Hiemit ist ein Uebergang eingetreten, der, da er vom Allgemeinen zum Besondern geschieht, durch die Form des Begriffs bestimmt ist. Die Definition für sich ist etwas einzelnes; eine Mehrheit von Definitionen gehört der Mehrheit der Gegenstände an. Der dem Be- griff angehörige Fortgang vom Allgemeinen zum Beson- dern ist Grundlage und Möglichkeit einer syntheti- schen Wissenschaft, eines Systems, und syste- matischen Erkennens.
Die erste Erforderniß hiefür ist, wie gezeigt, daß der Anfang mit dem Gegenstande, in der Form eines Allgemeinen gemacht werde. Wenn in der Wirk- lichkeit, es sey der Natur oder des Geistes, die concrete Einzelnheit dem subjectiven, natürlichen Erkennen als das erste gegeben ist, so muß dagegen in dem Erkennen, das wenigstens insofern ein Begreiffen ist, als es die Form des Begriffes zur Grundlage hat, das Einfache, von dem Concreten ausgeschiedene das Erste seyn, weil der Gegenstand nur in dieser Form die Form des sich auf sich beziehenden Allgemeinen und des dem Be- griffe nach unmittelbaren hat. Gegen diesen Gang im Wissenschaftlichen kann etwa gemeynt werden, weil das Anschauen leichter sey als das Erkennen, so sey auch das Anschaubare, also die concrete Wirklichkeit zum An- fang der Wissenschaft zu machen, und dieser Gang sey naturgemäßer als der, welcher vom Gegenstand in seiner Abstraction beginnt, und von da umgekehrt zu dessen Besonderung und concreten Vereinzelung fort- geht. -- Indem aber erkannt werden soll, so ist die Vergleichung mit der Anschauung bereits entschieden und aufgegeben; und es kann nur die Frage seyn, was innerhalb des Erkennens das Erste und wie die Folge beschaffen seyn soll; es wird nicht mehr ein na- turgemäßer, sondern ein Erkenntnißgemäßer
Weg
Y
II.Kapitel. Das Erkennen.
Hiemit iſt ein Uebergang eingetreten, der, da er vom Allgemeinen zum Beſondern geſchieht, durch die Form des Begriffs beſtimmt iſt. Die Definition fuͤr ſich iſt etwas einzelnes; eine Mehrheit von Definitionen gehoͤrt der Mehrheit der Gegenſtaͤnde an. Der dem Be- griff angehoͤrige Fortgang vom Allgemeinen zum Beſon- dern iſt Grundlage und Moͤglichkeit einer ſyntheti- ſchen Wiſſenſchaft, eines Syſtems, und ſyſte- matiſchen Erkennens.
Die erſte Erforderniß hiefuͤr iſt, wie gezeigt, daß der Anfang mit dem Gegenſtande, in der Form eines Allgemeinen gemacht werde. Wenn in der Wirk- lichkeit, es ſey der Natur oder des Geiſtes, die concrete Einzelnheit dem ſubjectiven, natuͤrlichen Erkennen als das erſte gegeben iſt, ſo muß dagegen in dem Erkennen, das wenigſtens inſofern ein Begreiffen iſt, als es die Form des Begriffes zur Grundlage hat, das Einfache, von dem Concreten ausgeſchiedene das Erſte ſeyn, weil der Gegenſtand nur in dieſer Form die Form des ſich auf ſich beziehenden Allgemeinen und des dem Be- griffe nach unmittelbaren hat. Gegen dieſen Gang im Wiſſenſchaftlichen kann etwa gemeynt werden, weil das Anſchauen leichter ſey als das Erkennen, ſo ſey auch das Anſchaubare, alſo die concrete Wirklichkeit zum An- fang der Wiſſenſchaft zu machen, und dieſer Gang ſey naturgemaͤßer als der, welcher vom Gegenſtand in ſeiner Abſtraction beginnt, und von da umgekehrt zu deſſen Beſonderung und concreten Vereinzelung fort- geht. — Indem aber erkannt werden ſoll, ſo iſt die Vergleichung mit der Anſchauung bereits entſchieden und aufgegeben; und es kann nur die Frage ſeyn, was innerhalb des Erkennens das Erſte und wie die Folge beſchaffen ſeyn ſoll; es wird nicht mehr ein na- turgemaͤßer, ſondern ein Erkenntnißgemaͤßer
Weg
Y
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><pbfacs="#f0355"n="337"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">II.</hi><hirendition="#g">Kapitel. Das Erkennen</hi>.</fw><lb/><p>Hiemit iſt ein Uebergang eingetreten, der, da er<lb/>
vom Allgemeinen zum Beſondern geſchieht, durch die<lb/>
Form des Begriffs beſtimmt iſt. Die Definition fuͤr<lb/>ſich iſt etwas einzelnes; eine Mehrheit von Definitionen<lb/>
