Natur des Schlusses, nach welcher die unterschie- denen Begriffsbestimmungen nicht unmittelbar bezogen, sondern eben so deren Einheit gesetzt seyn soll; die Wahr- heit des Urtheils ist der Schluß. Unmittelbare Bezie- hungen können die Prämissen um so weniger bleiben, als ihr Inhalt unmittelbar unterschiedene Bestimmun- gen, sie also nicht unmittelbar an und für sich identisch sind; ausser sie seyen reine identische Sätze, d. i. leere zu nichts führende Tavtologien.
Die Foderung an die Prämissen lautet daher ge- wöhnlich, sie sollen bewiesen, d. h. sie sollen gleichfalls als Schlußsätze dargestellt wer- den. Die zwey Prämissen geben somit zwey weitere Schlüsse. Aber diese zwey neuen Schlüsse geben wie- der zusammen vier Prämissen, welche vier neue Schlüsse erfodern; diese haben acht Prämissen, deren acht Schlüsse wieder für ihre sechszehn Prämissen sechszehn Schlüsse geben, und sofort in einer geo- metrischen Progression ins unendliche.
Es thut sich hier also der Progreß ins Un- endliche wieder hervor, der in der niedrigern Sphä- re des Seyns früher vorkam, und der im Felde des Begriffes, der absoluten Reflexion aus dem Endlichen in sich, im Gebiete der freyen Unendlichkeit und Wahrheit, nicht mehr zu erwarten war. Es ist in der Sphäre des Seyns gezeigt worden, daß wo die schlechte Unendlich- keit, die in den Progreß hinausläuft, sich hervorthut, der Widerspruch eines qualitativen Seyns, und eines darüber hinausgehenden, unmächtigen Sol- lens vorhanden ist; der Progreß selbst ist die Wieder- hohlung der gegen das Qualitative eingetretenen Fode- rung der Einheit, und des beständigen Rückfalls in die der Foderung nicht gemässe Schranke. Im formalen Schluße nun ist die unmittelbare Beziehung oder
das
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III.Kapitel. Der Schluß.
Natur des Schluſſes, nach welcher die unterſchie- denen Begriffsbeſtimmungen nicht unmittelbar bezogen, ſondern eben ſo deren Einheit geſetzt ſeyn ſoll; die Wahr- heit des Urtheils iſt der Schluß. Unmittelbare Bezie- hungen koͤnnen die Praͤmiſſen um ſo weniger bleiben, als ihr Inhalt unmittelbar unterſchiedene Beſtimmun- gen, ſie alſo nicht unmittelbar an und fuͤr ſich identiſch ſind; auſſer ſie ſeyen reine identiſche Saͤtze, d. i. leere zu nichts fuͤhrende Tavtologien.
Die Foderung an die Praͤmiſſen lautet daher ge- woͤhnlich, ſie ſollen bewieſen, d. h. ſie ſollen gleichfalls als Schlußſaͤtze dargeſtellt wer- den. Die zwey Praͤmiſſen geben ſomit zwey weitere Schluͤſſe. Aber dieſe zwey neuen Schluͤſſe geben wie- der zuſammen vier Praͤmiſſen, welche vier neue Schluͤſſe erfodern; dieſe haben acht Praͤmiſſen, deren acht Schluͤſſe wieder fuͤr ihre ſechszehn Praͤmiſſen ſechszehn Schluͤſſe geben, und ſofort in einer geo- metriſchen Progreſſion ins unendliche.
Es thut ſich hier alſo der Progreß ins Un- endliche wieder hervor, der in der niedrigern Sphaͤ- re des Seyns fruͤher vorkam, und der im Felde des Begriffes, der abſoluten Reflexion aus dem Endlichen in ſich, im Gebiete der freyen Unendlichkeit und Wahrheit, nicht mehr zu erwarten war. Es iſt in der Sphaͤre des Seyns gezeigt worden, daß wo die ſchlechte Unendlich- keit, die in den Progreß hinauslaͤuft, ſich hervorthut, der Widerſpruch eines qualitativen Seyns, und eines daruͤber hinausgehenden, unmaͤchtigen Sol- lens vorhanden iſt; der Progreß ſelbſt iſt die Wieder- hohlung der gegen das Qualitative eingetretenen Fode- rung der Einheit, und des beſtaͤndigen Ruͤckfalls in die der Foderung nicht gemaͤſſe Schranke. Im formalen Schluße nun iſt die unmittelbare Beziehung oder
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III. Kapitel. Der Schluß.
Natur des Schluſſes, nach welcher die unterſchie-
denen Begriffsbeſtimmungen nicht unmittelbar bezogen,
ſondern eben ſo deren Einheit geſetzt ſeyn ſoll; die Wahr-
heit des Urtheils iſt der Schluß. Unmittelbare Bezie-
hungen koͤnnen die Praͤmiſſen um ſo weniger bleiben, als
ihr Inhalt unmittelbar unterſchiedene Beſtimmun-
gen, ſie alſo nicht unmittelbar an und fuͤr ſich identiſch
ſind; auſſer ſie ſeyen reine identiſche Saͤtze, d. i. leere
zu nichts fuͤhrende Tavtologien.
Die Foderung an die Praͤmiſſen lautet daher ge-
woͤhnlich, ſie ſollen bewieſen, d. h. ſie ſollen
gleichfalls als Schlußſaͤtze dargeſtellt wer-
den. Die zwey Praͤmiſſen geben ſomit zwey weitere
Schluͤſſe. Aber dieſe zwey neuen Schluͤſſe geben wie-
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Schluͤſſe erfodern; dieſe haben acht Praͤmiſſen, deren
acht Schluͤſſe wieder fuͤr ihre ſechszehn Praͤmiſſen
ſechszehn Schluͤſſe geben, und ſofort in einer geo-
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Es thut ſich hier alſo der Progreß ins Un-
endliche wieder hervor, der in der niedrigern Sphaͤ-
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Begriffes, der abſoluten Reflexion aus dem Endlichen in
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nicht mehr zu erwarten war. Es iſt in der Sphaͤre des
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der Foderung nicht gemaͤſſe Schranke. Im formalen
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/163>, abgerufen am 16.02.2025.
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