ist aber in jedem einzelnen Momente nur dieser Ei- nen Bestimmtheit als des Wahren sich bewusst, und dann wieder der entgegengesetzten. Es wittert wohl ihre Unwesenheit; sie gegen die drohende Gefahr zu retten, geht es zur Sophisterey über, das was es selbst so eben als das Nichtwahre behauptete, itzt als das Wahre zu behaupten. Wozu diesen Ver- stand eigentlich die Natur dieser unwahren Wesen treiben will, die Gedanken von jener Allgemeinheit und Einzelnheit, vom Auch und Eins, von jener We- sentlichkeit, die mit einer Unwesentlichkeit nothwendig verknüpft ist, und von einem Unwesentlichen, das doch nothwendig ist, -- die Gedanken von diesen Un- wesen zusammen zu bringen und sie dadurch aufzu- heben, dagegen sträubt er sich durch die Stützen des Insofern und der verschiedenen Rücksichten, oder da- durch, den einen Gedanken auf sich zu nehmen, um den andern getrennt, und als den wahren zu erhalten. Aber die Natur dieser Abstractionen bringt sie an und für sich zusammen, der gesunde Verstand ist der Raub derselben, die ihn in ihrem wirbelnden Kreise umhertreiben. Indem er ihnen die Wahrheit dadurch geben will, dass er bald die Unwahrheit derselben auf sich nimmt, bald aber auch die Täuschung einen Schein der unzuverlässigen Dinge nennt und das Wesentliche von einem ihnen nothwendigen, und doch unwesent- lich seyn sollenden abtrennt, und jenes als ihre Wahr- heit gegen dieses festhält, erhält er ihnen nicht ihre Wahrheit, sich aber gibt er die Unwahrheit.
ist aber in jedem einzelnen Momente nur dieser Ei- nen Bestimmtheit als des Wahren sich bewuſst, und dann wieder der entgegengesetzten. Es wittert wohl ihre Unwesenheit; sie gegen die drohende Gefahr zu retten, geht es zur Sophisterey über, das was es selbst so eben als das Nichtwahre behauptete, itzt als das Wahre zu behaupten. Wozu diesen Ver- stand eigentlich die Natur dieser unwahren Wesen treiben will, die Gedanken von jener Allgemeinheit und Einzelnheit, vom Auch und Eins, von jener We- sentlichkeit, die mit einer Unwesentlichkeit nothwendig verknüpft ist, und von einem Unwesentlichen, das doch nothwendig ist, — die Gedanken von diesen Un- wesen zusammen zu bringen und sie dadurch aufzu- heben, dagegen sträubt er sich durch die Stützen des Insofern und der verschiedenen Rücksichten, oder da- durch, den einen Gedanken auf sich zu nehmen, um den andern getrennt, und als den wahren zu erhalten. Aber die Natur dieser Abstractionen bringt sie an und für sich zusammen, der gesunde Verstand ist der Raub derselben, die ihn in ihrem wirbelnden Kreise umhertreiben. Indem er ihnen die Wahrheit dadurch geben will, daſs er bald die Unwahrheit derselben auf sich nimmt, bald aber auch die Täuschung einen Schein der unzuverlässigen Dinge nennt und das Wesentliche von einem ihnen nothwendigen, und doch unwesent- lich seyn sollenden abtrennt, und jenes als ihre Wahr- heit gegen dieses festhält, erhält er ihnen nicht ihre Wahrheit, sich aber gibt er die Unwahrheit.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0167"n="58"/>
ist aber in jedem einzelnen Momente nur dieser <hirendition="#i">Ei-<lb/>
nen Bestimmtheit</hi> als des Wahren sich bewuſst, und<lb/>
dann wieder der entgegengesetzten. Es wittert wohl<lb/>
ihre Unwesenheit; sie gegen die drohende Gefahr zu<lb/>
