Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweytes Buch. II. Abschnitt.
Erstes Kapitel.
Die Existenz
.

Wie der Satz des Grundes ausdrückt: Alles
was ist, hat einen Grund, oder ist ein Ge-
setztes, ein Vermitteltes
; so müßte auch ein
Satz der Existenz aufgestellt und so ausgedrückt werden:
Alles, was ist, existirt. Die Wahrheit des Seyns
ist, nicht ein erstes Unmittelbares, sondern das in die
Unmittelbarkeit hervorgegangene Wesen zu seyn.

Wenn aber ferner auch gesagt wurde, was exi-
stirt, hat einen Grund und ist bedingt
, so
müßte auch eben so gesagt werden: es hat keinen
Grund und ist unbedingt
. Denn die Existenz ist
die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung
beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit,
die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen selbst aufhebt.

Insofern die Beweise von der Existenz Gottes
hier erwähnt werden können, ist zum voraus zu erin-
nern, daß es ausser dem unmittelbaren Seyn erstens,
und zweytens der Existenz, dem Seyn, das aus dem
Wesen hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welche
aus dem Begriffe hervorgeht, die Objectivität. --
Das Beweisen ist überhaupt die vermittelte Er-
kenntniß
. Die verschiedenen Arten des Seyns fodern
oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; so wird
auch die Natur des Beweisens in Ansehung einer jeden
verschieden. Der ontologische Beweis will vom
Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realitäten

zu
Zweytes Buch. II. Abſchnitt.
Erſtes Kapitel.
Die Exiſtenz
.

Wie der Satz des Grundes ausdruͤckt: Alles
was iſt, hat einen Grund, oder iſt ein Ge-
ſetztes, ein Vermitteltes
; ſo muͤßte auch ein
Satz der Exiſtenz aufgeſtellt und ſo ausgedruͤckt werden:
Alles, was iſt, exiſtirt. Die Wahrheit des Seyns
iſt, nicht ein erſtes Unmittelbares, ſondern das in die
Unmittelbarkeit hervorgegangene Weſen zu ſeyn.

Wenn aber ferner auch geſagt wurde, was exi-
ſtirt, hat einen Grund und iſt bedingt
, ſo
muͤßte auch eben ſo geſagt werden: es hat keinen
Grund und iſt unbedingt
. Denn die Exiſtenz iſt
die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung
beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit,
die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen ſelbſt aufhebt.

Inſofern die Beweiſe von der Exiſtenz Gottes
hier erwaͤhnt werden koͤnnen, iſt zum voraus zu erin-
nern, daß es auſſer dem unmittelbaren Seyn erſtens,
und zweytens der Exiſtenz, dem Seyn, das aus dem
Weſen hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welche
aus dem Begriffe hervorgeht, die Objectivitaͤt. —
Das Beweiſen iſt uͤberhaupt die vermittelte Er-
kenntniß
. Die verſchiedenen Arten des Seyns fodern
oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; ſo wird
auch die Natur des Beweiſens in Anſehung einer jeden
verſchieden. Der ontologiſche Beweis will vom
Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realitaͤten

zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0150" n="138"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweytes Buch. <hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Kapitel.<lb/>
Die Exi&#x017F;tenz</hi>.</head><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p>Wie der Satz des Grundes ausdru&#x0364;ckt: <hi rendition="#g">Alles<lb/>
was i&#x017F;t, hat einen Grund, oder i&#x017F;t ein Ge-<lb/>
&#x017F;etztes, ein Vermitteltes</hi>; &#x017F;o mu&#x0364;ßte auch ein<lb/>
Satz der Exi&#x017F;tenz aufge&#x017F;tellt und &#x017F;o ausgedru&#x0364;ckt werden:<lb/><hi rendition="#g">Alles, was i&#x017F;t, exi&#x017F;tirt</hi>. Die Wahrheit des Seyns<lb/>
i&#x017F;t, nicht ein er&#x017F;tes Unmittelbares, &#x017F;ondern das in die<lb/>
Unmittelbarkeit hervorgegangene We&#x017F;en zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <p>Wenn aber ferner auch ge&#x017F;agt wurde, <hi rendition="#g">was exi-<lb/>
&#x017F;tirt, hat einen Grund und i&#x017F;t bedingt</hi>, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;ßte auch eben &#x017F;o ge&#x017F;agt werden: <hi rendition="#g">es hat keinen<lb/>
Grund und i&#x017F;t unbedingt</hi>. Denn die Exi&#x017F;tenz i&#x017F;t<lb/>
die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung<lb/>
beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit,<lb/>
die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen &#x017F;elb&#x017F;t aufhebt.</p><lb/>
              <p>In&#x017F;ofern die Bewei&#x017F;e <hi rendition="#g">von der Exi&#x017F;tenz</hi> Gottes<lb/>
hier erwa&#x0364;hnt werden ko&#x0364;nnen, i&#x017F;t zum voraus zu erin-<lb/>
nern, daß es au&#x017F;&#x017F;er dem unmittelbaren <hi rendition="#g">Seyn</hi> er&#x017F;tens,<lb/>
und zweytens der <hi rendition="#g">Exi&#x017F;tenz</hi>, dem Seyn, das aus dem<lb/>
We&#x017F;en hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welche<lb/>
aus dem Begriffe hervorgeht, die <hi rendition="#g">Objectivita&#x0364;t</hi>. &#x2014;<lb/>
Das Bewei&#x017F;en i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt die <hi rendition="#g">vermittelte Er-<lb/>
kenntniß</hi>. Die ver&#x017F;chiedenen Arten des Seyns fodern<lb/>
oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; &#x017F;o wird<lb/>
auch die Natur des Bewei&#x017F;ens in An&#x017F;ehung einer jeden<lb/>
ver&#x017F;chieden. Der <hi rendition="#g">ontologi&#x017F;che Beweis</hi> will vom<lb/>
Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realita&#x0364;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[138/0150] Zweytes Buch. II. Abſchnitt. Erſtes Kapitel. Die Exiſtenz. Wie der Satz des Grundes ausdruͤckt: Alles was iſt, hat einen Grund, oder iſt ein Ge- ſetztes, ein Vermitteltes; ſo muͤßte auch ein Satz der Exiſtenz aufgeſtellt und ſo ausgedruͤckt werden: Alles, was iſt, exiſtirt. Die Wahrheit des Seyns iſt, nicht ein erſtes Unmittelbares, ſondern das in die Unmittelbarkeit hervorgegangene Weſen zu ſeyn. Wenn aber ferner auch geſagt wurde, was exi- ſtirt, hat einen Grund und iſt bedingt, ſo muͤßte auch eben ſo geſagt werden: es hat keinen Grund und iſt unbedingt. Denn die Exiſtenz iſt die aus dem Aufheben der durch Grund und Bedingung beziehenden Vermittlung hervorgegangene Unmittelbarkeit, die im Hervorgehen eben diß Hervorgehen ſelbſt aufhebt. Inſofern die Beweiſe von der Exiſtenz Gottes hier erwaͤhnt werden koͤnnen, iſt zum voraus zu erin- nern, daß es auſſer dem unmittelbaren Seyn erſtens, und zweytens der Exiſtenz, dem Seyn, das aus dem Weſen hervorgeht, noch ein ferneres Seyn gibt, welche aus dem Begriffe hervorgeht, die Objectivitaͤt. — Das Beweiſen iſt uͤberhaupt die vermittelte Er- kenntniß. Die verſchiedenen Arten des Seyns fodern oder enthalten ihre eigene Art der Vermittlung; ſo wird auch die Natur des Beweiſens in Anſehung einer jeden verſchieden. Der ontologiſche Beweis will vom Begriffe ausgehen; er legt den Inbegriff aller Realitaͤten zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/150
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/150>, abgerufen am 24.11.2024.