Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

für welches itzt ein sinnliches Seyn ist, ist nur ein
Meynen, das heisst, es ist aus dem Wahrnehmen
ganz heraus und in sich zurückgegangen. Allein das
sinnliche Seyn und Meynen geht selbst in das Wahr-
nehmen über; ich bin zu dem Anfang zurückgewor-
fen, und wieder in denselben, sich in jedem Mo-
mente und als Ganzes aufhebenden, Kreislauff hin-
eingerissen.

Das Bewusstseyn durchlaufft ihn also nothwen-
dig wieder, aber zugleich nicht auf dieselbe Weise
wie das erstemal. Es hat nemlich die Erfahrung
über das Wahrnehmen gemacht, dass das Resultat
und das Wahre desselben seine Auflösung, oder die
Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist. Es
hat sich hiemit für das Bewusstseyn bestimmt, wie
sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nem-
lich nicht ein einfaches reines Auffassen, son-
dern in seinem Auffassen zugleich aus dem Wah-
ren heraus in sich reflectirt zu seyn. Diese Rückkehr
des Bewusstseyns in sich selbst, die sich in das reine
Auffassen unmittelbar, -- denn sie hat sich als dem
Wahrnehmen wesentlich gezeigt, -- einmischt, ver-
ändert das Wahre. Das Bewusstseyn erkennt diese
Seite zugleich als die seinige, und nimmt sie auf
sich, wodurch es also den wahren Gegenstand rein
erhalten wird. -- Es ist hiemit itzt, wie es bey
der sinnlichen Gewissheit geschah, an dem Wahr-
nehmen die Seite vorhanden, dass das Bewusstseyn
in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in

für welches itzt ein sinnliches Seyn ist, ist nur ein
Meynen, das heiſst, es ist aus dem Wahrnehmen
ganz heraus und in sich zurückgegangen. Allein das
sinnliche Seyn und Meynen geht selbst in das Wahr-
nehmen über; ich bin zu dem Anfang zurückgewor-
fen, und wieder in denselben, sich in jedem Mo-
mente und als Ganzes aufhebenden, Kreislauff hin-
eingerissen.

Das Bewuſstseyn durchlaufft ihn also nothwen-
dig wieder, aber zugleich nicht auf dieselbe Weise
wie das erstemal. Es hat nemlich die Erfahrung
über das Wahrnehmen gemacht, daſs das Resultat
und das Wahre desselben seine Auflösung, oder die
Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist. Es
hat sich hiemit für das Bewuſstseyn bestimmt, wie
sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nem-
lich nicht ein einfaches reines Auffassen, son-
dern in seinem Auffassen zugleich aus dem Wah-
ren heraus in sich reflectirt zu seyn. Diese Rückkehr
des Bewuſstseyns in sich selbst, die sich in das reine
Auffassen unmittelbar, — denn sie hat sich als dem
Wahrnehmen wesentlich gezeigt, — einmischt, ver-
ändert das Wahre. Das Bewuſstseyn erkennt diese
Seite zugleich als die seinige, und nimmt sie auf
sich, wodurch es also den wahren Gegenstand rein
erhalten wird. — Es ist hiemit itzt, wie es bey
der sinnlichen Gewiſsheit geschah, an dem Wahr-
nehmen die Seite vorhanden, daſs das Bewuſstseyn
in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0155" n="46"/>
für welches itzt ein sinnliches Seyn ist, ist nur ein<lb/><hi rendition="#i">Meynen</hi>, das hei&#x017F;st, es ist aus dem Wahrnehmen<lb/>
ganz heraus und in sich zurückgegangen. Allein das<lb/>
sinnliche Seyn und Meynen geht selbst in das Wahr-<lb/>
nehmen über; ich bin zu dem Anfang zurückgewor-<lb/>
fen, und wieder in denselben, sich in jedem Mo-<lb/>
mente und als Ganzes aufhebenden, Kreislauff hin-<lb/>
eingerissen.</p><lb/>
          <p>Das Bewu&#x017F;stseyn durchlaufft ihn also nothwen-<lb/>
dig wieder, aber zugleich nicht auf dieselbe Weise<lb/>
wie das erstemal. Es hat nemlich die Erfahrung<lb/>
über das Wahrnehmen gemacht, da&#x017F;s das Resultat<lb/>
und das Wahre desselben seine Auflösung, oder die<lb/>
Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist. Es<lb/>
hat sich hiemit für das Bewu&#x017F;stseyn bestimmt, wie<lb/>
sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nem-<lb/>
lich nicht ein einfaches reines Auffassen, son-<lb/>
dern <hi rendition="#i">in seinem Auffassen</hi> zugleich aus dem Wah-<lb/>
ren <hi rendition="#i">heraus in sich reflectirt</hi> zu seyn. Diese Rückkehr<lb/>
des Bewu&#x017F;stseyns in sich selbst, die sich in das reine<lb/>
Auffassen unmittelbar, &#x2014; denn sie hat sich als dem<lb/>
Wahrnehmen wesentlich gezeigt, &#x2014; <hi rendition="#i">einmischt</hi>, ver-<lb/>
ändert das Wahre. Das Bewu&#x017F;stseyn erkennt diese<lb/>
Seite zugleich als die seinige, und nimmt sie auf<lb/>
sich, wodurch es also den wahren Gegenstand rein<lb/>
erhalten wird. &#x2014; Es ist hiemit itzt, wie es bey<lb/>
der sinnlichen Gewi&#x017F;sheit geschah, an dem Wahr-<lb/>
nehmen die Seite vorhanden, da&#x017F;s das Bewu&#x017F;stseyn<lb/>
in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0155] für welches itzt ein sinnliches Seyn ist, ist nur ein Meynen, das heiſst, es ist aus dem Wahrnehmen ganz heraus und in sich zurückgegangen. Allein das sinnliche Seyn und Meynen geht selbst in das Wahr- nehmen über; ich bin zu dem Anfang zurückgewor- fen, und wieder in denselben, sich in jedem Mo- mente und als Ganzes aufhebenden, Kreislauff hin- eingerissen. Das Bewuſstseyn durchlaufft ihn also nothwen- dig wieder, aber zugleich nicht auf dieselbe Weise wie das erstemal. Es hat nemlich die Erfahrung über das Wahrnehmen gemacht, daſs das Resultat und das Wahre desselben seine Auflösung, oder die Reflexion in sich selbst aus dem Wahren ist. Es hat sich hiemit für das Bewuſstseyn bestimmt, wie sein Wahrnehmen wesentlich beschaffen ist, nem- lich nicht ein einfaches reines Auffassen, son- dern in seinem Auffassen zugleich aus dem Wah- ren heraus in sich reflectirt zu seyn. Diese Rückkehr des Bewuſstseyns in sich selbst, die sich in das reine Auffassen unmittelbar, — denn sie hat sich als dem Wahrnehmen wesentlich gezeigt, — einmischt, ver- ändert das Wahre. Das Bewuſstseyn erkennt diese Seite zugleich als die seinige, und nimmt sie auf sich, wodurch es also den wahren Gegenstand rein erhalten wird. — Es ist hiemit itzt, wie es bey der sinnlichen Gewiſsheit geschah, an dem Wahr- nehmen die Seite vorhanden, daſs das Bewuſstseyn in sich zurückgedrängt wird, aber zunächst nicht in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/155
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/155>, abgerufen am 22.11.2024.