Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.Zweytes Buch. I. Abschnitt. Anmerkung. Wenn die Reflexion über bestimmte Gründe sich an sie
Zweytes Buch. I. Abſchnitt. Anmerkung. Wenn die Reflexion uͤber beſtimmte Gruͤnde ſich an ſie
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Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
Anmerkung.
Wenn die Reflexion uͤber beſtimmte Gruͤnde ſich an
diejenige Form des Grundes haͤlt, welche ſich hier erge-
ben hat, ſo bleibt die Angabe eines Grundes ein bloßer
Formalismus und leere Tavtologie, welche denſelben In-
halt in der Form der Reflexion in ſich, der Weſentlich-
keit, ausdruͤckt, der ſchon in der Form des unmittelba-
ren, als geſetzt betrachteten Daſeyns vorhanden iſt. Ein
ſolches Angeben von Gruͤnden iſt deswegen von derſelben
Leerheit begleitet, als das Reden nach dem Satze der
Identitaͤt. Die Wiſſenſchaften, vornemlich die phyſika-
liſchen, ſind mit den Tavtologieen dieſer Art angefuͤllt,
welche gleichſam ein Vorrecht der Wiſſenſchaft ausma-
chen. — Es wird z. B. als der Grund, daß die Plane-
ten ſich um die Sonne bewegen, die anziehende
Kraft der Erde und Sonne gegeneinander angegeben.
Es iſt damit dem Inhalt nach nichts anders ausgeſpro-
chen, als was das Phaͤnomen, nemlich die Beziehung
dieſer Koͤrper auf einander in ihrer Bewegung, enthaͤlt,
nur in der Form von in ſich reflectirter Beſtimmung, von
Kraft. Wenn darnach gefragt wird, was die anziehende
Kraft fuͤr eine Kraft ſey, ſo iſt die Antwort, daß ſie die
Kraft iſt, welche macht, daß ſich die Erde um die Son-
ne bewegt; das heißt, ſie hat durchaus denſelben In-
halt, als das Daſeyn, deſſen Grund ſie ſeyn ſoll; die
Beziehung der Erde und der Sonne in Ruͤkſicht der Be-
wegung iſt die identiſche Grundlage des Grundes und des
Begruͤndeten. — Wenn eine Kryſtalliſationsform da-
durch erklaͤrt wird, daß ſie ihren Grund in dem beſon-
dern Arrangement habe, in das die Molecules zu einan-
der treten, ſo iſt die daſeyende Kryſtalliſation diß Arran-
gement ſelbſt, welches als Grund ausgedruͤckt wird. Im
gewoͤhnlichen Leben gelten dieſe Aetiologieen, auf welche
die Wiſſenſchaften das Privilegium haben, fuͤr das, was
ſie
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