geniesst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorstel- len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank- baren der Individualität, denn dieser hat er nicht zu ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel- te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath, den er zum allgemeinen Besten ertheilt.
Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen den Rath, und nicht entscheidend zwischen den ver- schiedenen Meynungen über das allgemeine Beste. Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. -- Das Fürsich- seyn, der Willen, der als Willen noch nicht aufge- opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände, der seinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen- über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diss Geschwätze vom allgemeinen Besten zu einem Sur- rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die Aufopferung des Daseyns, die im Dienste geschieht, ist zwar vollständig, wenn sie bis zum Tode fortge- gangen ist; aber die bestandne Gefahr des Todes selbst, der überlebt wird, lässt ein bestimmtes Da- seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel- ches den Rath fürs allgemeine Besste zweydeutig und verdächtig macht, und sich in der That die eigne Meynung und den besondern Willen gegen die
F f 2
genieſst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorſtel- len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank- baren der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel- te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath, den er zum allgemeinen Beſten ertheilt.
Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver- ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte. Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das Fürsich- seyn, der Willen, der als Willen noch nicht aufge- opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände, der ſeinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen- über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diſs Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur- rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht, ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge- gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da- seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel- ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und verdächtig macht, und sich in der That die eigne Meynung und den besondern Willen gegen die
F f 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0560"n="451"/>
genieſst der <hirendition="#i">Ehre</hi>. Es ist der <hirendition="#i">stolze</hi> Vasall, der für<lb/>
die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner<lb/>
Willen, sondern <hirendition="#i">wesentlicher</hi> ist, und der sich nur<lb/>
in dieser <hirendition="#i">Ehre</hi> gilt, nur in dem <hirendition="#i">wesentlichen</hi> Vorſtel-<lb/>
len der allgemeinen Meynung, nicht in dem <hirendition="#i">dank-<lb/>
baren</hi> der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu<lb/>
ihrem <hirendition="#i">Fürstchseyn</hi> verholffen. Seine <hirendition="#i">Sprache</hi>, wenn<lb/>
es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel-<lb/>
te, der noch nicht geworden ist, wäre der <hirendition="#i">Rath</hi>,<lb/>
den er zum allgemeinen Beſten ertheilt.</p><lb/><p>Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen<lb/>
den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver-<lb/>ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte.<lb/>
Sie ist noch nicht <hirendition="#i">Regierung</hi>, und somit noch nicht<lb/>
in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das <hirendition="#i">Fürsich-<lb/>
seyn</hi>, der <hirendition="#i">Willen</hi>, der als Willen noch nicht aufge-<lb/>
opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände,<lb/>
der ſeinem Sprechen vom <hirendition="#i">allgemeinen</hi> Besten gegen-<lb/>
über sich sein <hirendition="#i">besondres</hi> Bestes vorbehält, und diſs<lb/>
Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur-<lb/>
rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die<lb/>
Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht,<lb/>
ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge-<lb/>
gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes<lb/>
selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da-<lb/>
seyn, und damit ein <hirendition="#i">besonderes Fürsich</hi> übrig, wel-<lb/>
ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und<lb/>
verdächtig macht, und sich in der That die eigne<lb/>
Meynung und den besondern Willen gegen die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F f 2</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[451/0560]
genieſst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für
die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner
Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur
in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorſtel-
len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank-
baren der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu
ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn
es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel-
te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath,
den er zum allgemeinen Beſten ertheilt.
Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen
den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver-
ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte.
Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht
in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das Fürsich-
seyn, der Willen, der als Willen noch nicht aufge-
opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände,
der ſeinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen-
über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diſs
Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur-
rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die
Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht,
ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge-
gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes
selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da-
seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel-
ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und
verdächtig macht, und sich in der That die eigne
Meynung und den besondern Willen gegen die
F f 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/560>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.