Die Welt dieses Geistes zerfällt in die gedoppelte; die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner Entfremdung selbst; die andre aber die, welche er, über die erste sich erhebend, im Aether des reinen Bewusstseyns sich erbaut. Diese, jener Entfrem- dung entgegengesetzt, ist eben darum nicht frey da- von, sondern vielmehr nur die andre Form der Entfremdung, welche eben darin besteht, in zweyer- ley Welten das Bewusstseyn zu haben, und beyde umfasst. Es ist also nicht das Selbstbewusstseyn des absoluten Wesens, wie es an und für sich ist, nicht die Religion, welche hier betrachtet wird, sondern der Glauben, insofern er die Flucht aus der wirklichen Welt und also nicht an und für sich ist. Diese Flucht aus dem Reiche der Gegenwart ist da- her an ihr selbst unmittelbar die gedoppelte. Das reine Bewusstseyn ist das Element, in welches der Geist sich erhebt; aber es ist nicht nur das Element des Glaubens, sondern ebenso des Begriffs; beyde treten daher zugleich miteinander ein, und jener kömmt nur in Betracht im Gegensatze gegen diesen.
I. Die Welt des sich entfremdeten Geistes.
Die Welt dieses Geistes zerfällt in die gedoppelte; die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner Entfremdung selbst; die andre aber die, welche er, über die erste sich erhebend, im Aether des reinen Bewuſstseyns sich erbaut. Diese, jener Entfrem- dung entgegengesetzt, ist eben darum nicht frey da- von, sondern vielmehr nur die andre Form der Entfremdung, welche eben darin besteht, in zweyer- ley Welten das Bewuſstseyn zu haben, und beyde umfaſst. Es ist also nicht das Selbstbewuſstseyn des absoluten Wesens, wie es an und für sich ist, nicht die Religion, welche hier betrachtet wird, sondern der Glauben, insofern er die Flucht aus der wirklichen Welt und also nicht an und für sich ist. Diese Flucht aus dem Reiche der Gegenwart ist da- her an ihr selbst unmittelbar die gedoppelte. Das reine Bewuſstseyn ist das Element, in welches der Geist sich erhebt; aber es ist nicht nur das Element des Glaubens, sondern ebenso des Begriffs; beyde treten daher zugleich miteinander ein, und jener kömmt nur in Betracht im Gegensatze gegen diesen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0543"n="434"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="4"><head>I.<lb/>
Die Welt des sich entfremdeten Geistes.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>ie Welt dieses Geistes zerfällt in die gedoppelte;<lb/>
die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner<lb/>
Entfremdung selbst; die andre aber die, welche er,<lb/>
über die erste sich erhebend, im Aether des reinen<lb/>
Bewuſstseyns sich erbaut. Diese, jener Entfrem-<lb/>
dung <hirendition="#i">entgegengesetzt</hi>, ist eben darum nicht frey da-<lb/>
von, sondern vielmehr nur die andre Form der<lb/>
Entfremdung, welche eben darin besteht, in zweyer-<lb/>
ley Welten das Bewuſstseyn zu haben, und beyde<lb/>
umfaſst. Es ist also nicht das Selbstbewuſstseyn<lb/>
des absoluten Wesens, wie es <hirendition="#i">an</hi> und <hirendition="#i">für sich</hi> ist,<lb/>
nicht die Religion, welche hier betrachtet wird,<lb/>
sondern der <hirendition="#i">Glauben</hi>, insofern er die <hirendition="#i">Flucht</hi> aus der<lb/>
wirklichen Welt und also nicht <hirendition="#i">an</hi> und <hirendition="#i">für sich</hi> ist.<lb/>
Diese Flucht aus dem Reiche der Gegenwart ist da-<lb/>
her an ihr selbst unmittelbar die gedoppelte. Das<lb/>
reine Bewuſstseyn ist das Element, in welches der<lb/>
Geist sich erhebt; aber es ist nicht nur das Element<lb/>
des <hirendition="#i">Glaubens</hi>, sondern ebenso des <hirendition="#i">Begriffs</hi>; beyde<lb/>
treten daher zugleich miteinander ein, und jener<lb/>
kömmt nur in Betracht im Gegensatze gegen diesen.</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[434/0543]
I.
Die Welt des sich entfremdeten Geistes.
Die Welt dieses Geistes zerfällt in die gedoppelte;
die erste ist die Welt der Wirklichkeit oder seiner
Entfremdung selbst; die andre aber die, welche er,
über die erste sich erhebend, im Aether des reinen
Bewuſstseyns sich erbaut. Diese, jener Entfrem-
dung entgegengesetzt, ist eben darum nicht frey da-
von, sondern vielmehr nur die andre Form der
Entfremdung, welche eben darin besteht, in zweyer-
ley Welten das Bewuſstseyn zu haben, und beyde
umfaſst. Es ist also nicht das Selbstbewuſstseyn
des absoluten Wesens, wie es an und für sich ist,
nicht die Religion, welche hier betrachtet wird,
sondern der Glauben, insofern er die Flucht aus der
wirklichen Welt und also nicht an und für sich ist.
Diese Flucht aus dem Reiche der Gegenwart ist da-
her an ihr selbst unmittelbar die gedoppelte. Das
reine Bewuſstseyn ist das Element, in welches der
Geist sich erhebt; aber es ist nicht nur das Element
des Glaubens, sondern ebenso des Begriffs; beyde
treten daher zugleich miteinander ein, und jener
kömmt nur in Betracht im Gegensatze gegen diesen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/543>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.