Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.Vom Begriff anderer Eigenschaften und Beschaffenheitendes Gegenstandes, denselben an ihrem Werthe und ihrer Würde nichts benommen seyn solle; sondern sie als das Reelle, nur auf der andern Seite drüben, noch immer als völlig geltendes gelassen werden; so daß es nur das Unvermögen des Verstandes sey, solchen Reichthum nicht aufzunehmen, und sich mit der dürftigen Abstraction begnügen zu müssen. Wenn nun der gegebene Stoff der Anschauung und das Mannich- faltige der Vorstellung, als das Reelle gegen das Ge- dachte und den Begriff genommen wird, so ist diß eine Ansicht, welche abgelegt zu haben nicht nur Bedingung des Philosophirens ist, sondern schon von der Religion vorausgesetzt wird; wie ist ein Bedürfniß und der Sinn derselben möglich, wenn die flüchtige und oberflächliche Erscheinung des Sinnlichen und Einzelnen noch für das Wahre gehalten wird? Die Philosophie aber gibt die begriffene Einsicht, was es mit der Realität des sinnlichen Seyns für eine Bewandniß habe, und schickt jene Stuffen des Gefühls und der Anschauung, des sinn- lichen Bewußtseyns u. s. f. insofern dem Verstande vor- aus, als sie in dessen Werden seine Bedingungen, aber nur so sind, daß der Begriff aus ihrer Dialektik und Nichtigkeit als ihr Grund hervorgeht, nicht aber daß er durch ihre Realität bedingt wäre. Das abstrahirende Denken ist daher nicht als blosses Auf die Seite-Stellen des sinnlichen Stoffes zu betrachten, welcher dadurch in seiner Realität keinen Eintrag leide, sondern es ist vielmehr das Aufheben und die Reduction desselben als blosser Erscheinung auf das Wesent- liche, welches nur im Begriff sich manifestirt. Wenn das freylich nur als ein Merkmahl oder Zeichen dienen soll, was von der concreten Erscheinung in den Begriff aufzunehmen sey, so darf es allerdings auch ir- gend eine nur sinnliche einzelne Bestimmung des Gegen- stan-
Vom Begriff anderer Eigenſchaften und Beſchaffenheitendes Gegenſtandes, denſelben an ihrem Werthe und ihrer Wuͤrde nichts benommen ſeyn ſolle; ſondern ſie als das Reelle, nur auf der andern Seite druͤben, noch immer als voͤllig geltendes gelaſſen werden; ſo daß es nur das Unvermoͤgen des Verſtandes ſey, ſolchen Reichthum nicht aufzunehmen, und ſich mit der duͤrftigen Abſtraction begnuͤgen zu muͤſſen. Wenn nun der gegebene Stoff der Anſchauung und das Mannich- faltige der Vorſtellung, als das Reelle gegen das Ge- dachte und den Begriff genommen wird, ſo iſt diß eine Anſicht, welche abgelegt zu haben nicht nur Bedingung des Philoſophirens iſt, ſondern ſchon von der Religion vorausgeſetzt wird; wie iſt ein Beduͤrfniß und der Sinn derſelben moͤglich, wenn die fluͤchtige und oberflaͤchliche Erſcheinung des Sinnlichen und Einzelnen noch fuͤr das Wahre gehalten wird? Die Philoſophie aber gibt die begriffene Einſicht, was es mit der Realitaͤt des ſinnlichen Seyns fuͤr eine Bewandniß habe, und ſchickt jene Stuffen des Gefuͤhls und der Anſchauung, des ſinn- lichen Bewußtſeyns u. ſ. f. inſofern dem Verſtande vor- aus, als ſie in deſſen Werden ſeine Bedingungen, aber nur ſo ſind, daß der Begriff aus ihrer Dialektik und Nichtigkeit als ihr Grund hervorgeht, nicht aber daß er durch ihre Realitaͤt bedingt waͤre. Das abſtrahirende Denken iſt daher nicht als bloſſes Auf die Seite-Stellen des ſinnlichen Stoffes zu betrachten, welcher dadurch in ſeiner Realitaͤt keinen Eintrag leide, ſondern es iſt vielmehr das Aufheben und die Reduction deſſelben als bloſſer Erſcheinung auf das Weſent- liche, welches nur im Begriff ſich manifeſtirt. Wenn das freylich nur als ein Merkmahl oder Zeichen dienen ſoll, was von der concreten Erſcheinung in den Begriff aufzunehmen ſey, ſo darf es allerdings auch ir- gend eine nur ſinnliche einzelne Beſtimmung des Gegen- ſtan-
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Vom Begriff
anderer Eigenſchaften und Beſchaffenheiten
des Gegenſtandes, denſelben an ihrem Werthe und
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als das Reelle, nur auf der andern Seite druͤben,
noch immer als voͤllig geltendes gelaſſen werden; ſo
daß es nur das Unvermoͤgen des Verſtandes ſey,
ſolchen Reichthum nicht aufzunehmen, und ſich mit der
duͤrftigen Abſtraction begnuͤgen zu muͤſſen. Wenn nun
der gegebene Stoff der Anſchauung und das Mannich-
faltige der Vorſtellung, als das Reelle gegen das Ge-
dachte und den Begriff genommen wird, ſo iſt diß eine
Anſicht, welche abgelegt zu haben nicht nur Bedingung
des Philoſophirens iſt, ſondern ſchon von der Religion
vorausgeſetzt wird; wie iſt ein Beduͤrfniß und der Sinn
derſelben moͤglich, wenn die fluͤchtige und oberflaͤchliche
Erſcheinung des Sinnlichen und Einzelnen noch fuͤr das
Wahre gehalten wird? Die Philoſophie aber gibt die
begriffene Einſicht, was es mit der Realitaͤt des
ſinnlichen Seyns fuͤr eine Bewandniß habe, und ſchickt
jene Stuffen des Gefuͤhls und der Anſchauung, des ſinn-
lichen Bewußtſeyns u. ſ. f. inſofern dem Verſtande vor-
aus, als ſie in deſſen Werden ſeine Bedingungen, aber
nur ſo ſind, daß der Begriff aus ihrer Dialektik
und Nichtigkeit als ihr Grund hervorgeht, nicht
aber daß er durch ihre Realitaͤt bedingt waͤre. Das
abſtrahirende Denken iſt daher nicht als bloſſes Auf
die Seite-Stellen des ſinnlichen Stoffes zu betrachten,
welcher dadurch in ſeiner Realitaͤt keinen Eintrag leide,
ſondern es iſt vielmehr das Aufheben und die Reduction
deſſelben als bloſſer Erſcheinung auf das Weſent-
liche, welches nur im Begriff ſich manifeſtirt. Wenn
das freylich nur als ein Merkmahl oder Zeichen
dienen ſoll, was von der concreten Erſcheinung in den
Begriff aufzunehmen ſey, ſo darf es allerdings auch ir-
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