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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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dere erzählen von der Liebe des Fräuleins Ilse
und des Ritters von Westenberg eine hübsche Ge¬
schichte, die einer unserer bekanntesten Dichter ro¬
mantisch in der "Abendzeitung" besungen hat.
Andere wieder erzählen anders: es soll der altsäch¬
sische Kayser Heinrich gewesen seyn, der mit Ilse,
der schönen Wasser-Fee, in ihrer verzauberten Fel¬
senburg die kayserlichsten Stunden genossen. Ein
neuerer Schriftsteller, Herr Niemann, Wohlgeb.,
der ein Harzreisebuch geschrieben, worin er die
Gebirgshöhen, Abweichungen der Magnetnadel,
Schulden der Städte und dergleichen mit löblichem
Fleiße und genauen Zahlen angegeben, behauptet
indeß: "Was man von der schönen Prinzessin
Ilse erzählt, gehört dem Fabelreiche an." So
sprechen alle diese Leute, denen eine solche Prinzes¬
sin niemals erschienen ist, wir aber, die wir von
schönen Damen besonders begünstigt werden, wissen
das besser. Auch Kayser Heinrich wußte es. Nicht
umsonst hingen die altsächsischen Kayser so sehr an
ihrem heimischen Harze. Man blättere nur in

dere erzaͤhlen von der Liebe des Fraͤuleins Ilſe
und des Ritters von Weſtenberg eine huͤbſche Ge¬
ſchichte, die einer unſerer bekannteſten Dichter ro¬
mantiſch in der “Abendzeitung” beſungen hat.
Andere wieder erzaͤhlen anders: es ſoll der altſaͤch¬
ſiſche Kayſer Heinrich geweſen ſeyn, der mit Ilſe,
der ſchoͤnen Waſſer-Fee, in ihrer verzauberten Fel¬
ſenburg die kayſerlichſten Stunden genoſſen. Ein
neuerer Schriftſteller, Herr Niemann, Wohlgeb.,
der ein Harzreiſebuch geſchrieben, worin er die
Gebirgshoͤhen, Abweichungen der Magnetnadel,
Schulden der Staͤdte und dergleichen mit loͤblichem
Fleiße und genauen Zahlen angegeben, behauptet
indeß: “Was man von der ſchoͤnen Prinzeſſin
Ilſe erzaͤhlt, gehoͤrt dem Fabelreiche an.” So
ſprechen alle dieſe Leute, denen eine ſolche Prinzeſ¬
ſin niemals erſchienen iſt, wir aber, die wir von
ſchoͤnen Damen beſonders beguͤnſtigt werden, wiſſen
das beſſer. Auch Kayſer Heinrich wußte es. Nicht
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[248/0260] dere erzaͤhlen von der Liebe des Fraͤuleins Ilſe und des Ritters von Weſtenberg eine huͤbſche Ge¬ ſchichte, die einer unſerer bekannteſten Dichter ro¬ mantiſch in der “Abendzeitung” beſungen hat. Andere wieder erzaͤhlen anders: es ſoll der altſaͤch¬ ſiſche Kayſer Heinrich geweſen ſeyn, der mit Ilſe, der ſchoͤnen Waſſer-Fee, in ihrer verzauberten Fel¬ ſenburg die kayſerlichſten Stunden genoſſen. Ein neuerer Schriftſteller, Herr Niemann, Wohlgeb., der ein Harzreiſebuch geſchrieben, worin er die Gebirgshoͤhen, Abweichungen der Magnetnadel, Schulden der Staͤdte und dergleichen mit loͤblichem Fleiße und genauen Zahlen angegeben, behauptet indeß: “Was man von der ſchoͤnen Prinzeſſin Ilſe erzaͤhlt, gehoͤrt dem Fabelreiche an.” So ſprechen alle dieſe Leute, denen eine ſolche Prinzeſ¬ ſin niemals erſchienen iſt, wir aber, die wir von ſchoͤnen Damen beſonders beguͤnſtigt werden, wiſſen das beſſer. Auch Kayſer Heinrich wußte es. Nicht umſonſt hingen die altſaͤchſiſchen Kayſer ſo ſehr an ihrem heimiſchen Harze. Man blaͤttere nur in

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/260>, abgerufen am 22.11.2024.