dem Sinne, in welchem diss bey jener der Fall war; als ob in es die Wahrheit des Wahrnehmens fiele, sondern vielmehr erkennt es, dass die Unwahrheit, die darin vorkömmt, in es fällt. Durch diese Er- kenntniss aber ist es zugleich fähig, sie aufzuheben; es unterscheidet sein Auffassen des Wahren von der Unwahrheit seines Wahrnehmens, corrigirt diese, und insofern es diese Berichtigung selbst vornimmt, fällt allerdings die Wahrheit, als Wahr- heit des Wahrnehmens in dasselbe. Das Verhalten des Bewusstseyns, das nunmehr zu betrachten ist, ist also so beschaffen, dass es nicht mehr bloss wahr- nimmt, sondern auch seiner Reflexion in sich be- wusst ist, und diese von der einfachen Auffassung selbst abtrennt.
Ich werde also zuerst des Dings als Eines ge- wahr, und habe es in dieser wahren Bestimmung fest zu halten; wenn in der Bewegung des Wahrneh- mens etwas dem Widersprechendes vorkommt, so ist diss als meine Reflexion zu erkennen. Es kom- men nun in der Wahrnehmung auch verschiedene Eigenschafften vor, welche Eigenschafften des Dings zu seyn scheinen; allein, das Ding ist Eins und von dieser Verschiedenheit, wodurch es aufhörte, Eins zu seyn, sind wir uns bewusst, dass sie in uns fällt. Diss Ding ist also in der That nur weiss, an unser Auge gebracht, scharf auch, an unsre Zunge, auch kubisch an unser Gefühl, und so fort. Die gänzliche Verschiedenheit dieser Seiten nehmen wir nicht aus
dem Sinne, in welchem diſs bey jener der Fall war; als ob in es die Wahrheit des Wahrnehmens fiele, sondern vielmehr erkennt es, daſs die Unwahrheit, die darin vorkömmt, in es fällt. Durch diese Er- kenntniſs aber ist es zugleich fähig, sie aufzuheben; es unterscheidet sein Auffassen des Wahren von der Unwahrheit seines Wahrnehmens, corrigirt diese, und insofern es diese Berichtigung selbst vornimmt, fällt allerdings die Wahrheit, als Wahr- heit des Wahrnehmens in dasselbe. Das Verhalten des Bewuſstseyns, das nunmehr zu betrachten ist, ist also so beschaffen, daſs es nicht mehr bloſs wahr- nimmt, sondern auch seiner Reflexion in sich be- wuſst ist, und diese von der einfachen Auffassung selbst abtrennt.
Ich werde also zuerst des Dings als Eines ge- wahr, und habe es in dieser wahren Bestimmung fest zu halten; wenn in der Bewegung des Wahrneh- mens etwas dem Widersprechendes vorkommt, so ist diſs als meine Reflexion zu erkennen. Es kom- men nun in der Wahrnehmung auch verschiedene Eigenschafften vor, welche Eigenschafften des Dings zu seyn scheinen; allein, das Ding ist Eins und von dieser Verschiedenheit, wodurch es aufhörte, Eins zu seyn, sind wir uns bewuſst, daſs sie in uns fällt. Diſs Ding ist also in der That nur weiſs, an unser Auge gebracht, scharf auch, an unsre Zunge, auch kubisch an unser Gefühl, und so fort. Die gänzliche Verschiedenheit dieser Seiten nehmen wir nicht aus
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dem Sinne, in welchem diſs bey jener der Fall war;
als ob in es die Wahrheit des Wahrnehmens fiele,
sondern vielmehr erkennt es, daſs die Unwahrheit,
die darin vorkömmt, in es fällt. Durch diese Er-
kenntniſs aber ist es zugleich fähig, sie aufzuheben;
es unterscheidet sein Auffassen des Wahren von
der Unwahrheit seines Wahrnehmens, corrigirt
diese, und insofern es diese Berichtigung selbst
vornimmt, fällt allerdings die Wahrheit, als Wahr-
heit des Wahrnehmens in dasselbe. Das Verhalten
des Bewuſstseyns, das nunmehr zu betrachten ist, ist
also so beschaffen, daſs es nicht mehr bloſs wahr-
nimmt, sondern auch seiner Reflexion in sich be-
wuſst ist, und diese von der einfachen Auffassung
selbst abtrennt.
Ich werde also zuerst des Dings als Eines ge-
wahr, und habe es in dieser wahren Bestimmung fest
zu halten; wenn in der Bewegung des Wahrneh-
mens etwas dem Widersprechendes vorkommt, so
ist diſs als meine Reflexion zu erkennen. Es kom-
men nun in der Wahrnehmung auch verschiedene
Eigenschafften vor, welche Eigenschafften des Dings
zu seyn scheinen; allein, das Ding ist Eins und von
dieser Verschiedenheit, wodurch es aufhörte, Eins
zu seyn, sind wir uns bewuſst, daſs sie in uns fällt.
Diſs Ding ist also in der That nur weiſs, an unser
Auge gebracht, scharf auch, an unsre Zunge, auch
kubisch an unser Gefühl, und so fort. Die gänzliche
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/156>, abgerufen am 23.11.2024.
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