retten, geht es zur Sophisterey über, das was es<lb/>
selbst so eben als das Nichtwahre behauptete, itzt<lb/>
als das Wahre zu behaupten. Wozu diesen Ver-<lb/>
stand eigentlich die Natur dieser unwahren Wesen<lb/>
treiben will, die Gedanken von jener <hirendition="#i">Allgemeinheit</hi><lb/>
und <hirendition="#i">Einzelnheit</hi>, vom <hirendition="#i">Auch</hi> und <hirendition="#i">Eins</hi>, von jener <hirendition="#i">We-<lb/>
sentlichkeit</hi>, die mit einer <hirendition="#i">Unwesentlichkeit nothwendig</hi><lb/>
verknüpft ist, und von einem <hirendition="#i">Unwesentlichen</hi>, das<lb/>
doch nothwendig ist, — die <hirendition="#i">Gedanken</hi> von diesen Un-<lb/>
wesen <hirendition="#i">zusammen zu bringen</hi> und sie dadurch aufzu-<lb/>
heben, dagegen sträubt er sich durch die Stützen des<lb/><hirendition="#i">Insofern</hi> und der verschiedenen <hirendition="#i">Rücksichten</hi>, oder da-<lb/>
durch, den einen Gedanken auf sich zu nehmen, um<lb/>
den andern getrennt, und als den wahren zu erhalten.<lb/>
Aber die Natur dieser Abstractionen bringt sie an und<lb/>
für sich zusammen, der gesunde Verstand ist der<lb/>
Raub derselben, die ihn in ihrem wirbelnden Kreise<lb/>
umhertreiben. Indem er ihnen die Wahrheit dadurch<lb/>
geben will, daſs er bald die Unwahrheit derselben auf<lb/>
sich nimmt, bald aber auch die Täuschung einen Schein<lb/>
der unzuverlässigen Dinge nennt und das Wesentliche<lb/>
von einem ihnen nothwendigen, und doch unwesent-<lb/>
lich seyn sollenden abtrennt, und jenes als ihre Wahr-<lb/>
heit gegen dieses festhält, erhält er ihnen nicht ihre<lb/>
Wahrheit, sich aber gibt er die Unwahrheit.</p></div><lb/></div></body></text></TEI>
[58/0167]
ist aber in jedem einzelnen Momente nur dieser Ei-
nen Bestimmtheit als des Wahren sich bewuſst, und
dann wieder der entgegengesetzten. Es wittert wohl
ihre Unwesenheit; sie gegen die drohende Gefahr zu
retten, geht es zur Sophisterey über, das was es
selbst so eben als das Nichtwahre behauptete, itzt
als das Wahre zu behaupten. Wozu diesen Ver-
stand eigentlich die Natur dieser unwahren Wesen
treiben will, die Gedanken von jener Allgemeinheit
und Einzelnheit, vom Auch und Eins, von jener We-
sentlichkeit, die mit einer Unwesentlichkeit nothwendig
verknüpft ist, und von einem Unwesentlichen, das
doch nothwendig ist, — die Gedanken von diesen Un-
wesen zusammen zu bringen und sie dadurch aufzu-
heben, dagegen sträubt er sich durch die Stützen des
Insofern und der verschiedenen Rücksichten, oder da-
durch, den einen Gedanken auf sich zu nehmen, um
den andern getrennt, und als den wahren zu erhalten.
Aber die Natur dieser Abstractionen bringt sie an und
für sich zusammen, der gesunde Verstand ist der
Raub derselben, die ihn in ihrem wirbelnden Kreise
umhertreiben. Indem er ihnen die Wahrheit dadurch
geben will, daſs er bald die Unwahrheit derselben auf
sich nimmt, bald aber auch die Täuschung einen Schein
der unzuverlässigen Dinge nennt und das Wesentliche
von einem ihnen nothwendigen, und doch unwesent-
lich seyn sollenden abtrennt, und jenes als ihre Wahr-
heit gegen dieses festhält, erhält er ihnen nicht ihre
Wahrheit, sich aber gibt er die Unwahrheit.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/167>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.