das jeder ehrliche Mann fühlt, den ein böses Geschick in eine zweydeutige Handlung verfloch¬ ten hat. Das Buch selbst ist aber ein unschätz¬ barer Gewinn für die Gefangenschaftsgeschichte Napoleons, die den letzten Act seines Lebens bildet, alle Räthsel der früheren Acte wunder¬ bar löst, und wie es eine ächte Tragödie thun soll, die Gemüther erschüttert, reinigt und versöhnt. Den Charakterunterschied der vier Hauptschriftsteller, die uns von dieser Gefan¬ genschaft berichten, besonders wie er sich in Styl und Anschauungsweise bekundet, zeigt sich erst recht durch ihre Zusammenstellung.
Maitland, der sturmkalte, englische See¬ mann, verzeichnet die Begebenheiten vorurtheils¬ los und bestimmt, als wären es Naturerschei¬ nungen, die er in sein Loogbook einträgt; Las Cases, ein enthusiastischer Kammerherr, liegt in jeder Zeile, die er schreibt, zu den Füßen des Kaisers, nicht wie ein russischer Sclave, sondern wie ein freyer Franzose, dem die Be¬
das jeder ehrliche Mann fuͤhlt, den ein boͤſes Geſchick in eine zweydeutige Handlung verfloch¬ ten hat. Das Buch ſelbſt iſt aber ein unſchaͤtz¬ barer Gewinn fuͤr die Gefangenſchaftsgeſchichte Napoleons, die den letzten Act ſeines Lebens bildet, alle Raͤthſel der fruͤheren Acte wunder¬ bar loͤſt, und wie es eine aͤchte Tragoͤdie thun ſoll, die Gemuͤther erſchuͤttert, reinigt und verſoͤhnt. Den Charakterunterſchied der vier Hauptſchriftſteller, die uns von dieſer Gefan¬ genſchaft berichten, beſonders wie er ſich in Styl und Anſchauungsweiſe bekundet, zeigt ſich erſt recht durch ihre Zuſammenſtellung.
Maitland, der ſturmkalte, engliſche See¬ mann, verzeichnet die Begebenheiten vorurtheils¬ los und beſtimmt, als waͤren es Naturerſchei¬ nungen, die er in ſein Loogbook eintraͤgt; Las Caſes, ein enthuſiaſtiſcher Kammerherr, liegt in jeder Zeile, die er ſchreibt, zu den Fuͤßen des Kaiſers, nicht wie ein ruſſiſcher Sclave, ſondern wie ein freyer Franzoſe, dem die Be¬
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das jeder ehrliche Mann fuͤhlt, den ein boͤſes
Geſchick in eine zweydeutige Handlung verfloch¬
ten hat. Das Buch ſelbſt iſt aber ein unſchaͤtz¬
barer Gewinn fuͤr die Gefangenſchaftsgeſchichte
Napoleons, die den letzten Act ſeines Lebens
bildet, alle Raͤthſel der fruͤheren Acte wunder¬
bar loͤſt, und wie es eine aͤchte Tragoͤdie thun
ſoll, die Gemuͤther erſchuͤttert, reinigt und
verſoͤhnt. Den Charakterunterſchied der vier
Hauptſchriftſteller, die uns von dieſer Gefan¬
genſchaft berichten, beſonders wie er ſich in
Styl und Anſchauungsweiſe bekundet, zeigt ſich
erſt recht durch ihre Zuſammenſtellung.
Maitland, der ſturmkalte, engliſche See¬
mann, verzeichnet die Begebenheiten vorurtheils¬
los und beſtimmt, als waͤren es Naturerſchei¬
nungen, die er in ſein Loogbook eintraͤgt; Las
Caſes, ein enthuſiaſtiſcher Kammerherr, liegt
in jeder Zeile, die er ſchreibt, zu den Fuͤßen
des Kaiſers, nicht wie ein ruſſiſcher Sclave,
ſondern wie ein freyer Franzoſe, dem die Be¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/101>, abgerufen am 22.11.2024.
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