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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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zeug, das von der Hand der freyen Individualität
regiert, gleichgültig gegen den Gebrauch, den sie
von ihm macht, auch zur Hervorbringung einer
Wirklichkeit misbraucht werden kann, die seine
Zerstörung ist; eine leblose, eigner Selbstständigkeit
entbehrende Materie, die so oder auch anders, und
selbst zu ihrem Verderben geformt werden kann.

Indem diss Allgemeine dem Bewusstseyn der
Tugend, wie dem Weltlauffe auf gleiche Weise zu
Gebote steht, so ist nicht abzusehen, ob so ausge-
rüstet, die Tugend das Laster besiegen werde. Die
Waffen sind dieselben; sie sind diese Fähigkeiten
und Kräffte. Zwar hat die Tugend ihren Glauben
an die ursprüngliche Einheit ihres Zweckes und des
Wesens des Weltlauffes in den Hinterhalt gelegt,
welche dem Feinde während des Kampfes in den
Rücken fallen, und an sich ihn vollbringen soll; so
dass hiedurch in der That für den Ritter der Tugend
sein eignes Thun und Kämpfen eigentlich eine Spie-
gelfechterey ist, die er nicht für Ernst nehmen kann,
weil er seine wahrhaffte Stärke darein setzt, dass das
Gute an und für sich selbst sey, d. h. sich selbst voll-
bringe, -- eine Spiegelfechterey, die er auch nicht
zum Ernste werden lassen darf. Denn dasjenige, was
er gegen den Feind kehrt, und gegen sich gekehrt
findet, und dessen Abnutzung und Beschädigung er
sowohl an ihm selbst, als seinem Feinde daran wagt,
soll nicht das Gute selbst seyn; denn für dessen Be-
wahrung und Ausführung kämpft er; sondern was

zeug, das von der Hand der freyen Individualität
regiert, gleichgültig gegen den Gebrauch, den sie
von ihm macht, auch zur Hervorbringung einer
Wirklichkeit misbraucht werden kann, die seine
Zerstörung ist; eine leblose, eigner Selbstständigkeit
entbehrende Materie, die so oder auch anders, und
selbst zu ihrem Verderben geformt werden kann.

Indem diſs Allgemeine dem Bewuſstseyn der
Tugend, wie dem Weltlauffe auf gleiche Weise zu
Gebote steht, so ist nicht abzusehen, ob so ausge-
rüstet, die Tugend das Laster besiegen werde. Die
Waffen sind dieselben; sie sind diese Fähigkeiten
und Kräffte. Zwar hat die Tugend ihren Glauben
an die ursprüngliche Einheit ihres Zweckes und des
Wesens des Weltlauffes in den Hinterhalt gelegt,
welche dem Feinde während des Kampfes in den
Rücken fallen, und an sich ihn vollbringen soll; so
daſs hiedurch in der That für den Ritter der Tugend
sein eignes Thun und Kämpfen eigentlich eine Spie-
gelfechterey ist, die er nicht für Ernst nehmen kann,
weil er seine wahrhaffte Stärke darein setzt, daſs das
Gute an und für sich selbst sey, d. h. sich selbst voll-
bringe, — eine Spiegelfechterey, die er auch nicht
zum Ernste werden lassen darf. Denn dasjenige, was
er gegen den Feind kehrt, und gegen sich gekehrt
findet, und dessen Abnutzung und Beschädigung er
sowohl an ihm selbst, als seinem Feinde daran wagt,
soll nicht das Gute selbst seyn; denn für dessen Be-
wahrung und Ausführung kämpft er; sondern was

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[322/0431] zeug, das von der Hand der freyen Individualität regiert, gleichgültig gegen den Gebrauch, den sie von ihm macht, auch zur Hervorbringung einer Wirklichkeit misbraucht werden kann, die seine Zerstörung ist; eine leblose, eigner Selbstständigkeit entbehrende Materie, die so oder auch anders, und selbst zu ihrem Verderben geformt werden kann. Indem diſs Allgemeine dem Bewuſstseyn der Tugend, wie dem Weltlauffe auf gleiche Weise zu Gebote steht, so ist nicht abzusehen, ob so ausge- rüstet, die Tugend das Laster besiegen werde. Die Waffen sind dieselben; sie sind diese Fähigkeiten und Kräffte. Zwar hat die Tugend ihren Glauben an die ursprüngliche Einheit ihres Zweckes und des Wesens des Weltlauffes in den Hinterhalt gelegt, welche dem Feinde während des Kampfes in den Rücken fallen, und an sich ihn vollbringen soll; so daſs hiedurch in der That für den Ritter der Tugend sein eignes Thun und Kämpfen eigentlich eine Spie- gelfechterey ist, die er nicht für Ernst nehmen kann, weil er seine wahrhaffte Stärke darein setzt, daſs das Gute an und für sich selbst sey, d. h. sich selbst voll- bringe, — eine Spiegelfechterey, die er auch nicht zum Ernste werden lassen darf. Denn dasjenige, was er gegen den Feind kehrt, und gegen sich gekehrt findet, und dessen Abnutzung und Beschädigung er sowohl an ihm selbst, als seinem Feinde daran wagt, soll nicht das Gute selbst seyn; denn für dessen Be- wahrung und Ausführung kämpft er; sondern was

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/431>, abgerufen am 22.11.2024.