heit (den Horos) und hält sich absichtlich von dem Begriffe und der Nothwendigkeit ent- fernt, als von der Reflexion, die nur in der Endlichkeit hausse. Wie es aber eine leere Breite gibt, so auch eine leere Tiefe, wie eine Extension der Substanz, die sich in endliche Mannichfaltigkeit ergiesst, ohne Kraft sie zu- sammenzuhalten, -- so ist diss eine gehaltlose Intensität, welche als lautere Kraft ohne Aus- breitung sich haltend, dasselbe ist, was die Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geistes ist nur so gross als ihre Aeusserung, seine Tiefe nur so tief als er in seiner Auslegung sich auszu- breiten und sich zu verlieren getraut. -- Zu- gleich wenn diss begrifflose substantielle Wissen die Eigenheit des Selbsts in dem Wesen ver- senkt zu haben und wahr und heilig zu philo- sophiren vorgibt, so verbirgt es sich, dass es statt dem Gotte ergeben zu seyn, durch die Verschmähung des Masses und der Bestimmung vielmehr nur bald in sich selbst die Zufälligkeit des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkühr gewähren lässt. -- Indem sie sich dem unge- bändigten Gähren der Substanz überlassen, mey- nen sie, durch die Einhüllung des Selbstbewusst- seyns und Aufgeben des Verstands, die Seinen zu seyn, denen Gott die Weisheit im Schlafe
heit (den Horos) und hält ſich abſichtlich von dem Begriffe und der Nothwendigkeit ent- fernt, als von der Reflexion, die nur in der Endlichkeit hauſse. Wie es aber eine leere Breite gibt, ſo auch eine leere Tiefe, wie eine Extenſion der Subſtanz, die ſich in endliche Mannichfaltigkeit ergieſst, ohne Kraft ſie zu- ſammenzuhalten, — ſo iſt diſs eine gehaltloſe Intenſität, welche als lautere Kraft ohne Aus- breitung ſich haltend, daſſelbe iſt, was die Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geiſtes iſt nur ſo groſs als ihre Aeuſſerung, ſeine Tiefe nur ſo tief als er in ſeiner Auslegung ſich auszu- breiten und ſich zu verlieren getraut. — Zu- gleich wenn diſs begriffloſe ſubſtantielle Wiſſen die Eigenheit des Selbſts in dem Weſen ver- ſenkt zu haben und wahr und heilig zu philo- ſophiren vorgibt, ſo verbirgt es ſich, daſs es ſtatt dem Gotte ergeben zu ſeyn, durch die Verſchmähung des Maſses und der Beſtimmung vielmehr nur bald in ſich ſelbſt die Zufälligkeit des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkühr gewähren läſst. — Indem ſie ſich dem unge- bändigten Gähren der Subſtanz überlaſſen, mey- nen ſie, durch die Einhüllung des Selbſtbewuſst- ſeyns und Aufgeben des Verſtands, die Seinen zu ſeyn, denen Gott die Weisheit im Schlafe
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[XII/0027]
heit (den Horos) und hält ſich abſichtlich
von dem Begriffe und der Nothwendigkeit ent-
fernt, als von der Reflexion, die nur in der
Endlichkeit hauſse. Wie es aber eine leere
Breite gibt, ſo auch eine leere Tiefe, wie eine
Extenſion der Subſtanz, die ſich in endliche
Mannichfaltigkeit ergieſst, ohne Kraft ſie zu-
ſammenzuhalten, — ſo iſt diſs eine gehaltloſe
Intenſität, welche als lautere Kraft ohne Aus-
breitung ſich haltend, daſſelbe iſt, was die
Oberflächlichkeit. Die Kraft des Geiſtes iſt nur
ſo groſs als ihre Aeuſſerung, ſeine Tiefe nur
ſo tief als er in ſeiner Auslegung ſich auszu-
breiten und ſich zu verlieren getraut. — Zu-
gleich wenn diſs begriffloſe ſubſtantielle Wiſſen
die Eigenheit des Selbſts in dem Weſen ver-
ſenkt zu haben und wahr und heilig zu philo-
ſophiren vorgibt, ſo verbirgt es ſich, daſs es
ſtatt dem Gotte ergeben zu ſeyn, durch die
Verſchmähung des Maſses und der Beſtimmung
vielmehr nur bald in ſich ſelbſt die Zufälligkeit
des Inhalts, bald in ihm die eigne Willkühr
gewähren läſst. — Indem ſie ſich dem unge-
bändigten Gähren der Subſtanz überlaſſen, mey-
nen ſie, durch die Einhüllung des Selbſtbewuſst-
ſeyns und Aufgeben des Verſtands, die Seinen
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/27>, abgerufen am 23.11.2024.
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