gleichgültig, und das Daseyn ist daher andererseits ein vom Selbstbewusstseyn völlig freygelassenes, sich ebenso nur auf sich beziehendes Daseyn; je freyer das Selbstbewusstseyn wird, desto freyer auch der negative Gegenstand seines Bewusstseyns. Er ist hie- durch eine zur eignen Individualität in sich vollen- dete Welt, ein selbstständiges Ganzes eigenthümli- cher Gesetze, so wie ein selbstständiger Gang und freye Verwirklichung derselben, -- eine Natur über- haupt, deren Gesetze wie ihr Thun ihr selbst ange- hören, als einem Wesen, das unbekümmert um das moralische Selbstbewusstseyn ist, wie dieses um sie.
Von dieser Bestimmung an bildet sich eine mo- ralische Weltanschauung aus, die in der Beziehung des moralischen An - und Fürsichseyns und des natür- lichen An - und Fürsichseyns besteht. Dieser Be- ziehung liegt zum Grunde sowohl die völlige Gleichgültigkeit und eigne Selbstständigkeit der Natur, und der moralischen Zwecke und Thätigkeit gegen- einander, als auf der andern Seite das Bewusstseyn der alleineinigen Wesenheit der Pflicht und der völ- ligen Unselbstständigkeit und Unwesenheit der Na- tur. Die moralische Weltanschauung enthält die Entwicklung der Momente, die in dieser Beziehung so ganz widerstreitender Voraussetzungen enthalten sind.
Zuerst also ist das moralische Bewusstseyn über- haupt vorausgesetzt; die Pflicht gilt ihm als das We- sen, ihm, das wirklich und thatig ist, und in seiner Wirklichkeit und That die Pflicht erfüllt. Für diss
gleichgültig, und das Daseyn ist daher andererseits ein vom Selbstbewuſstseyn völlig freygelaſſenes, sich ebenso nur auf sich beziehendes Daſeyn; je freyer das Selbſtbewuſstseyn wird, deſto freyer auch der negative Gegenſtand ſeines Bewuſstseyns. Er ist hie- durch eine zur eignen Individualität in sich vollen- dete Welt, ein selbſtständiges Ganzes eigenthümli- cher Gesetze, so wie ein selbſtständiger Gang und freye Verwirklichung derselben, — eine Natur über- haupt, deren Geſetze wie ihr Thun ihr ſelbſt ange- hören, als einem Weſen, das unbekümmert um das moralische Selbstbewuſstseyn ist, wie dieſes um sie.
Von dieſer Beſtimmung an bildet sich eine mo- ralische Weltanschauung aus, die in der Beziehung des moralischen An ‒ und Fürsichſeyns und des natür- lichen An ‒ und Fürsichſeyns beſteht. Dieſer Be- ziehung liegt zum Grunde ſowohl die völlige Gleichgültigkeit und eigne Selbſtständigkeit der Natur, und der moralischen Zwecke und Thätigkeit gegen- einander, als auf der andern Seite das Bewuſstseyn der alleineinigen Weſenheit der Pflicht und der völ- ligen Unselbſtständigkeit und Unweſenheit der Na- tur. Die moralische Weltanschauung enthält die Entwicklung der Momente, die in dieſer Beziehung so ganz widerſtreitender Vorausſetzungen enthalten sind.
Zuerſt also ist das moralische Bewuſstseyn über- haupt vorausgeſetzt; die Pflicht gilt ihm als das We- ſen, ihm, das wirklich und thatig ist, und in ſeiner Wirklichkeit und That die Pflicht erfüllt. Für diſs
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gleichgültig, und das Daseyn ist daher andererseits
ein vom Selbstbewuſstseyn völlig freygelaſſenes, sich
ebenso nur auf sich beziehendes Daſeyn; je freyer
das Selbſtbewuſstseyn wird, deſto freyer auch der
negative Gegenſtand ſeines Bewuſstseyns. Er ist hie-
durch eine zur eignen Individualität in sich vollen-
dete Welt, ein selbſtständiges Ganzes eigenthümli-
cher Gesetze, so wie ein selbſtständiger Gang und
freye Verwirklichung derselben, — eine Natur über-
haupt, deren Geſetze wie ihr Thun ihr ſelbſt ange-
hören, als einem Weſen, das unbekümmert um das
moralische Selbstbewuſstseyn ist, wie dieſes um sie.
Von dieſer Beſtimmung an bildet sich eine mo-
ralische Weltanschauung aus, die in der Beziehung des
moralischen An ‒ und Fürsichſeyns und des natür-
lichen An ‒ und Fürsichſeyns beſteht. Dieſer Be-
ziehung liegt zum Grunde ſowohl die völlige
Gleichgültigkeit und eigne Selbſtständigkeit der Natur,
und der moralischen Zwecke und Thätigkeit gegen-
einander, als auf der andern Seite das Bewuſstseyn
der alleineinigen Weſenheit der Pflicht und der völ-
ligen Unselbſtständigkeit und Unweſenheit der Na-
tur. Die moralische Weltanschauung enthält die
Entwicklung der Momente, die in dieſer Beziehung so
ganz widerſtreitender Vorausſetzungen enthalten sind.
Zuerſt also ist das moralische Bewuſstseyn über-
haupt vorausgeſetzt; die Pflicht gilt ihm als das We-
ſen, ihm, das wirklich und thatig ist, und in ſeiner
Wirklichkeit und That die Pflicht erfüllt. Für diſs
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/660>, abgerufen am 22.11.2024.
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