Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heidegger, Gotthard: Mythoscopia Romantica oder Discours Von den so benanten Romans. Zürich, 1698.

Bild:
<< vorherige Seite

oder Liebesgeschichten. etc.
des nächsten dadurch verwundet wer-
den/ der selten so standhafft ist/ dise
Ding ohne Erschütteruug und Erre-
gung seiner Affecten zusehen/ vor di-
sen bürdet man sich schwehre Verant-
wortung auf/ füllet sein eigen Ge-
müth mit vilfältigem Wust/ stihlet den
Uebungen der Andacht ihre Zeit und
Grace, erreget Verachtung bey den
Verständigen/ und die Straffen Got-
tes/ förderet sich zur Armuth/ marte-
ret sein Gewissen/ leget Dörner in sein
Todbeth/ und macht sich (wie gesagt)
grosse Mißlichkeiten vor dem Rich-
terstul Gottes; Dises ist der Auß-
schlag aller Vanitaeten.

CLXII. Wir Christen sollen
einem Heiden eine glückliche Stund
billig mißgönnen: Diser/ Polemon
von Namme/ war ein guter Epicu-
reis
cher Cammarade, und Sclave
der Eitelkeiten/ wozu sein Beruff An-
las gegeben/ nemlich der Soldaten-
stand. Aber auf ein Zeit komt er in Xe-
nocratis Collegium
hinein/ höret
ihm zu/ und dises ohn einige andre Be-
gird als sein Gaugelspiel zutreiben.
Was geschihet? Keine Stund ver-
laufft/ so ist der Mensch/ wider sein ei-

genes
O

oder Liebesgeſchichten. ꝛc.
des naͤchſten dadurch verwundet wer-
den/ der ſelten ſo ſtandhafft iſt/ diſe
Ding ohne Erſchuͤtteruug und Erꝛe-
gung ſeiner Affecten zuſehen/ vor di-
ſen buͤrdet man ſich ſchwehre Verant-
wortung auf/ fuͤllet ſein eigen Ge-
muͤth mit vilfaͤltigem Wuſt/ ſtihlet den
Uebungen der Andacht ihre Zeit und
Grace, erꝛeget Verachtung bey den
Verſtaͤndigen/ und die Straffen Got-
tes/ foͤrderet ſich zur Armuth/ marte-
ret ſein Gewiſſen/ leget Doͤrner in ſein
Todbeth/ und macht ſich (wie geſagt)
groſſe Mißlichkeiten vor dem Rich-
terſtul Gottes; Diſes iſt der Auß-
ſchlag aller Vanitæten.

CLXII. Wir Chriſten ſollen
einem Heiden eine gluͤckliche Stund
billig mißgoͤnnen: Diſer/ Polemon
von Namme/ war ein guter Epicu-
reiſ
cher Cammarade, und Sclave
der Eitelkeiten/ wozu ſein Beruff An-
las gegeben/ nemlich der Soldaten-
ſtand. Aber auf ein Zeit komt er in Xe-
nocratis Collegium
hinein/ hoͤret
ihm zu/ und diſes ohn einige andre Be-
gird als ſein Gaugelſpiel zutreiben.
Was geſchihet? Keine Stund ver-
laufft/ ſo iſt der Menſch/ wider ſein ei-

