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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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in die vollendete Eine Gestaltung zusammengefasst,
und aus der Unruhe des zufälligen Lebens sich in die
Ruhe der einfachen Allgemeinheit erhoben hat. --
Weil er nur als Bürger wirklich und substantiell ist, so
ist der Einzelne, wie er nicht Bürger ist, und der
Familie angehört, nur der Unwirkliche marklose
Schatten.

Diese Allgemeinheit, zu der der Einzelne als
solcher gelangt, ist das reine Seyn, der Tod; es ist das
unmittelbare natürliche Gewordenseyn, nicht das Thun
eines Bewusstseyns. Die Pflicht des Familiengliedes
ist desswegen, diese Seite hinzuzufügen, damit auch
sein letztes Seyn, diss allgemeine Seyn, nicht allein
der Natur angehöre und etwas unvernünftiges bleibe,
sondern dass es ein gethanes, und das Recht des Be-
wusstseyns in ihm behauptet sey. Oder der Sinn der
Handlung ist vielmehr, dass, weil in Wahrheit die
Ruhe und Allgemeinheit des seiner selbstbewussten
Wesens nicht der Natur angehört, der Schein eines
solchen Thuns hinwegfalle, den sich die Natur an-
gemasst, und die Wahrheit hergestellt werde. --
Was die Natur an ihm that, ist die Seite, von wel-
cher sein Werden zum Allgemeinen sich als die Be-
wegung eines Seyenden darstellt. Sie fällt zwar
selbst innerhalb des sittlichen Gemeinwesens und hat
dieses zum Zwecke; der Tod ist die Vollendung
und höchste Arbeit, welche das Individuum als sol-
ches für es übernimmt. Aber insofern es wesentlich
einzelnes ist, ist es zufällig, dass sein Tod unmittel-

in die vollendete Eine Gestaltung zusammengefaſst,
und aus der Unruhe des zufälligen Lebens sich in die
Ruhe der einfachen Allgemeinheit erhoben hat. —
Weil er nur als Bürger wirklich und substantiell ist, so
ist der Einzelne, wie er nicht Bürger ist, und der
Familie angehört, nur der Unwirkliche marklose
Schatten.

Diese Allgemeinheit, zu der der Einzelne als
solcher gelangt, ist das reine Seyn, der Tod; es ist das
unmittelbare natürliche Gewordenseyn, nicht das Thun
eines Bewuſstseyns. Die Pflicht des Familiengliedes
ist deſswegen, diese Seite hinzuzufügen, damit auch
sein letztes Seyn, diſs allgemeine Seyn, nicht allein
der Natur angehöre und etwas unvernünftiges bleibe,
sondern daſs es ein gethanes, und das Recht des Be-
wuſstseyns in ihm behauptet sey. Oder der Sinn der
Handlung ist vielmehr, daſs, weil in Wahrheit die
Ruhe und Allgemeinheit des seiner selbstbewuſsten
Wesens nicht der Natur angehört, der Schein eines
solchen Thuns hinwegfalle, den sich die Natur an-
gemaſst, und die Wahrheit hergestellt werde. —
Was die Natur an ihm that, ist die Seite, von wel-
cher sein Werden zum Allgemeinen sich als die Be-
wegung eines Seyenden darstellt. Sie fällt zwar
selbst innerhalb des sittlichen Gemeinwesens und hat
dieses zum Zwecke; der Tod ist die Vollendung
und höchste Arbeit, welche das Individuum als sol-
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[389/0498] in die vollendete Eine Gestaltung zusammengefaſst, und aus der Unruhe des zufälligen Lebens sich in die Ruhe der einfachen Allgemeinheit erhoben hat. — Weil er nur als Bürger wirklich und substantiell ist, so ist der Einzelne, wie er nicht Bürger ist, und der Familie angehört, nur der Unwirkliche marklose Schatten. Diese Allgemeinheit, zu der der Einzelne als solcher gelangt, ist das reine Seyn, der Tod; es ist das unmittelbare natürliche Gewordenseyn, nicht das Thun eines Bewuſstseyns. Die Pflicht des Familiengliedes ist deſswegen, diese Seite hinzuzufügen, damit auch sein letztes Seyn, diſs allgemeine Seyn, nicht allein der Natur angehöre und etwas unvernünftiges bleibe, sondern daſs es ein gethanes, und das Recht des Be- wuſstseyns in ihm behauptet sey. Oder der Sinn der Handlung ist vielmehr, daſs, weil in Wahrheit die Ruhe und Allgemeinheit des seiner selbstbewuſsten Wesens nicht der Natur angehört, der Schein eines solchen Thuns hinwegfalle, den sich die Natur an- gemaſst, und die Wahrheit hergestellt werde. — Was die Natur an ihm that, ist die Seite, von wel- cher sein Werden zum Allgemeinen sich als die Be- wegung eines Seyenden darstellt. Sie fällt zwar selbst innerhalb des sittlichen Gemeinwesens und hat dieses zum Zwecke; der Tod ist die Vollendung und höchste Arbeit, welche das Individuum als sol- ches für es übernimmt. Aber insofern es wesentlich einzelnes ist, ist es zufällig, daſs sein Tod unmittel-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/498>, abgerufen am 22.11.2024.