Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Wesen.
gativen Beziehung zum Reflectirtseyn der Unterschiedenen
in sich, übergeht. Sie hält diese beyden Bestimmungen
einander äusserlich gegenüber und hat nur sie, nicht
aber das Uebergehen, welches das Wesentliche ist,
und den Widerspruch enthält, im Sinne. -- Die geist-
reiche
Reflexion, um diese hier zu erwähnen, besteht
dagegen im Auffassen und Aussprechen des Widerspruchs.
Ob sie zwar den Begriff der Dinge und ihrer Ver-
hältnisse nicht ausdrückt und nur Vorstellungsbestimmun-
gen zu ihrem Material und Inhalt hat, so bringt sie
dieselben in eine Beziehung, die ihren Widerspruch ent-
hält und durch diesen hindurch ihren Begriff
scheinen
läßt. -- Die denkende Vernunft aber
spitzt, so zu sagen, den abgestumpften Unterschied des
Verschiedenen, die blosse Mannichfaltigkeit der Vorstel-
lung, zum wesentlichen Unterschiede, zum Gegen-
satze
, zu. Die Mannichfaltigen werden erst, auf die
Spitze des Widerspruchs getrieben, regsam und lebendig
gegen einander, und erhalten in ihm die Negativität,
welche die inwohnende Pulsation der Selbstbewegung
und Lebendigkeit ist.

Es ist schon über den ontologischen Beweis
vom Daseyn Gottes erinnert worden, daß die darin
zu Grunde gelegte Bestimmung, der Inbegriff aller
Realitäten
ist. Von dieser Bestimmung pflegt zuerst
gezeigt zu werden, daß sie möglich sey, weil sie keinen
Widerspruch enthalte, indem die Realität nur als
Realität ohne Schranken genommen werde. Es wurde
erinnert, daß damit jener Inbegriff zum einfachen unbe-
stimmten Seyn, oder wenn die Realitäten in der That
als mehrere Bestimmte genommen werden, zum Inbe-
griff aller Negationen wird. Näher den Unterschied der
Realität genommen, so wird er aus der Verschiedenheit
zum Gegensatze und damit zum Widerspruch, und der

Inbe-
F

Das Weſen.
gativen Beziehung zum Reflectirtſeyn der Unterſchiedenen
in ſich, uͤbergeht. Sie haͤlt dieſe beyden Beſtimmungen
einander aͤuſſerlich gegenuͤber und hat nur ſie, nicht
aber das Uebergehen, welches das Weſentliche iſt,
und den Widerſpruch enthaͤlt, im Sinne. — Die geiſt-
reiche
Reflexion, um dieſe hier zu erwaͤhnen, beſteht
dagegen im Auffaſſen und Ausſprechen des Widerſpruchs.
Ob ſie zwar den Begriff der Dinge und ihrer Ver-
haͤltniſſe nicht ausdruͤckt und nur Vorſtellungsbeſtimmun-
gen zu ihrem Material und Inhalt hat, ſo bringt ſie
dieſelben in eine Beziehung, die ihren Widerſpruch ent-
haͤlt und durch dieſen hindurch ihren Begriff
ſcheinen
laͤßt. — Die denkende Vernunft aber
ſpitzt, ſo zu ſagen, den abgeſtumpften Unterſchied des
Verſchiedenen, die bloſſe Mannichfaltigkeit der Vorſtel-
lung, zum weſentlichen Unterſchiede, zum Gegen-
ſatze
, zu. Die Mannichfaltigen werden erſt, auf die
Spitze des Widerſpruchs getrieben, regſam und lebendig
gegen einander, und erhalten in ihm die Negativitaͤt,
welche die inwohnende Pulſation der Selbſtbewegung
und Lebendigkeit iſt.

Es iſt ſchon uͤber den ontologiſchen Beweis
vom Daſeyn Gottes erinnert worden, daß die darin
zu Grunde gelegte Beſtimmung, der Inbegriff aller
Realitaͤten
iſt. Von dieſer Beſtimmung pflegt zuerſt
gezeigt zu werden, daß ſie moͤglich ſey, weil ſie keinen
Widerſpruch enthalte, indem die Realitaͤt nur als
Realitaͤt ohne Schranken genommen werde. Es wurde
erinnert, daß damit jener Inbegriff zum einfachen unbe-
ſtimmten Seyn, oder wenn die Realitaͤten in der That
als mehrere Beſtimmte genommen werden, zum Inbe-
griff aller Negationen wird. Naͤher den Unterſchied der
Realitaͤt genommen, ſo wird er aus der Verſchiedenheit
zum Gegenſatze und damit zum Widerſpruch, und der

