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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Nachtigallen flöten aus der Ferne, schlaftrunken
schließen sich meine Augen, meine Seele verhallt
wie die Töne meiner Harfe -- es duften die
Blumen der Brenta.

Ein Baum wird meinen Grabstein beschatten.
Ich hätte gern eine Palme, aber diese gedeiht
nicht im Norden. Es wird wohl eine Linde seyn,
und Sommerabends werden dort die Liebenden
sitzen und kosen; der Zeisig, der sich lauschend in
den Zweigen wiegt, ist verschwiegen, und meine
Linde rauscht traulich über den Häuptern der
Glücklichen, die so glücklich sind, daß sie nicht
einmal Zeit haben zu lesen, was auf dem weißen
Leichensteine geschrieben steht. Wenn aber später¬
hin der Liebende sein Mädchen verloren hat, dann
kommt er wieder zu der wohlbekannten Linde,
und seufzt und weint, und betrachtet den Leichen¬
stein, lang und oft, und liest darauf die In¬
schrift: -- Er liebte die Blumen der Brenta.


Nachtigallen floͤten aus der Ferne, ſchlaftrunken
ſchließen ſich meine Augen, meine Seele verhallt
wie die Toͤne meiner Harfe — es duften die
Blumen der Brenta.

Ein Baum wird meinen Grabſtein beſchatten.
Ich haͤtte gern eine Palme, aber dieſe gedeiht
nicht im Norden. Es wird wohl eine Linde ſeyn,
und Sommerabends werden dort die Liebenden
ſitzen und koſen; der Zeiſig, der ſich lauſchend in
den Zweigen wiegt, iſt verſchwiegen, und meine
Linde rauſcht traulich uͤber den Haͤuptern der
Gluͤcklichen, die ſo gluͤcklich ſind, daß ſie nicht
einmal Zeit haben zu leſen, was auf dem weißen
Leichenſteine geſchrieben ſteht. Wenn aber ſpaͤter¬
hin der Liebende ſein Maͤdchen verloren hat, dann
kommt er wieder zu der wohlbekannten Linde,
und ſeufzt und weint, und betrachtet den Leichen¬
ſtein, lang und oft, und lieſt darauf die In¬
ſchrift: — Er liebte die Blumen der Brenta.


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[154/0162] Nachtigallen floͤten aus der Ferne, ſchlaftrunken ſchließen ſich meine Augen, meine Seele verhallt wie die Toͤne meiner Harfe — es duften die Blumen der Brenta. Ein Baum wird meinen Grabſtein beſchatten. Ich haͤtte gern eine Palme, aber dieſe gedeiht nicht im Norden. Es wird wohl eine Linde ſeyn, und Sommerabends werden dort die Liebenden ſitzen und koſen; der Zeiſig, der ſich lauſchend in den Zweigen wiegt, iſt verſchwiegen, und meine Linde rauſcht traulich uͤber den Haͤuptern der Gluͤcklichen, die ſo gluͤcklich ſind, daß ſie nicht einmal Zeit haben zu leſen, was auf dem weißen Leichenſteine geſchrieben ſteht. Wenn aber ſpaͤter¬ hin der Liebende ſein Maͤdchen verloren hat, dann kommt er wieder zu der wohlbekannten Linde, und ſeufzt und weint, und betrachtet den Leichen¬ ſtein, lang und oft, und lieſt darauf die In¬ ſchrift: — Er liebte die Blumen der Brenta.

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/162>, abgerufen am 22.11.2024.