Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

innerung an die Einheit des Selbstbewusstseyns bey
der Hererzählung dieser Collection nicht unterdrü-
cken lässt, m[u]s[s] sie wenigstens bis zur Verwunde-
rung fortgehen, dass in dem Geiste, wie in einem
Sacke, so vielerley und solche heterogene einander
zufällige Dinge beysammen seyn können, beson-
ders auch da sie sich nicht als todte ruhende Dinge,
sondern als unruhige Bewegungen zeigen.

In der Hererzählung dieser verschiedenen Ver-
mögen ist die Beobachtung in der allgemeinen Seite;
die Einheit dieser vielfachen Fähigkeiten ist die die-
ser Allgemeinheit entgegengesetzte Seite die wirkliche
Individualität. -- Die unterschiednen wirklichen
Individualitäten wieder so aufzufassen und zu erzäh-
len, dass der eine Mensch mehr Neigung zu diesem,
der andere mehr zu jenem, der eine mehr Verstand
als der andere habe, hat aber etwas viel uninteres-
santeres, als selbst die Arten von Insekten, Moo-
sen, und so fort aufzuzählen; denn diese geben der
Beobachtung das Recht, sie so einzeln und begriff-
los zu nehmen, weil sie wesentlich dem Elemente
der zufälligen Vereinzelung angehören. Die be-
wusste Individualität hingegen, geistlos als einzelne
seyende Erscheinung zu nehmen, hat das widerspre-
chende, dass ihr Wesen das Allgemeine des Geistes
ist. Indem aber das Auffassen sie zugleich in die
Form der Allgemeinheit eintreten lässt, findet es ihr
Gesetz
, und scheint itzt einen vernünftigen Zweck zu
haben, und ein nothwendiges Geschäffte zu treiben.


innerung an die Einheit des Selbstbewuſstseyns bey
der Hererzählung dieser Collection nicht unterdrü-
cken läſst, m[u]ſ[s] sie wenigstens bis zur Verwunde-
rung fortgehen, daſs in dem Geiste, wie in einem
Sacke, so vielerley und solche heterogene einander
zufällige Dinge beysammen seyn können, beson-
ders auch da sie sich nicht als todte ruhende Dinge,
sondern als unruhige Bewegungen zeigen.

In der Hererzählung dieser verschiedenen Ver-
mögen ist die Beobachtung in der allgemeinen Seite;
die Einheit dieser vielfachen Fähigkeiten ist die die-
ser Allgemeinheit entgegengesetzte Seite die wirkliche
Individualität. — Die unterschiednen wirklichen
Individualitäten wieder so aufzufassen und zu erzäh-
len, daſs der eine Mensch mehr Neigung zu diesem,
der andere mehr zu jenem, der eine mehr Verstand
als der andere habe, hat aber etwas viel uninteres-
santeres, als selbst die Arten von Insekten, Moo-
sen, und so fort aufzuzählen; denn diese geben der
Beobachtung das Recht, sie so einzeln und begriff-
los zu nehmen, weil sie wesentlich dem Elemente
der zufälligen Vereinzelung angehören. Die be-
wuſste Individualität hingegen, geistlos als einzelne
seyende Erscheinung zu nehmen, hat das widerspre-
chende, daſs ihr Wesen das Allgemeine des Geistes
ist. Indem aber das Auffassen sie zugleich in die
Form der Allgemeinheit eintreten läſst, findet es ihr
Gesetz
, und scheint itzt einen vernünftigen Zweck zu
haben, und ein nothwendiges Geschäffte zu treiben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0348" n="239"/>
innerung an die Einheit des Selbstbewu&#x017F;stseyns bey<lb/>
der Hererzählung dieser Collection nicht unterdrü-<lb/>
cken lä&#x017F;st, m<supplied>u</supplied>&#x017F;<supplied>s</supplied> sie wenigstens bis zur Verwunde-<lb/>
rung fortgehen, da&#x017F;s in dem Geiste, wie in einem<lb/>
Sacke, so vielerley und solche heterogene einander<lb/>
zufällige Dinge beysammen seyn können, beson-<lb/>
ders auch da sie sich nicht als todte ruhende Dinge,<lb/>
sondern als unruhige Bewegungen zeigen.</p><lb/>
              <p>In der Hererzählung dieser verschiedenen Ver-<lb/>
mögen ist die Beobachtung in der allgemeinen Seite;<lb/>
die Einheit dieser vielfachen Fähigkeiten ist die die-<lb/>
ser Allgemeinheit entgegengesetzte Seite die <hi rendition="#i">wirkliche</hi><lb/>
Individualität. &#x2014; Die unterschiednen wirklichen<lb/>
Individualitäten wieder so aufzufassen und zu erzäh-<lb/>
len, da&#x017F;s der eine Mensch mehr Neigung zu diesem,<lb/>
der andere mehr zu jenem, der eine mehr Verstand<lb/>
als der andere habe, hat aber etwas viel uninteres-<lb/>
santeres, als selbst die Arten von Insekten, Moo-<lb/>
sen, und so fort aufzuzählen; denn diese geben der<lb/>
Beobachtung das Recht, sie so einzeln und begriff-<lb/>
los zu nehmen, weil sie wesentlich dem Elemente<lb/>
der zufälligen Vereinzelung angehören. Die be-<lb/>
wu&#x017F;ste Individualität hingegen, geistlos als <hi rendition="#i">einzelne</hi><lb/>
seyende Erscheinung zu nehmen, hat das widerspre-<lb/>
chende, da&#x017F;s ihr Wesen das Allgemeine des Geistes<lb/>
ist. Indem aber das Auffassen sie zugleich in die<lb/>
Form der Allgemeinheit eintreten lä&#x017F;st, findet es <hi rendition="#i">ihr<lb/>
Gesetz</hi>, und scheint itzt einen vernünftigen Zweck zu<lb/>
haben, und ein nothwendiges Geschäffte zu treiben.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[239/0348] innerung an die Einheit des Selbstbewuſstseyns bey der Hererzählung dieser Collection nicht unterdrü- cken läſst, muſs sie wenigstens bis zur Verwunde- rung fortgehen, daſs in dem Geiste, wie in einem Sacke, so vielerley und solche heterogene einander zufällige Dinge beysammen seyn können, beson- ders auch da sie sich nicht als todte ruhende Dinge, sondern als unruhige Bewegungen zeigen. In der Hererzählung dieser verschiedenen Ver- mögen ist die Beobachtung in der allgemeinen Seite; die Einheit dieser vielfachen Fähigkeiten ist die die- ser Allgemeinheit entgegengesetzte Seite die wirkliche Individualität. — Die unterschiednen wirklichen Individualitäten wieder so aufzufassen und zu erzäh- len, daſs der eine Mensch mehr Neigung zu diesem, der andere mehr zu jenem, der eine mehr Verstand als der andere habe, hat aber etwas viel uninteres- santeres, als selbst die Arten von Insekten, Moo- sen, und so fort aufzuzählen; denn diese geben der Beobachtung das Recht, sie so einzeln und begriff- los zu nehmen, weil sie wesentlich dem Elemente der zufälligen Vereinzelung angehören. Die be- wuſste Individualität hingegen, geistlos als einzelne seyende Erscheinung zu nehmen, hat das widerspre- chende, daſs ihr Wesen das Allgemeine des Geistes ist. Indem aber das Auffassen sie zugleich in die Form der Allgemeinheit eintreten läſst, findet es ihr Gesetz, und scheint itzt einen vernünftigen Zweck zu haben, und ein nothwendiges Geschäffte zu treiben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/348
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/348>, abgerufen am 22.11.2024.