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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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I. Abschnitt. Subjectivität.
Das Verhältniß von Inhärenz oder Subsumtion der
Terminorum ist darin ausgelöscht.

Ein Drittes überhaupt ist das Vermittelnde;
aber es hat ganz und gar keine Bestimmung gegen
seine Extreme. Jedes der dreyen kann daher gleich gut
das dritte Vermittelnde, seyn. Welches dazu gebraucht,
welche der drey Beziehungen daher als die unmittelba-
ren, und welche als die vermittelte genommen werden
soll, hängt von äussern Umständen und sonstigen Bedin-
gungen ab; -- nemlich davon, welche zwey derselben die
unmittelbar gegebenen sind. Aber diese Bestimmung
geht den Schluß selbst nichts an, und ist völlig äus-
serlich.

2. Der mathematische Schluß gilt als ein Axiom
in der Mathematik; -- als ein an und für sich
einleuchtender, erster
Satz, der keines Beweises
d. h. keiner Vermittlung fähig sey noch bedürfe, nichts
anderes voraussetze, noch daraus hergeleitet werden
könne. -- Wenn der Vorzug desselben, unmittelbar ein-
leuchtend
zu seyn, näher betrachtet wird, so zeigt es
sich, daß er in dem Formalismus dieses Schlusses liegt,
der von aller qualitativen Verschiedenheit der Bestim-
mungen abstrahirt, und nur ihre quantitative Gleichheit
oder Ungleichheit aufnimmt. Aus eben diesem Grunde
ist er aber nicht ohne Voraussetzung oder unvermittelt;
die quantitative Bestimmung, die in ihm allein in Rück-
sicht kommt, ist nur durch die Abstraction von
dem qualitativen Unterschiede und den Begriffsbestim-
mungen. -- Linien, Figuren, die einander gleich gesetzt
werden, werden nur nach ihrer Grösse verstanden; ein
Dreyeck wird einem Quadrate gleich gesetzt, aber nicht
als Dreyeck dem Quadrat, sondern allein der Grösse
nach u. s. f. Eben so tritt der Begriff und seine Bestim-
mungen nicht in dieses Schliessen ein; es wird damit

über-

I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt.
Das Verhaͤltniß von Inhaͤrenz oder Subſumtion der
Terminorum iſt darin ausgeloͤſcht.

Ein Drittes uͤberhaupt iſt das Vermittelnde;
aber es hat ganz und gar keine Beſtimmung gegen
ſeine Extreme. Jedes der dreyen kann daher gleich gut
das dritte Vermittelnde, ſeyn. Welches dazu gebraucht,
welche der drey Beziehungen daher als die unmittelba-
ren, und welche als die vermittelte genommen werden
ſoll, haͤngt von aͤuſſern Umſtaͤnden und ſonſtigen Bedin-
gungen ab; — nemlich davon, welche zwey derſelben die
unmittelbar gegebenen ſind. Aber dieſe Beſtimmung
geht den Schluß ſelbſt nichts an, und iſt voͤllig aͤuſ-
ſerlich.

2. Der mathematiſche Schluß gilt als ein Axiom
in der Mathematik; — als ein an und fuͤr ſich
einleuchtender, erſter
Satz, der keines Beweiſes
d. h. keiner Vermittlung faͤhig ſey noch beduͤrfe, nichts
anderes vorausſetze, noch daraus hergeleitet werden
koͤnne. — Wenn der Vorzug deſſelben, unmittelbar ein-
leuchtend
zu ſeyn, naͤher betrachtet wird, ſo zeigt es
ſich, daß er in dem Formalismus dieſes Schluſſes liegt,
der von aller qualitativen Verſchiedenheit der Beſtim-
mungen abſtrahirt, und nur ihre quantitative Gleichheit
oder Ungleichheit aufnimmt. Aus eben dieſem Grunde
iſt er aber nicht ohne Vorausſetzung oder unvermittelt;
die quantitative Beſtimmung, die in ihm allein in Ruͤck-
ſicht kommt, iſt nur durch die Abſtraction von
dem qualitativen Unterſchiede und den Begriffsbeſtim-
mungen. — Linien, Figuren, die einander gleich geſetzt
werden, werden nur nach ihrer Groͤſſe verſtanden; ein
Dreyeck wird einem Quadrate gleich geſetzt, aber nicht
als Dreyeck dem Quadrat, ſondern allein der Groͤſſe
nach u. ſ. f. Eben ſo tritt der Begriff und ſeine Beſtim-
mungen nicht in dieſes Schlieſſen ein; es wird damit

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[156/0174] I. Abſchnitt. Subjectivitaͤt. Das Verhaͤltniß von Inhaͤrenz oder Subſumtion der Terminorum iſt darin ausgeloͤſcht. Ein Drittes uͤberhaupt iſt das Vermittelnde; aber es hat ganz und gar keine Beſtimmung gegen ſeine Extreme. Jedes der dreyen kann daher gleich gut das dritte Vermittelnde, ſeyn. Welches dazu gebraucht, welche der drey Beziehungen daher als die unmittelba- ren, und welche als die vermittelte genommen werden ſoll, haͤngt von aͤuſſern Umſtaͤnden und ſonſtigen Bedin- gungen ab; — nemlich davon, welche zwey derſelben die unmittelbar gegebenen ſind. Aber dieſe Beſtimmung geht den Schluß ſelbſt nichts an, und iſt voͤllig aͤuſ- ſerlich. 2. Der mathematiſche Schluß gilt als ein Axiom in der Mathematik; — als ein an und fuͤr ſich einleuchtender, erſter Satz, der keines Beweiſes d. h. keiner Vermittlung faͤhig ſey noch beduͤrfe, nichts anderes vorausſetze, noch daraus hergeleitet werden koͤnne. — Wenn der Vorzug deſſelben, unmittelbar ein- leuchtend zu ſeyn, naͤher betrachtet wird, ſo zeigt es ſich, daß er in dem Formalismus dieſes Schluſſes liegt, der von aller qualitativen Verſchiedenheit der Beſtim- mungen abſtrahirt, und nur ihre quantitative Gleichheit oder Ungleichheit aufnimmt. Aus eben dieſem Grunde iſt er aber nicht ohne Vorausſetzung oder unvermittelt; die quantitative Beſtimmung, die in ihm allein in Ruͤck- ſicht kommt, iſt nur durch die Abſtraction von dem qualitativen Unterſchiede und den Begriffsbeſtim- mungen. — Linien, Figuren, die einander gleich geſetzt werden, werden nur nach ihrer Groͤſſe verſtanden; ein Dreyeck wird einem Quadrate gleich geſetzt, aber nicht als Dreyeck dem Quadrat, ſondern allein der Groͤſſe nach u. ſ. f. Eben ſo tritt der Begriff und ſeine Beſtim- mungen nicht in dieſes Schlieſſen ein; es wird damit uͤber-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/174>, abgerufen am 18.05.2024.