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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816.

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II. Kapitel. Das Erkennen.
war, an der geometrischen Figur z. B. solche weitere
Linien zu ziehen, als die Construction angibt, aber bey
dieser selbst muß man blindlings gehorchen; für sich ist
diese Operation daher ohne Verstand, da der Zweck, der
sie leitet, noch nicht ausgesprochen ist. -- Es ist gleich-
gültig, ob es ein eigentlicher Lehrsatz oder eine Aufgabe
ist, zu deren Behuf sie vorgenommen wird; so wie sie
zunächst vor dem Beweis erscheint, ist sie etwas
aus der im Lehrsatze oder der Aufgabe gegebenen Bestim-
mung nicht abgeleitetes, daher ein sinnloses Thun für
denjenigen, der den Zweck noch nicht kennt, immer aber
ein nur von einem äusserlichen Zwecke dirigirtes.

Dieses zuerst noch Geheime kommt im Beweise
zum Vorschein. Er enthält, wie angegeben, die Ver-
mittlung dessen, was im Lehrsatze als verbunden ausge-
sprochen ist; durch diese Vermittlung erscheint diese
Verknüpfung erst als eine nothwendige. Wie
die Construction für sich ohne die Subjectivität des Be-
griffes ist, so ist der Beweis ein subjectives Thun ohne
Objectivität. Weil nemlich die Inhaltsbestimmungen
des Lehrsatzes nicht zugleich als Begriffsbestimmungen
gesetzt sind, sondern als gegebene gleichgültige Thei-
le
, die in mannichfaltigen äusserlichen Verhältnissen zu
einander stehen, so ist es nur der formelle, äusser-
liche
Begriff, in welchem sich die Nothwendigkeit er-
gibt. Der Beweis ist nicht eine Genesis des Ver-
hältnisses, welches den Inhalt des Lehrsatzes ausmacht;
die Nothwendigkeit ist nur für die Einsicht, und der
ganze Beweis zum subjectiven Behufe des Er-
kennens
. Er ist deswegen überhaupt eine äusser-
liche
Reflexion, die von aussen nach innen geht,
d. h. aus äusserlichen Umständen auf die innre Beschaf-
fenheit des Verhältnisses schließt. Diese Umstände, wel-
che die Construction dargestellt hat, sind eine Folge

der
Z

II. Kapitel. Das Erkennen.
war, an der geometriſchen Figur z. B. ſolche weitere
Linien zu ziehen, als die Conſtruction angibt, aber bey
dieſer ſelbſt muß man blindlings gehorchen; fuͤr ſich iſt
dieſe Operation daher ohne Verſtand, da der Zweck, der
ſie leitet, noch nicht ausgeſprochen iſt. — Es iſt gleich-
guͤltig, ob es ein eigentlicher Lehrſatz oder eine Aufgabe
iſt, zu deren Behuf ſie vorgenommen wird; ſo wie ſie
zunaͤchſt vor dem Beweis erſcheint, iſt ſie etwas
aus der im Lehrſatze oder der Aufgabe gegebenen Beſtim-
mung nicht abgeleitetes, daher ein ſinnloſes Thun fuͤr
denjenigen, der den Zweck noch nicht kennt, immer aber
ein nur von einem aͤuſſerlichen Zwecke dirigirtes.

Dieſes zuerſt noch Geheime kommt im Beweiſe
zum Vorſchein. Er enthaͤlt, wie angegeben, die Ver-
mittlung deſſen, was im Lehrſatze als verbunden ausge-
ſprochen iſt; durch dieſe Vermittlung erſcheint dieſe
Verknuͤpfung erſt als eine nothwendige. Wie
die Conſtruction fuͤr ſich ohne die Subjectivitaͤt des Be-
griffes iſt, ſo iſt der Beweis ein ſubjectives Thun ohne
Objectivitaͤt. Weil nemlich die Inhaltsbeſtimmungen
des Lehrſatzes nicht zugleich als Begriffsbeſtimmungen
geſetzt ſind, ſondern als gegebene gleichguͤltige Thei-
le
, die in mannichfaltigen aͤuſſerlichen Verhaͤltniſſen zu
einander ſtehen, ſo iſt es nur der formelle, aͤuſſer-
liche
Begriff, in welchem ſich die Nothwendigkeit er-
gibt. Der Beweis iſt nicht eine Geneſis des Ver-
haͤltniſſes, welches den Inhalt des Lehrſatzes ausmacht;
die Nothwendigkeit iſt nur fuͤr die Einſicht, und der
ganze Beweis zum ſubjectiven Behufe des Er-
kennens
. Er iſt deswegen uͤberhaupt eine aͤuſſer-
liche
Reflexion, die von auſſen nach innen geht,
d. h. aus aͤuſſerlichen Umſtaͤnden auf die innre Beſchaf-
fenheit des Verhaͤltniſſes ſchließt. Dieſe Umſtaͤnde, wel-
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[353/0371] II. Kapitel. Das Erkennen. war, an der geometriſchen Figur z. B. ſolche weitere Linien zu ziehen, als die Conſtruction angibt, aber bey dieſer ſelbſt muß man blindlings gehorchen; fuͤr ſich iſt dieſe Operation daher ohne Verſtand, da der Zweck, der ſie leitet, noch nicht ausgeſprochen iſt. — Es iſt gleich- guͤltig, ob es ein eigentlicher Lehrſatz oder eine Aufgabe iſt, zu deren Behuf ſie vorgenommen wird; ſo wie ſie zunaͤchſt vor dem Beweis erſcheint, iſt ſie etwas aus der im Lehrſatze oder der Aufgabe gegebenen Beſtim- mung nicht abgeleitetes, daher ein ſinnloſes Thun fuͤr denjenigen, der den Zweck noch nicht kennt, immer aber ein nur von einem aͤuſſerlichen Zwecke dirigirtes. Dieſes zuerſt noch Geheime kommt im Beweiſe zum Vorſchein. Er enthaͤlt, wie angegeben, die Ver- mittlung deſſen, was im Lehrſatze als verbunden ausge- ſprochen iſt; durch dieſe Vermittlung erſcheint dieſe Verknuͤpfung erſt als eine nothwendige. Wie die Conſtruction fuͤr ſich ohne die Subjectivitaͤt des Be- griffes iſt, ſo iſt der Beweis ein ſubjectives Thun ohne Objectivitaͤt. Weil nemlich die Inhaltsbeſtimmungen des Lehrſatzes nicht zugleich als Begriffsbeſtimmungen geſetzt ſind, ſondern als gegebene gleichguͤltige Thei- le, die in mannichfaltigen aͤuſſerlichen Verhaͤltniſſen zu einander ſtehen, ſo iſt es nur der formelle, aͤuſſer- liche Begriff, in welchem ſich die Nothwendigkeit er- gibt. Der Beweis iſt nicht eine Geneſis des Ver- haͤltniſſes, welches den Inhalt des Lehrſatzes ausmacht; die Nothwendigkeit iſt nur fuͤr die Einſicht, und der ganze Beweis zum ſubjectiven Behufe des Er- kennens. Er iſt deswegen uͤberhaupt eine aͤuſſer- liche Reflexion, die von auſſen nach innen geht, d. h. aus aͤuſſerlichen Umſtaͤnden auf die innre Beſchaf- fenheit des Verhaͤltniſſes ſchließt. Dieſe Umſtaͤnde, wel- che die Conſtruction dargeſtellt hat, ſind eine Folge der Z

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Wissenschaft der Logik. Bd. 2. Nürnberg, 1816, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_logik02_1816/371>, abgerufen am 22.11.2024.