be- zogen ſind, (wie Zeit und Raum) zu erkennen. Von dieſer Art des Beweiſens aber findet ſich in jenen mathe- matiſchen Principien der Naturkenntniß, ſo wie in den fernern Arbeiten dieſer Art, noch keine Spur. Es iſt oben bey Gelegenheit des Scheins mathematiſcher Be- weiſe von Naturverhaͤltniſſen, der ſich auf den Mis- brauch des Unendlichkleinen gruͤndet, bemerkt worden, daß der Verſuch, ſolche Beweiſe eigentlich mathematiſch zu fuͤhren, ein widerſinniges Unternehmen iſt. Dieſe Beweiſe ſetzen ihre Theoreme aus der Erfahrung voraus, und was ſie leiſten, beſteht allein darin, dieſe auf ab- ſtracte Ausdruͤcke und bequeme Formeln zu bringen. Das ganze reelle Verdienſt, das Newton im Vorzug gegen Keppler in Beziehung auf die nemlichen Gegen- ſtaͤnde zugeſchrieben wird, wird, das Scheingeruͤſte von Beweiſen abgezogen, — ohne Zweifel bey gereinigterer Reflexion uͤber das, was die Mathematik zu leiſten ver- mag und was ſie geleiſtet hat, einſt mit deutlicher Kennt- niß auf jene Umformung des Ausdrucks eingeſchraͤnkt werden. C. Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/331
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,1. Nürnberg, 1812, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0101_1812/331>, abgerufen am 24.11.2024.