genes
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0257" n="209"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">oder Liebesge&#x017F;chichten. &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
des na&#x0364;ch&#x017F;ten dadurch verwundet wer-<lb/>
den/ der &#x017F;elten &#x017F;o &#x017F;tandhafft i&#x017F;t/ di&#x017F;e<lb/>
Ding ohne Er&#x017F;chu&#x0364;tteruug und Er&#xA75B;e-<lb/>
gung &#x017F;einer <hi rendition="#aq">Affect</hi>en zu&#x017F;ehen/ vor di-<lb/>
&#x017F;en bu&#x0364;rdet man &#x017F;ich &#x017F;chwehre Verant-<lb/>
wortung auf/ fu&#x0364;llet &#x017F;ein eigen Ge-<lb/>
mu&#x0364;th mit vilfa&#x0364;ltigem Wu&#x017F;t/ &#x017F;tihlet den<lb/>
Uebungen der Andacht ihre Zeit und<lb/><hi rendition="#aq">Grace,</hi> er&#xA75B;eget Verachtung bey den<lb/>
Ver&#x017F;ta&#x0364;ndigen/ und die Straffen Got-<lb/>
tes/ fo&#x0364;rderet &#x017F;ich zur Armuth/ marte-<lb/>
ret &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en/ leget Do&#x0364;rner in &#x017F;ein<lb/>
Todbeth/ und macht &#x017F;ich (wie ge&#x017F;agt)<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;e Mißlichkeiten vor dem Rich-<lb/>
ter&#x017F;tul Gottes; Di&#x017F;es i&#x017F;t der Auß-<lb/>
&#x017F;chlag aller <hi rendition="#aq">Vanitæt</hi>en.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">CLXII.</hi></hi> Wir Chri&#x017F;ten &#x017F;ollen<lb/>
einem Heiden eine glu&#x0364;ckliche Stund<lb/>
billig mißgo&#x0364;nnen: Di&#x017F;er/ <hi rendition="#aq">Polemon</hi><lb/>
von Namme/ war ein guter <hi rendition="#aq">Epicu-<lb/>
rei&#x017F;</hi>cher <hi rendition="#aq">Cammarade,</hi> und Sclave<lb/>
der Eitelkeiten/ wozu &#x017F;ein Beruff An-<lb/>
las gegeben/ nemlich der Soldaten-<lb/>
&#x017F;tand. Aber auf ein Zeit komt er in <hi rendition="#aq">Xe-<lb/>
nocratis Collegium</hi> hinein/ ho&#x0364;ret<lb/>
ihm zu/ und di&#x017F;es ohn einige andre Be-<lb/>
gird als &#x017F;ein Gaugel&#x017F;piel zutreiben.<lb/>
Was ge&#x017F;chihet? Keine Stund ver-<lb/>
laufft/ &#x017F;o i&#x017F;t der Men&#x017F;ch/ wider &#x017F;ein ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">O</hi></fw><fw place="bottom" type="catch">genes</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0257] oder Liebesgeſchichten. ꝛc. des naͤchſten dadurch verwundet wer- den/ der ſelten ſo ſtandhafft iſt/ diſe Ding ohne Erſchuͤtteruug und Erꝛe- gung ſeiner Affecten zuſehen/ vor di- ſen buͤrdet man ſich ſchwehre Verant- wortung auf/ fuͤllet ſein eigen Ge- muͤth mit vilfaͤltigem Wuſt/ ſtihlet den Uebungen der Andacht ihre Zeit und Grace, erꝛeget Verachtung bey den Verſtaͤndigen/ und die Straffen Got- tes/ foͤrderet ſich zur Armuth/ marte- ret ſein Gewiſſen/ leget Doͤrner in ſein Todbeth/ und macht ſich (wie geſagt) groſſe Mißlichkeiten vor dem Rich- terſtul Gottes; Diſes iſt der Auß- ſchlag aller Vanitæten. CLXII. Wir Chriſten ſollen einem Heiden eine gluͤckliche Stund billig mißgoͤnnen: Diſer/ Polemon von Namme/ war ein guter Epicu- reiſcher Cammarade, und Sclave der Eitelkeiten/ wozu ſein Beruff An- las gegeben/ nemlich der Soldaten- ſtand. Aber auf ein Zeit komt er in Xe- nocratis Collegium hinein/ hoͤret ihm zu/ und diſes ohn einige andre Be- gird als ſein Gaugelſpiel zutreiben. Was geſchihet? Keine Stund ver- laufft/ ſo iſt der Menſch/ wider ſein ei- genes O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heidegger_mythoscopia_1698
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heidegger_mythoscopia_1698/257
Zitationshilfe: Heidegger, Gotthard: Mythoscopia Romantica oder Discours Von den so benanten Romans. Zürich, 1698, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heidegger_mythoscopia_1698/257>, abgerufen am 22.12.2024.