wie die Anatomie sie auseinander legt. Insofern sol- che Systeme in ihrer Wirklichkeit gefunden, und durch diss Finden legitimirt werden sollen, muss auch erinnert werden, dass die Anatomie nicht nur drey dergleichen Systeme, sondern viel mehrere auf- weist. -- Alsdenn muss abgesehen hievon, über- haupt das sensible System etwas ganz anderes be- deuten, als das was Nervensystem genannt wird, so das irritable System etwas anderes als das Muskelsystem, das reproductive System etwas anders als die Einge- weide der Reproduction. In den Systemen der Ge- stalt als solcher ist der Organismus nach der ab- stracten Seite der todten Existenz aufgefasst; seine Momente so aufgenommen gehören der Anatomie und dem Kadaver, nicht der Erkenntniss und dem lebendigen Organismus an. Als solche Theile ha- ben sie vielmehr aufgehört, zu seyn, denn sie hören auf Processe zu seyn. Da das Seyn des Organismus wesentlich Allgemeinheit oder Reflexion in sich selbst ist, so kann das Seyn seines Ganzen, wie sei- ne Momente nicht in einem anatomischen Systeme bestehen, sondern der wirkliche Ausdruck und ihre Aeusserlichkeit ist vielmehr nur als eine Bewegung vorhanden, die sich durch die verschiedenen Theile der Gestaltung verlaufft, und worin das, was als ein- zelnes System herausgerissen und fixirt wird, sich wesentlich als fliessendes Moment darstellt, so dass nicht jene Wirklichkeit, wie die Anatomie sie fin- det, als ihre Realität gelten darf, sondern nur sie
wie die Anatomie sie auseinander legt. Insofern sol- che Systeme in ihrer Wirklichkeit gefunden, und durch diſs Finden legitimirt werden sollen, muſs auch erinnert werden, daſs die Anatomie nicht nur drey dergleichen Systeme, sondern viel mehrere auf- weist. — Alsdenn muſs abgesehen hievon, über- haupt das sensible System etwas ganz anderes be- deuten, als das was Nervensystem genannt wird, so das irritable System etwas anderes als das Muskelsystem, das reproductive System etwas anders als die Einge- weide der Reproduction. In den Systemen der Ge- stalt als solcher ist der Organismus nach der ab- stracten Seite der todten Existenz aufgefaſst; seine Momente so aufgenommen gehören der Anatomie und dem Kadaver, nicht der Erkenntniſs und dem lebendigen Organismus an. Als solche Theile ha- ben sie vielmehr aufgehört, zu seyn, denn sie hören auf Processe zu seyn. Da das Seyn des Organismus wesentlich Allgemeinheit oder Reflexion in sich selbst ist, so kann das Seyn seines Ganzen, wie sei- ne Momente nicht in einem anatomischen Systeme bestehen, sondern der wirkliche Ausdruck und ihre Aeuſserlichkeit ist vielmehr nur als eine Bewegung vorhanden, die sich durch die verschiedenen Theile der Gestaltung verlaufft, und worin das, was als ein- zelnes System herausgerissen und fixirt wird, sich wesentlich als flieſsendes Moment darstellt, so daſs nicht jene Wirklichkeit, wie die Anatomie sie fin- det, als ihre Realität gelten darf, sondern nur sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0319"n="210"/>
wie die Anatomie sie auseinander legt. Insofern sol-<lb/>
che Systeme in ihrer Wirklichkeit gefunden, und<lb/>
durch diſs Finden legitimirt werden sollen, muſs<lb/>
auch erinnert werden, daſs die Anatomie nicht nur<lb/>
drey dergleichen Systeme, sondern viel mehrere auf-<lb/>
weist. — Alsdenn muſs abgesehen hievon, über-<lb/>
haupt das sensible <hirendition="#i">System</hi> etwas ganz anderes be-<lb/>
deuten, als das was <hirendition="#i">Nervensystem</hi> genannt wird, so<lb/>
das irritable <hirendition="#i">System</hi> etwas anderes als das <hirendition="#i">Muskelsystem</hi>,<lb/>
das reproductive <hirendition="#i">System</hi> etwas anders als die <hirendition="#i">Einge-<lb/>
weide</hi> der Reproduction. In den Systemen der <hirendition="#i">Ge-<lb/>
stalt</hi> als solcher ist der Organismus nach der ab-<lb/>
stracten Seite der todten Existenz aufgefaſst; seine<lb/>
Momente so aufgenommen gehören der Anatomie<lb/>
und dem Kadaver, nicht der Erkenntniſs und dem<lb/>
lebendigen Organismus an. Als solche Theile ha-<lb/>
ben sie vielmehr aufgehört, <hirendition="#i">zu seyn</hi>, denn sie hören<lb/>
auf Processe zu seyn. Da das <hirendition="#i">Seyn</hi> des Organismus<lb/>
wesentlich Allgemeinheit oder Reflexion in sich<lb/>
selbst ist, so kann das <hirendition="#i">Seyn</hi> seines Ganzen, wie sei-<lb/>
ne Momente nicht in einem anatomischen Systeme<lb/>
bestehen, sondern der wirkliche Ausdruck und ihre<lb/>
Aeuſserlichkeit ist vielmehr nur als eine Bewegung<lb/>
vorhanden, die sich durch die verschiedenen Theile<lb/>
der Gestaltung verlaufft, und worin das, was als ein-<lb/>
zelnes System herausgerissen und fixirt wird, sich<lb/>
wesentlich als flieſsendes Moment darstellt, so daſs<lb/>
nicht jene Wirklichkeit, wie die Anatomie sie fin-<lb/>
det, als ihre Realität gelten darf, sondern nur sie<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[210/0319]
wie die Anatomie sie auseinander legt. Insofern sol-
che Systeme in ihrer Wirklichkeit gefunden, und
durch diſs Finden legitimirt werden sollen, muſs
auch erinnert werden, daſs die Anatomie nicht nur
drey dergleichen Systeme, sondern viel mehrere auf-
weist. — Alsdenn muſs abgesehen hievon, über-
haupt das sensible System etwas ganz anderes be-
deuten, als das was Nervensystem genannt wird, so
das irritable System etwas anderes als das Muskelsystem,
das reproductive System etwas anders als die Einge-
weide der Reproduction. In den Systemen der Ge-
stalt als solcher ist der Organismus nach der ab-
stracten Seite der todten Existenz aufgefaſst; seine
Momente so aufgenommen gehören der Anatomie
und dem Kadaver, nicht der Erkenntniſs und dem
lebendigen Organismus an. Als solche Theile ha-
ben sie vielmehr aufgehört, zu seyn, denn sie hören
auf Processe zu seyn. Da das Seyn des Organismus
wesentlich Allgemeinheit oder Reflexion in sich
selbst ist, so kann das Seyn seines Ganzen, wie sei-
ne Momente nicht in einem anatomischen Systeme
bestehen, sondern der wirkliche Ausdruck und ihre
Aeuſserlichkeit ist vielmehr nur als eine Bewegung
vorhanden, die sich durch die verschiedenen Theile
der Gestaltung verlaufft, und worin das, was als ein-
zelnes System herausgerissen und fixirt wird, sich
wesentlich als flieſsendes Moment darstellt, so daſs
nicht jene Wirklichkeit, wie die Anatomie sie fin-
det, als ihre Realität gelten darf, sondern nur sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/319>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.