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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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III. Abschnitt. Idee.
Unterschiede entfaltet, und kann nicht an eine einzelne
solcher Eigenschaften schlechthin gebunden seyn. Die
Eigenschaften als die Aeusserlichkeit des Dinges, sind
sich selbst äusserlich; es ist in der Sphäre der Erschei-
nung, bey dem Dinge von vielen Eigenschaften aufge-
zeigt worden, daß sie deßwegen wesentlich sogar zu
selbstständigen Materien werden; der Geist wird, von
demselben Standpunkte der Erscheinung aus betrachtet,
zu einem Aggregate von vielen selbstständigen Kräften.
Die einzelne Eigenschaft oder Kraft hört durch diesen
Standpunkt selbst, wo sie gleichgültig gegen die andern
gesetzt wird, auf, charakterisirendes Princip zu seyn,
womit die Bestimmtheit, als Bestimmtheit des Begriffs
überhaupt verschwindet.

Noch tritt an den concreten Dingen neben der
Verschiedenheit der Eigenschaften gegeneinander der Un-
terschied zwischen Begriff und seiner Verwirkli-
chung
ein. Der Begriff in der Natur und im Geiste
hat eine äusserliche Darstellung, worin seine Bestimmt-
heit sich als Abhängigkeit von äusserem, Vergänglichkeit
und Unangemessenheit zeigt. Etwas Wirkliches zeigt
daher wohl an sich, was es seyn soll, aber es kann
auch nach dem negativen Begriffsurtheil, ebensosehr zei-
gen, daß seine Wirklichkeit diesem Begriffe nur unvoll-
ständig entspricht, daß sie schlecht ist. Indem die
Definition nun in einer unmittelbaren Eigenschaft die
Bestimmtheit des Begriffes angeben soll, so gibt es keine
Eigenschaft, gegen welche nicht eine Instanz beygebracht
werden könne, in der der ganze Habitus zwar das zu
definirende Concrete erkennen läßt, die Eigenschaft aber,
welche für dessen Charakter genommen wird, sich unreif
oder verkümmert zeigt. In einer schlechten Pflanze, ei-
ner schlechten Thiergattung, einem verächtlichen Men-
schen, einem schlechten Staate sind Seiten der Existenz

man-

III. Abſchnitt. Idee.
Unterſchiede entfaltet, und kann nicht an eine einzelne
ſolcher Eigenſchaften ſchlechthin gebunden ſeyn. Die
Eigenſchaften als die Aeuſſerlichkeit des Dinges, ſind
ſich ſelbſt aͤuſſerlich; es iſt in der Sphaͤre der Erſchei-
nung, bey dem Dinge von vielen Eigenſchaften aufge-
zeigt worden, daß ſie deßwegen weſentlich ſogar zu
ſelbſtſtaͤndigen Materien werden; der Geiſt wird, von
demſelben Standpunkte der Erſcheinung aus betrachtet,
zu einem Aggregate von vielen ſelbſtſtaͤndigen Kraͤften.
Die einzelne Eigenſchaft oder Kraft hoͤrt durch dieſen
Standpunkt ſelbſt, wo ſie gleichguͤltig gegen die andern
geſetzt wird, auf, charakteriſirendes Princip zu ſeyn,
womit die Beſtimmtheit, als Beſtimmtheit des Begriffs
uͤberhaupt verſchwindet.

Noch tritt an den concreten Dingen neben der
Verſchiedenheit der Eigenſchaften gegeneinander der Un-
terſchied zwiſchen Begriff und ſeiner Verwirkli-
chung
ein. Der Begriff in der Natur und im Geiſte
hat eine aͤuſſerliche Darſtellung, worin ſeine Beſtimmt-
heit ſich als Abhaͤngigkeit von aͤuſſerem, Vergaͤnglichkeit
und Unangemeſſenheit zeigt. Etwas Wirkliches zeigt
daher wohl an ſich, was es ſeyn ſoll, aber es kann
auch nach dem negativen Begriffsurtheil, ebenſoſehr zei-
gen, daß ſeine Wirklichkeit dieſem Begriffe nur unvoll-
ſtaͤndig entſpricht, daß ſie ſchlecht iſt. Indem die
Definition nun in einer unmittelbaren Eigenſchaft die
Beſtimmtheit des Begriffes angeben ſoll, ſo gibt es keine
Eigenſchaft, gegen welche nicht eine Inſtanz beygebracht
werden koͤnne, in der der ganze Habitus zwar das zu
definirende Concrete erkennen laͤßt, die Eigenſchaft aber,
welche fuͤr deſſen Charakter genommen wird, ſich unreif
oder verkuͤmmert zeigt. In einer ſchlechten Pflanze, ei-
ner ſchlechten Thiergattung, einem veraͤchtlichen Men-
ſchen, einem ſchlechten Staate ſind Seiten der Exiſtenz

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[334/0352] III. Abſchnitt. Idee. Unterſchiede entfaltet, und kann nicht an eine einzelne ſolcher Eigenſchaften ſchlechthin gebunden ſeyn. Die Eigenſchaften als die Aeuſſerlichkeit des Dinges, ſind ſich ſelbſt aͤuſſerlich; es iſt in der Sphaͤre der Erſchei- nung, bey dem Dinge von vielen Eigenſchaften aufge- zeigt worden, daß ſie deßwegen weſentlich ſogar zu ſelbſtſtaͤndigen Materien werden; der Geiſt wird, von demſelben Standpunkte der Erſcheinung aus betrachtet, zu einem Aggregate von vielen ſelbſtſtaͤndigen Kraͤften. Die einzelne Eigenſchaft oder Kraft hoͤrt durch dieſen Standpunkt ſelbſt, wo ſie gleichguͤltig gegen die andern geſetzt wird, auf, charakteriſirendes Princip zu ſeyn, womit die Beſtimmtheit, als Beſtimmtheit des Begriffs uͤberhaupt verſchwindet. Noch tritt an den concreten Dingen neben der Verſchiedenheit der Eigenſchaften gegeneinander der Un- terſchied zwiſchen Begriff und ſeiner Verwirkli- chung ein. Der Begriff in der Natur und im Geiſte hat eine aͤuſſerliche Darſtellung, worin ſeine Beſtimmt- heit ſich als Abhaͤngigkeit von aͤuſſerem, Vergaͤnglichkeit und Unangemeſſenheit zeigt. Etwas Wirkliches zeigt daher wohl an ſich, was es ſeyn ſoll, aber es kann auch nach dem negativen Begriffsurtheil, ebenſoſehr zei- gen, daß ſeine Wirklichkeit dieſem Begriffe nur unvoll- ſtaͤndig entſpricht, daß ſie ſchlecht iſt. Indem die Definition nun in einer unmittelbaren Eigenſchaft die Beſtimmtheit des Begriffes angeben ſoll, ſo gibt es keine Eigenſchaft, gegen welche nicht eine Inſtanz beygebracht werden koͤnne, in der der ganze Habitus zwar das zu definirende Concrete erkennen laͤßt, die Eigenſchaft aber, welche fuͤr deſſen Charakter genommen wird, ſich unreif oder verkuͤmmert zeigt. In einer ſchlechten Pflanze, ei- ner ſchlechten Thiergattung, einem veraͤchtlichen Men- ſchen, einem ſchlechten Staate ſind Seiten der Exiſtenz man-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/352>, abgerufen am 22.11.2024.