Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Buch. I. Abschnitt.
hingegen in den Verhältnißbestimmungen der
Widerspruch unmittelbar dar. Die trivialsten Beyspiele,
von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und
Sohn und so fort ins Unendliche, enthalten alle den Ge-
gensatz in Einem. Oben ist, was nicht Unten ist;
Oben ist bestimmt nur diß, nicht Unten zu seyn, und ist
nur, insofern ein Unten ist; und umgekehrt; in der ei-
nen Bestimmung liegt ihr Gegentheil. Vater ist das
Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters
und jedes ist nur als diß Andre des andern; und zugleich
ist die eine Bestimmung nur in Beziehung auf die andere;
ihr Seyn ist Ein Bestehen. Der Vater ist ausser der
Beziehung auf Sohn auch etwas für sich; aber so ist er
nicht Vater, sondern ein Mann überhaupt; wie Oben
und Unten, Rechts und Links auch in sich reflectirte,
ausser der Beziehung etwas sind; aber nur Orte über-
haupt. -- Die Entgegengesetzten enthalten insofern den
Widerspruch, als sie in derselben Rücksicht sich negativ
auf einander beziehende oder sich gegenseitig auf-
hebende
und gegen einander gleichgültige sind.
Die Vorstellung, indem sie zum Momente der Gleich-
gültigkeit
der Bestimmungen übergeht, vergißt darin
ihre negative Einheit und behält sie somit nur als ver-
schiedene überhaupt, in welcher Bestimmung Rechts nicht
mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. s. f. ist. In-
dem sie aber Rechts und Links in der That vor sich hat,
so hat sie diese Bestimmungen vor sich als sich negirend,
die eine in der andern, und in dieser Einheit zugleich
sich nicht negirend, sondern jede gleichgültig für sich
seyend.

Das Vorstellen hat daher wohl allenthalben den
Widerspruch zu seinem Inhalte, kommt aber nicht zum
Bewußtseyn desselben; es bleibt äusserliche Reflexion,
die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne-

gativen

Zweytes Buch. I. Abſchnitt.
hingegen in den Verhaͤltnißbeſtimmungen der
Widerſpruch unmittelbar dar. Die trivialſten Beyſpiele,
von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und
Sohn und ſo fort ins Unendliche, enthalten alle den Ge-
genſatz in Einem. Oben iſt, was nicht Unten iſt;
Oben iſt beſtimmt nur diß, nicht Unten zu ſeyn, und iſt
nur, inſofern ein Unten iſt; und umgekehrt; in der ei-
nen Beſtimmung liegt ihr Gegentheil. Vater iſt das
Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters
und jedes iſt nur als diß Andre des andern; und zugleich
iſt die eine Beſtimmung nur in Beziehung auf die andere;
ihr Seyn iſt Ein Beſtehen. Der Vater iſt auſſer der
Beziehung auf Sohn auch etwas fuͤr ſich; aber ſo iſt er
nicht Vater, ſondern ein Mann uͤberhaupt; wie Oben
und Unten, Rechts und Links auch in ſich reflectirte,
auſſer der Beziehung etwas ſind; aber nur Orte uͤber-
haupt. — Die Entgegengeſetzten enthalten inſofern den
Widerſpruch, als ſie in derſelben Ruͤckſicht ſich negativ
auf einander beziehende oder ſich gegenſeitig auf-
hebende
und gegen einander gleichguͤltige ſind.
Die Vorſtellung, indem ſie zum Momente der Gleich-
guͤltigkeit
der Beſtimmungen uͤbergeht, vergißt darin
ihre negative Einheit und behaͤlt ſie ſomit nur als ver-
ſchiedene uͤberhaupt, in welcher Beſtimmung Rechts nicht
mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. ſ. f. iſt. In-
dem ſie aber Rechts und Links in der That vor ſich hat,
ſo hat ſie dieſe Beſtimmungen vor ſich als ſich negirend,
die eine in der andern, und in dieſer Einheit zugleich
ſich nicht negirend, ſondern jede gleichguͤltig fuͤr ſich
ſeyend.

Das Vorſtellen hat daher wohl allenthalben den
Widerſpruch zu ſeinem Inhalte, kommt aber nicht zum
Bewußtſeyn deſſelben; es bleibt aͤuſſerliche Reflexion,
die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne-

