ein Surrogat des Cossees zu seyn gerühmt wird. Es ist nicht erfreulich, zu bemerken, dass die Unwissenheit und die form -- wie geschmacklose Rohheit selbst, die unfähig ist, ihr Denken auf einen abstracten Satz, noch weniger auf den Zusammenhang mehrerer festzuhalten, bald die Freyheit und Toleranz des Denkens, bald aber Genialität zu seyn versichert. Die letztere, wie itzt in der Philosophie, grassirte bekannt- lich einst ebenso in der Poesie; statt Poesie aber, wenn das Produciren dieser Genialität einen Sinn hatte, erzeugte es triviale Prose oder wenn es über diese hinausging, verrückte Re- den. So itzt ein natürliches Philosophiren, das sich zu gut für den Begriff und durch dessen Mangel für ein anschauendes und poetisches Denken hält, bringt willkührliche Combinatio- nen einer durch den Gedanken nur desorgani- sirten Einbildungskrafft zu Markte, -- Gebilde, die weder Fisch noch Fleisch, weder Poesie noch Philosophie sind.
Dagegen im ruhigern Bette des gesunden Menschenverstandes fortfliessend gibt das natür- liche Philosophiren eine Rhetorik trivialer Wahrheiten zum Besten. Wird ihm die Un- bedeutenheit derselben vorgehalten, so versi- chert es dagegen, dass der Sinn und die Erfül-
ein Surrogat des Coſſees zu ſeyn gerühmt wird. Es iſt nicht erfreulich, zu bemerken, daſs die Unwiſſenheit und die form — wie geſchmackloſe Rohheit ſelbſt, die unfähig iſt, ihr Denken auf einen abſtracten Satz, noch weniger auf den Zuſammenhang mehrerer feſtzuhalten, bald die Freyheit und Toleranz des Denkens, bald aber Genialität zu ſeyn verſichert. Die letztere, wie itzt in der Philoſophie, graſsirte bekannt- lich einſt ebenſo in der Poëſie; ſtatt Poëſie aber, wenn das Produciren dieſer Genialität einen Sinn hatte, erzeugte es triviale Proſe oder wenn es über dieſe hinausging, verrückte Re- den. So itzt ein natürliches Philoſophiren, das ſich zu gut für den Begriff und durch deſſen Mangel für ein anſchauendes und poëtiſches Denken hält, bringt willkührliche Combinatio- nen einer durch den Gedanken nur desorgani- ſirten Einbildungskrafft zu Markte, — Gebilde, die weder Fiſch noch Fleiſch, weder Poëſie noch Philoſophie ſind.
Dagegen im ruhigern Bette des geſunden Menſchenverſtandes fortflieſſend gibt das natür- liche Philoſophiren eine Rhetorik trivialer Wahrheiten zum Beſten. Wird ihm die Un- bedeutenheit derſelben vorgehalten, ſo verſi- chert es dagegen, daſs der Sinn und die Erfül-
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[LXXXV/0100]
ein Surrogat des Coſſees zu ſeyn gerühmt wird.
Es iſt nicht erfreulich, zu bemerken, daſs die
Unwiſſenheit und die form — wie geſchmackloſe
Rohheit ſelbſt, die unfähig iſt, ihr Denken auf
einen abſtracten Satz, noch weniger auf den
Zuſammenhang mehrerer feſtzuhalten, bald die
Freyheit und Toleranz des Denkens, bald aber
Genialität zu ſeyn verſichert. Die letztere,
wie itzt in der Philoſophie, graſsirte bekannt-
lich einſt ebenſo in der Poëſie; ſtatt Poëſie aber,
wenn das Produciren dieſer Genialität einen
Sinn hatte, erzeugte es triviale Proſe oder
wenn es über dieſe hinausging, verrückte Re-
den. So itzt ein natürliches Philoſophiren, das
ſich zu gut für den Begriff und durch deſſen
Mangel für ein anſchauendes und poëtiſches
Denken hält, bringt willkührliche Combinatio-
nen einer durch den Gedanken nur desorgani-
ſirten Einbildungskrafft zu Markte, — Gebilde,
die weder Fiſch noch Fleiſch, weder Poëſie
noch Philoſophie ſind.
Dagegen im ruhigern Bette des geſunden
Menſchenverſtandes fortflieſſend gibt das natür-
liche Philoſophiren eine Rhetorik trivialer
Wahrheiten zum Beſten. Wird ihm die Un-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LXXXV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/100>, abgerufen am 24.11.2024.
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