tend, ist daher nicht das Lichtwesen, das selbstlos nicht die Gewissheit der Einzelnen in sich enthält; sondern vielmehr nur ihr allgemeines Wesen und die herrische Macht ist, worin sie verschwinde... Der Cultus der Religion dieses einfachen gestaltlosen We- sens gibt seinen Angehörigen daher nur diss im Allge- meinen zurück, dass sie das Volk ihres Gottes sind; er erwirbt ihnen nur ihr Bestehen und einfache Sub- stanz überhaupt, nicht aber ihr wirkliches Selbst, das vielmehr verworfen ist. Denn sie verehren ihren Gott als die leere Tiefe, nicht als Geist. Der Cultus aber der Kunstreligion entbehrt andererseits jener abstracten Einfachheit des Wesens, und daher der Tiefe dessel- ben. Das Wesen aber, das mit dem Selbst unmittelbar geeinigt ist, ist an sich der Geist und die wissende Wahr- heit, ob zwar noch nicht die gewusste, oder die sich selbst in ihrer Tiefe wissende. Weil das Wesen also hier das Selbst an ihm hat, so ist seine Erschei- nung dem Bewusstseyn freundlich, und im Cultus er- hält dieses nicht nur die allgemeine Berechtigung sei- nes Bestehens, sondern auch sein in ihm selbstbewuss- tes Daseyn; so wie umgekehrt das Wesen nicht in ei- nem verworfnen Volke, dessen Substanz nur anerkannt wird, selbstlose Wirklichkeit hat, sondern in dem Vol- ke, dessen Selbst in seiner Substanz anerkannt ist.
Aus dem Cultus tritt also das in seinem Wesen befriedigte Selbstbewusstseyn und der Gott eingekehrt in es als in seine Stätte. Diese Stätte ist für sich die Nacht der Substanz oder ihre reine Individualität,
tend, iſt daher nicht das Lichtweſen, das ſelbſtlos nicht die Gewiſsheit der Einzelnen in ſich enthält; ſondern vielmehr nur ihr allgemeines Weſen und die herriſche Macht iſt, worin ſie verſchwinde… Der Cultus der Religion dieſes einfachen geſtaltloſen We- ſens gibt ſeinen Angehörigen daher nur diſs im Allge- meinen zurück, daſs ſie das Volk ihres Gottes ſind; er erwirbt ihnen nur ihr Beſtehen und einfache Sub- ſtanz überhaupt, nicht aber ihr wirkliches Selbſt, das vielmehr verworfen iſt. Denn ſie verehren ihren Gott als die leere Tiefe, nicht als Geiſt. Der Cultus aber der Kunſtreligion entbehrt andererſeits jener abſtracten Einfachheit des Weſens, und daher der Tiefe deſſel- ben. Das Weſen aber, das mit dem Selbſt unmittelbar geeinigt iſt, iſt an ſich der Geiſt und die wiſſende Wahr- heit, ob zwar noch nicht die gewuſste, oder die ſich ſelbſt in ihrer Tiefe wiſſende. Weil das Weſen alſo hier das Selbſt an ihm hat, ſo iſt ſeine Erſchei- nung dem Bewuſstseyn freundlich, und im Cultus er- hält dieſes nicht nur die allgemeine Berechtigung ſei- nes Beſtehens, ſondern auch ſein in ihm ſelbſtbewuſs- tes Daſeyn; ſo wie umgekehrt das Weſen nicht in ei- nem verworfnen Volke, deſſen Subſtanz nur anerkannt wird, ſelbſtloſe Wirklichkeit hat, ſondern in dem Vol- ke, deſſen Selbſt in ſeiner Subſtanz anerkannt iſt.
Aus dem Cultus tritt alſo das in ſeinem Weſen befriedigte Selbſtbewuſstſeyn und der Gott eingekehrt in es als in ſeine Stätte. Dieſe Stätte iſt für ſich die Nacht der Subſtanz oder ihre reine Individualität,
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tend, iſt daher nicht das Lichtweſen, das ſelbſtlos
nicht die Gewiſsheit der Einzelnen in ſich enthält;
ſondern vielmehr nur ihr allgemeines Weſen und die
herriſche Macht iſt, worin ſie verſchwinde… Der
Cultus der Religion dieſes einfachen geſtaltloſen We-
ſens gibt ſeinen Angehörigen daher nur diſs im Allge-
meinen zurück, daſs ſie das Volk ihres Gottes ſind;
er erwirbt ihnen nur ihr Beſtehen und einfache Sub-
ſtanz überhaupt, nicht aber ihr wirkliches Selbſt, das
vielmehr verworfen iſt. Denn ſie verehren ihren Gott
als die leere Tiefe, nicht als Geiſt. Der Cultus aber
der Kunſtreligion entbehrt andererſeits jener abſtracten
Einfachheit des Weſens, und daher der Tiefe deſſel-
ben. Das Weſen aber, das mit dem Selbſt unmittelbar
geeinigt iſt, iſt an ſich der Geiſt und die wiſſende Wahr-
heit, ob zwar noch nicht die gewuſste, oder die ſich
ſelbſt in ihrer Tiefe wiſſende. Weil das Weſen alſo
hier das Selbſt an ihm hat, ſo iſt ſeine Erſchei-
nung dem Bewuſstseyn freundlich, und im Cultus er-
hält dieſes nicht nur die allgemeine Berechtigung ſei-
nes Beſtehens, ſondern auch ſein in ihm ſelbſtbewuſs-
tes Daſeyn; ſo wie umgekehrt das Weſen nicht in ei-
nem verworfnen Volke, deſſen Subſtanz nur anerkannt
wird, ſelbſtloſe Wirklichkeit hat, ſondern in dem Vol-
ke, deſſen Selbſt in ſeiner Subſtanz anerkannt iſt.
Aus dem Cultus tritt alſo das in ſeinem Weſen
befriedigte Selbſtbewuſstſeyn und der Gott eingekehrt
in es als in ſeine Stätte. Dieſe Stätte iſt für ſich die
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/779>, abgerufen am 22.11.2024.
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