gativen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0092" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweytes Buch. <hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt</hi>.</fw><lb/>
hingegen in den <hi rendition="#g">Verha&#x0364;ltnißbe&#x017F;timmungen</hi> der<lb/>
Wider&#x017F;pruch unmittelbar dar. Die trivial&#x017F;ten Bey&#x017F;piele,<lb/>
von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und<lb/>
Sohn und &#x017F;o fort ins Unendliche, enthalten alle den Ge-<lb/>
gen&#x017F;atz in Einem. Oben <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi>, was <hi rendition="#g">nicht</hi> Unten i&#x017F;t;<lb/>
Oben i&#x017F;t be&#x017F;timmt nur diß, nicht Unten zu &#x017F;eyn, und <hi rendition="#g">i&#x017F;t</hi><lb/>
nur, <hi rendition="#g">in&#x017F;ofern</hi> ein Unten i&#x017F;t; und umgekehrt; in der ei-<lb/>
nen Be&#x017F;timmung liegt ihr Gegentheil. Vater i&#x017F;t das<lb/>
Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters<lb/>
und jedes i&#x017F;t nur als diß Andre des andern; und zugleich<lb/>
i&#x017F;t die eine Be&#x017F;timmung nur in Beziehung auf die andere;<lb/>
ihr Seyn i&#x017F;t Ein Be&#x017F;tehen. Der Vater i&#x017F;t au&#x017F;&#x017F;er der<lb/>
Beziehung auf Sohn auch etwas fu&#x0364;r &#x017F;ich; aber &#x017F;o i&#x017F;t er<lb/>
nicht Vater, &#x017F;ondern ein Mann u&#x0364;berhaupt; wie Oben<lb/>
und Unten, Rechts und Links auch in &#x017F;ich reflectirte,<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er der Beziehung etwas &#x017F;ind; aber nur Orte u&#x0364;ber-<lb/>
haupt. &#x2014; Die Entgegenge&#x017F;etzten enthalten in&#x017F;ofern den<lb/>
Wider&#x017F;pruch, als &#x017F;ie in der&#x017F;elben Ru&#x0364;ck&#x017F;icht &#x017F;ich negativ<lb/>
auf einander beziehende oder &#x017F;ich <hi rendition="#g">gegen&#x017F;eitig auf-<lb/>
hebende</hi> und gegen einander <hi rendition="#g">gleichgu&#x0364;ltige</hi> &#x017F;ind.<lb/>
Die Vor&#x017F;tellung, indem &#x017F;ie zum Momente der <hi rendition="#g">Gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltigkeit</hi> der Be&#x017F;timmungen u&#x0364;bergeht, vergißt darin<lb/>
ihre negative Einheit und beha&#x0364;lt &#x017F;ie &#x017F;omit nur als ver-<lb/>
&#x017F;chiedene u&#x0364;berhaupt, in welcher Be&#x017F;timmung Rechts nicht<lb/>
mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. &#x017F;. f. i&#x017F;t. In-<lb/>
dem &#x017F;ie aber Rechts und Links in der That vor &#x017F;ich hat,<lb/>
&#x017F;o hat &#x017F;ie die&#x017F;e Be&#x017F;timmungen vor &#x017F;ich als &#x017F;ich negirend,<lb/>
die eine in der andern, und in die&#x017F;er Einheit zugleich<lb/>
&#x017F;ich nicht negirend, &#x017F;ondern jede gleichgu&#x0364;ltig fu&#x0364;r &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;eyend.</p><lb/>
                    <p>Das Vor&#x017F;tellen hat daher wohl allenthalben den<lb/>
Wider&#x017F;pruch zu &#x017F;einem Inhalte, kommt aber nicht zum<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn de&#x017F;&#x017F;elben; es bleibt a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche Reflexion,<lb/>
die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gativen</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0092] Zweytes Buch. I. Abſchnitt. hingegen in den Verhaͤltnißbeſtimmungen der Widerſpruch unmittelbar dar. Die trivialſten Beyſpiele, von Oben und Unten, Rechts und Links, Vater und Sohn und ſo fort ins Unendliche, enthalten alle den Ge- genſatz in Einem. Oben iſt, was nicht Unten iſt; Oben iſt beſtimmt nur diß, nicht Unten zu ſeyn, und iſt nur, inſofern ein Unten iſt; und umgekehrt; in der ei- nen Beſtimmung liegt ihr Gegentheil. Vater iſt das Andre des Sohnes, und Sohn das Andre des Vaters und jedes iſt nur als diß Andre des andern; und zugleich iſt die eine Beſtimmung nur in Beziehung auf die andere; ihr Seyn iſt Ein Beſtehen. Der Vater iſt auſſer der Beziehung auf Sohn auch etwas fuͤr ſich; aber ſo iſt er nicht Vater, ſondern ein Mann uͤberhaupt; wie Oben und Unten, Rechts und Links auch in ſich reflectirte, auſſer der Beziehung etwas ſind; aber nur Orte uͤber- haupt. — Die Entgegengeſetzten enthalten inſofern den Widerſpruch, als ſie in derſelben Ruͤckſicht ſich negativ auf einander beziehende oder ſich gegenſeitig auf- hebende und gegen einander gleichguͤltige ſind. Die Vorſtellung, indem ſie zum Momente der Gleich- guͤltigkeit der Beſtimmungen uͤbergeht, vergißt darin ihre negative Einheit und behaͤlt ſie ſomit nur als ver- ſchiedene uͤberhaupt, in welcher Beſtimmung Rechts nicht mehr Rechts, Links nicht mehr Links u. ſ. f. iſt. In- dem ſie aber Rechts und Links in der That vor ſich hat, ſo hat ſie dieſe Beſtimmungen vor ſich als ſich negirend, die eine in der andern, und in dieſer Einheit zugleich ſich nicht negirend, ſondern jede gleichguͤltig fuͤr ſich ſeyend. Das Vorſtellen hat daher wohl allenthalben den Widerſpruch zu ſeinem Inhalte, kommt aber nicht zum Bewußtſeyn deſſelben; es bleibt aͤuſſerliche Reflexion, die von der Gleichheit zur Ungleichheit, oder von der ne- gativen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/92
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/92>, abgerufen am 14.05.2024.