Inbe-
F
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0093" n="81"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Das We&#x017F;en</hi>.</fw><lb/>
gativen Beziehung zum Reflectirt&#x017F;eyn der Unter&#x017F;chiedenen<lb/>
in &#x017F;ich, u&#x0364;bergeht. Sie ha&#x0364;lt die&#x017F;e beyden Be&#x017F;timmungen<lb/>
einander a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlich gegenu&#x0364;ber und hat <hi rendition="#g">nur &#x017F;ie</hi>, nicht<lb/>
aber das <hi rendition="#g">Uebergehen</hi>, welches das We&#x017F;entliche i&#x017F;t,<lb/>
und den Wider&#x017F;pruch entha&#x0364;lt, im Sinne. &#x2014; Die <hi rendition="#g">gei&#x017F;t-<lb/>
reiche</hi> Reflexion, um die&#x017F;e hier zu erwa&#x0364;hnen, be&#x017F;teht<lb/>
dagegen im Auffa&#x017F;&#x017F;en und Aus&#x017F;prechen des Wider&#x017F;pruchs.<lb/>
Ob &#x017F;ie zwar den <hi rendition="#g">Begriff</hi> der Dinge und ihrer Ver-<lb/>
ha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e nicht ausdru&#x0364;ckt und nur Vor&#x017F;tellungsbe&#x017F;timmun-<lb/>
gen zu ihrem Material und Inhalt hat, &#x017F;o bringt &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;elben in eine Beziehung, die ihren Wider&#x017F;pruch ent-<lb/>
ha&#x0364;lt und durch die&#x017F;en <hi rendition="#g">hindurch ihren Begriff<lb/>
&#x017F;cheinen</hi> la&#x0364;ßt. &#x2014; Die <hi rendition="#g">denkende</hi> Vernunft aber<lb/>
&#x017F;pitzt, &#x017F;o zu &#x017F;agen, den abge&#x017F;tumpften Unter&#x017F;chied des<lb/>
Ver&#x017F;chiedenen, die blo&#x017F;&#x017F;e Mannichfaltigkeit der Vor&#x017F;tel-<lb/>
lung, zum <hi rendition="#g">we&#x017F;entlichen</hi> Unter&#x017F;chiede, zum <hi rendition="#g">Gegen-<lb/>
&#x017F;atze</hi>, zu. Die Mannichfaltigen werden er&#x017F;t, auf die<lb/>
Spitze des Wider&#x017F;pruchs getrieben, reg&#x017F;am und lebendig<lb/>
gegen einander, und erhalten in ihm die Negativita&#x0364;t,<lb/>
welche die inwohnende Pul&#x017F;ation der Selb&#x017F;tbewegung<lb/>
und Lebendigkeit i&#x017F;t.</p><lb/>
                    <p>Es i&#x017F;t &#x017F;chon u&#x0364;ber den <hi rendition="#g">ontologi&#x017F;chen Beweis</hi><lb/>
vom <hi rendition="#g">Da&#x017F;eyn Gottes</hi> erinnert worden, daß die darin<lb/>
zu Grunde gelegte Be&#x017F;timmung, <hi rendition="#g">der Inbegriff aller<lb/>
Realita&#x0364;ten</hi> i&#x017F;t. Von die&#x017F;er Be&#x017F;timmung pflegt zuer&#x017F;t<lb/>
gezeigt zu werden, daß &#x017F;ie <hi rendition="#g">mo&#x0364;glich</hi> &#x017F;ey, weil &#x017F;ie keinen<lb/><hi rendition="#g">Wider&#x017F;pruch</hi> enthalte, indem die Realita&#x0364;t nur als<lb/>
Realita&#x0364;t ohne Schranken genommen werde. Es wurde<lb/>
erinnert, daß damit jener Inbegriff zum einfachen unbe-<lb/>
&#x017F;timmten Seyn, oder wenn die Realita&#x0364;ten in der That<lb/>
als mehrere Be&#x017F;timmte genommen werden, zum Inbe-<lb/>
griff aller Negationen wird. Na&#x0364;her den Unter&#x017F;chied der<lb/>
Realita&#x0364;t genommen, &#x017F;o wird er aus der Ver&#x017F;chiedenheit<lb/>
zum Gegen&#x017F;atze und damit zum Wider&#x017F;pruch, und der<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F</fw><fw place="bottom" type="catch">Inbe-</fw><lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] Das Weſen. gativen Beziehung zum Reflectirtſeyn der Unterſchiedenen in ſich, uͤbergeht. Sie haͤlt dieſe beyden Beſtimmungen einander aͤuſſerlich gegenuͤber und hat nur ſie, nicht aber das Uebergehen, welches das Weſentliche iſt, und den Widerſpruch enthaͤlt, im Sinne. — Die geiſt- reiche Reflexion, um dieſe hier zu erwaͤhnen, beſteht dagegen im Auffaſſen und Ausſprechen des Widerſpruchs. Ob ſie zwar den Begriff der Dinge und ihrer Ver- haͤltniſſe nicht ausdruͤckt und nur Vorſtellungsbeſtimmun- gen zu ihrem Material und Inhalt hat, ſo bringt ſie dieſelben in eine Beziehung, die ihren Widerſpruch ent- haͤlt und durch dieſen hindurch ihren Begriff ſcheinen laͤßt. — Die denkende Vernunft aber ſpitzt, ſo zu ſagen, den abgeſtumpften Unterſchied des Verſchiedenen, die bloſſe Mannichfaltigkeit der Vorſtel- lung, zum weſentlichen Unterſchiede, zum Gegen- ſatze, zu. Die Mannichfaltigen werden erſt, auf die Spitze des Widerſpruchs getrieben, regſam und lebendig gegen einander, und erhalten in ihm die Negativitaͤt, welche die inwohnende Pulſation der Selbſtbewegung und Lebendigkeit iſt. Es iſt ſchon uͤber den ontologiſchen Beweis vom Daſeyn Gottes erinnert worden, daß die darin zu Grunde gelegte Beſtimmung, der Inbegriff aller Realitaͤten iſt. Von dieſer Beſtimmung pflegt zuerſt gezeigt zu werden, daß ſie moͤglich ſey, weil ſie keinen Widerſpruch enthalte, indem die Realitaͤt nur als Realitaͤt ohne Schranken genommen werde. Es wurde erinnert, daß damit jener Inbegriff zum einfachen unbe- ſtimmten Seyn, oder wenn die Realitaͤten in der That als mehrere Beſtimmte genommen werden, zum Inbe- griff aller Negationen wird. Naͤher den Unterſchied der Realitaͤt genommen, ſo wird er aus der Verſchiedenheit zum Gegenſatze und damit zum Widerſpruch, und der Inbe- F

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/93
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 1,2. Nürnberg, 1813, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik0102_1813/93>, abgerufen am 21.11.2024.