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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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geniesst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für
die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner
Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur
in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorstel-
len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank-
baren
der Individualität, denn dieser hat er nicht zu
ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn
es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel-
te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath,
den er zum allgemeinen Besten ertheilt.

Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen
den Rath, und nicht entscheidend zwischen den ver-
schiedenen Meynungen über das allgemeine Beste.
Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht
in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. -- Das Fürsich-
seyn
, der Willen, der als Willen noch nicht aufge-
opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände,
der seinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen-
über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diss
Geschwätze vom allgemeinen Besten zu einem Sur-
rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die
Aufopferung des Daseyns, die im Dienste geschieht,
ist zwar vollständig, wenn sie bis zum Tode fortge-
gangen ist; aber die bestandne Gefahr des Todes
selbst, der überlebt wird, lässt ein bestimmtes Da-
seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel-
ches den Rath fürs allgemeine Besste zweydeutig und
verdächtig macht, und sich in der That die eigne
Meynung und den besondern Willen gegen die

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genieſst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für
die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner
Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur
in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorſtel-
len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank-
baren
der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu
ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn
es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel-
te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath,
den er zum allgemeinen Beſten ertheilt.

Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen
den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver-
ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte.
Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht
in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das Fürsich-
seyn
, der Willen, der als Willen noch nicht aufge-
opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände,
der ſeinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen-
über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diſs
Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur-
rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die
Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht,
ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge-
gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes
selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da-
seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel-
ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und
verdächtig macht, und sich in der That die eigne
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[451/0560] genieſst der Ehre. Es ist der stolze Vasall, der für die Staatsmacht thätig ist, insofern sie nicht eigner Willen, sondern wesentlicher ist, und der sich nur in dieser Ehre gilt, nur in dem wesentlichen Vorſtel- len der allgemeinen Meynung, nicht in dem dank- baren der Individualität, denn dieſer hat er nicht zu ihrem Fürstchseyn verholffen. Seine Sprache, wenn es sich zum eignen Willen der Staatsmacht verhiel- te, der noch nicht geworden ist, wäre der Rath, den er zum allgemeinen Beſten ertheilt. Die Staatsmacht ist daher noch willenlos gegen den Rath, und nicht entſcheidend zwiſchen den ver- ſchiedenen Meynungen über das allgemeine Beſte. Sie ist noch nicht Regierung, und somit noch nicht in Wahrheit wirkliche Staatsmacht. — Das Fürsich- seyn, der Willen, der als Willen noch nicht aufge- opfert ist, ist der innre abgeschiedne Geist der Stände, der ſeinem Sprechen vom allgemeinen Besten gegen- über sich sein besondres Bestes vorbehält, und diſs Geſchwätze vom allgemeinen Beſten zu einem Sur- rogate für das Handeln zu machen geneigt ist. Die Aufopferung des Daseyns, die im Dienſte geschieht, ist zwar vollſtändig, wenn sie bis zum Tode fortge- gangen ist; aber die beſtandne Gefahr des Todes selbſt, der überlebt wird, läſst ein beſtimmtes Da- seyn, und damit ein besonderes Fürsich übrig, wel- ches den Rath fürs allgemeine Beſste zweydeutig und verdächtig macht, und sich in der That die eigne Meynung und den besondern Willen gegen die F f 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/560>, abgerufen am 22.11.2024.