gehoͤrt der Mehrheit der Gegenſtaͤnde an. Der dem Be-<lb/>
griff angehoͤrige Fortgang vom Allgemeinen zum Beſon-<lb/>
dern iſt Grundlage und Moͤglichkeit einer <hirendition="#g">ſyntheti-<lb/>ſchen Wiſſenſchaft</hi>, eines <hirendition="#g">Syſtems</hi>, und <hirendition="#g">ſyſte-<lb/>
matiſchen Erkennens</hi>.</p><lb/><p>Die erſte Erforderniß hiefuͤr iſt, wie gezeigt, daß<lb/>
der Anfang mit dem Gegenſtande, in der Form eines<lb/><hirendition="#g">Allgemeinen</hi> gemacht werde. Wenn in der Wirk-<lb/>
lichkeit, es ſey der Natur oder des Geiſtes, die concrete<lb/>
Einzelnheit dem ſubjectiven, natuͤrlichen Erkennen als<lb/>
das erſte gegeben iſt, ſo muß dagegen in dem Erkennen,<lb/>
das wenigſtens inſofern ein Begreiffen iſt, als es die<lb/>
Form des Begriffes zur Grundlage hat, das <hirendition="#g">Einfache</hi>,<lb/>
von dem Concreten <hirendition="#g">ausgeſchiedene</hi> das Erſte ſeyn,<lb/>
weil der Gegenſtand nur in dieſer Form die Form des<lb/>ſich auf ſich beziehenden Allgemeinen und des dem Be-<lb/>
griffe nach unmittelbaren hat. Gegen dieſen Gang im<lb/>
Wiſſenſchaftlichen kann etwa gemeynt werden, weil das<lb/>
Anſchauen leichter ſey als das Erkennen, ſo ſey auch<lb/>
das Anſchaubare, alſo die concrete Wirklichkeit zum An-<lb/>
fang der Wiſſenſchaft zu machen, und dieſer Gang ſey<lb/><hirendition="#g">naturgemaͤßer</hi> als der, welcher vom Gegenſtand in<lb/>ſeiner Abſtraction beginnt, und von da umgekehrt zu<lb/>
deſſen Beſonderung und concreten Vereinzelung fort-<lb/>
geht. — Indem aber <hirendition="#g">erkannt</hi> werden ſoll, ſo iſt die<lb/>
Vergleichung mit der <hirendition="#g">Anſchauung</hi> bereits entſchieden<lb/>
und aufgegeben; und es kann nur die Frage ſeyn, was<lb/><hirendition="#g">innerhalb des Erkennens</hi> das Erſte und wie die<lb/>
Folge beſchaffen ſeyn ſoll; es wird nicht mehr ein <hirendition="#g">na-<lb/>
turgemaͤßer</hi>, ſondern ein <hirendition="#g">Erkenntnißgemaͤßer</hi><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y</fw><fwplace="bottom"type="catch">Weg</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[337/0355]
II. Kapitel. Das Erkennen.
Hiemit iſt ein Uebergang eingetreten, der, da er
vom Allgemeinen zum Beſondern geſchieht, durch die
Form des Begriffs beſtimmt iſt. Die Definition fuͤr
ſich iſt etwas einzelnes; eine Mehrheit von Definitionen
gehoͤrt der Mehrheit der Gegenſtaͤnde an. Der dem Be-
griff angehoͤrige Fortgang vom Allgemeinen zum Beſon-
dern iſt Grundlage und Moͤglichkeit einer ſyntheti-
ſchen Wiſſenſchaft, eines Syſtems, und ſyſte-
matiſchen Erkennens.
Die erſte Erforderniß hiefuͤr iſt, wie gezeigt, daß
der Anfang mit dem Gegenſtande, in der Form eines
Allgemeinen gemacht werde. Wenn in der Wirk-
lichkeit, es ſey der Natur oder des Geiſtes, die concrete
Einzelnheit dem ſubjectiven, natuͤrlichen Erkennen als
das erſte gegeben iſt, ſo muß dagegen in dem Erkennen,
das wenigſtens inſofern ein Begreiffen iſt, als es die
Form des Begriffes zur Grundlage hat, das Einfache,
von dem Concreten ausgeſchiedene das Erſte ſeyn,
weil der Gegenſtand nur in dieſer Form die Form des
ſich auf ſich beziehenden Allgemeinen und des dem Be-
griffe nach unmittelbaren hat. Gegen dieſen Gang im
Wiſſenſchaftlichen kann etwa gemeynt werden, weil das
Anſchauen leichter ſey als das Erkennen, ſo ſey auch
das Anſchaubare, alſo die concrete Wirklichkeit zum An-
fang der Wiſſenſchaft zu machen, und dieſer Gang ſey
naturgemaͤßer als der, welcher vom Gegenſtand in
ſeiner Abſtraction beginnt, und von da umgekehrt zu
deſſen Beſonderung und concreten Vereinzelung fort-
geht. — Indem aber erkannt werden ſoll, ſo iſt die
Vergleichung mit der Anſchauung bereits entſchieden
und aufgegeben; und es kann nur die Frage ſeyn, was
innerhalb des Erkennens das Erſte und wie die
Folge beſchaffen ſeyn ſoll; es wird nicht mehr ein na-
turgemaͤßer, ſondern ein Erkenntnißgemaͤßer
Weg
Y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/355>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.