bracht, und nur dadurch, dass sie vollbracht ist, ist es unmittelbares Selbstbewusstseyn der sittlichen Substanz.
Der Unterschied des Selbstbewusstseyns von dem Wesen ist also vollkommen durchsichtig. Dadurch sind die Unterschiede an dem Wesen selbst nicht zu- fällige Bestimmtheiten, sondern um der Einheit des Wesens und des Selbstbewusstseyns willen, von wel- chem allein die Ungleichheit kommen könnte, sind sie die Massen ihrer von ihrem Leben durchdrun- genen Gegliederung, sich selbst klare unentzweyte Geister, mackellose himmlische Gestalten, die in ihren Unterschieden die unentweihte Unschuld und Einmüthigkeit ihres Wesens erhalten. -- Das Selbst- bewusstseyn ist ebenso einfaches, klares Verhältniss zu ihnen. Sie sind, und weiter nichts, -- macht das Bewusstseyn seines Verhältnisses aus. So gelten sie der Antigone des Sophokles als der Götter ungeschrieb- nes und untrügliches Recht nicht etwa jetzt und gestern, sondern immerdar lebt es, und keiner weiss, von wannen es erschien. Sie sind. Wenn ich nach ihrer Entstehung frage, und sie auf den Punkt ihres Ursprungs einenge, so bin ich darüber hinausgegangen; denn ich bin nun- mehr das Allgemeine, sie aber das bedingte und be- schränkte. Wenn sie sich meiner Einsicht legitimi- ren sollen, so habe ich schon ihr unwankendes An- sichseyn bewegt, und betrachte sie als etwas, das vielleicht wahr, vielleicht auch nicht wahr für mich
bracht, und nur dadurch, daſs sie vollbracht ist, ist es unmittelbares Selbstbewuſstseyn der sittlichen Substanz.
Der Unterschied des Selbstbewuſstseyns von dem Wesen ist also vollkommen durchsichtig. Dadurch sind die Unterschiede an dem Wesen selbst nicht zu- fällige Bestimmtheiten, sondern um der Einheit des Wesens und des Selbstbewuſstseyns willen, von wel- chem allein die Ungleichheit kommen könnte, sind sie die Massen ihrer von ihrem Leben durchdrun- genen Gegliederung, sich selbst klare unentzweyte Geister, mackellose himmlische Gestalten, die in ihren Unterschieden die unentweihte Unschuld und Einmüthigkeit ihres Wesens erhalten. — Das Selbst- bewuſstseyn ist ebenso einfaches, klares Verhältniſs zu ihnen. Sie sind, und weiter nichts, — macht das Bewuſstseyn seines Verhältnisses aus. So gelten sie der Antigone des Sophokles als der Götter ungeschrieb- nes und untrügliches Recht nicht etwa jetzt und gestern, sondern immerdar lebt es, und keiner weiſs, von wannen es erschien. Sie sind. Wenn ich nach ihrer Entstehung frage, und sie auf den Punkt ihres Ursprungs einenge, so bin ich darüber hinausgegangen; denn ich bin nun- mehr das Allgemeine, sie aber das bedingte und be- schränkte. Wenn sie sich meiner Einsicht legitimi- ren sollen, so habe ich schon ihr unwankendes An- sichseyn bewegt, und betrachte sie als etwas, das vielleicht wahr, vielleicht auch nicht wahr für mich
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bracht, und nur dadurch, daſs sie vollbracht ist,
ist es unmittelbares Selbstbewuſstseyn der sittlichen
Substanz.
Der Unterschied des Selbstbewuſstseyns von dem
Wesen ist also vollkommen durchsichtig. Dadurch
sind die Unterschiede an dem Wesen selbst nicht zu-
fällige Bestimmtheiten, sondern um der Einheit des
Wesens und des Selbstbewuſstseyns willen, von wel-
chem allein die Ungleichheit kommen könnte, sind
sie die Massen ihrer von ihrem Leben durchdrun-
genen Gegliederung, sich selbst klare unentzweyte
Geister, mackellose himmlische Gestalten, die in
ihren Unterschieden die unentweihte Unschuld und
Einmüthigkeit ihres Wesens erhalten. — Das Selbst-
bewuſstseyn ist ebenso einfaches, klares Verhältniſs
zu ihnen. Sie sind, und weiter nichts, — macht das
Bewuſstseyn seines Verhältnisses aus. So gelten sie
der Antigone des Sophokles als der Götter ungeschrieb-
nes und untrügliches Recht
nicht etwa jetzt und gestern, sondern immerdar
lebt es, und keiner weiſs, von wannen es erschien.
Sie sind. Wenn ich nach ihrer Entstehung frage,
und sie auf den Punkt ihres Ursprungs einenge, so
bin ich darüber hinausgegangen; denn ich bin nun-
mehr das Allgemeine, sie aber das bedingte und be-
schränkte. Wenn sie sich meiner Einsicht legitimi-
ren sollen, so habe ich schon ihr unwankendes An-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/482>, abgerufen am 22.11.2024.
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