Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Wache, nach dem Appel, nach der Parade --
da war nichts als Waffenglanz und Lustig¬
keit -- les jours de fete sont passes! Mon¬
sieur Le Grand wußte nur wenig gebrochenes
Deutsch, nur die Hauptausdrücke -- Brod,
Kuß, Ehre -- doch konnte er sich auf der
Trommel sehr gut verständlich machen, z. B.
wenn ich nicht wußte, was das Wort "liberte"
bedeute, so trommelte er den Marseiller Marsch
-- und ich verstand ihn. Wußte ich nicht die
Bedeutung des Worts "egalite", so trommelte
er den Marsch "ca ira, ca ira -- -- -- les
aristocrats a la lanterne
!" -- und ich verstand
ihn. Wußte ich nicht, was "betise" sey, so
trommelte er den Dessauer Marsch, den wir
Deutschen, wie auch Goethe berichtet, in der
Champagne getrommelt -- und ich verstand ihn.
Er wollte mir mal das Wort "l'Allemagne" er¬
klären, und er trommelte jene allzueinfache Ur¬
melodie, die man oft an Markttagen bey tan¬
zenden Hunden hört, nämlich Dum -- Dum --

Wache, nach dem Appel, nach der Parade —
da war nichts als Waffenglanz und Luſtig¬
keit — les jours de fète sont passés! Mon¬
ſieur Le Grand wußte nur wenig gebrochenes
Deutſch, nur die Hauptausdruͤcke — Brod,
Kuß, Ehre — doch konnte er ſich auf der
Trommel ſehr gut verſtaͤndlich machen, z. B.
wenn ich nicht wußte, was das Wort „liberté
bedeute, ſo trommelte er den Marſeiller Marſch
— und ich verſtand ihn. Wußte ich nicht die
Bedeutung des Worts „égalité“, ſo trommelte
er den Marſch „ça ira, ça ira — — — les
aristocrats à la lanterne
!“ — und ich verſtand
ihn. Wußte ich nicht, was “bétise” ſey, ſo
trommelte er den Deſſauer Marſch, den wir
Deutſchen, wie auch Goethe berichtet, in der
Champagne getrommelt — und ich verſtand ihn.
Er wollte mir mal das Wort „l'Allemagne“ er¬
klaͤren, und er trommelte jene allzueinfache Ur¬
melodie, die man oft an Markttagen bey tan¬
zenden Hunden hoͤrt, naͤmlich Dum — Dum —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="194"/>
Wache, nach dem Appel, nach der Parade &#x2014;<lb/>
da war nichts als Waffenglanz und Lu&#x017F;tig¬<lb/>
keit &#x2014; <hi rendition="#aq">les jours de fète sont passés</hi>! Mon¬<lb/>
&#x017F;ieur Le Grand wußte nur wenig gebrochenes<lb/>
Deut&#x017F;ch, nur die Hauptausdru&#x0364;cke &#x2014; Brod,<lb/>
Kuß, Ehre &#x2014; doch konnte er &#x017F;ich auf der<lb/>
Trommel &#x017F;ehr gut ver&#x017F;ta&#x0364;ndlich machen, z. B.<lb/>
wenn ich nicht wußte, was das Wort &#x201E;<hi rendition="#aq">liberté</hi>&#x201C;<lb/>
bedeute, &#x017F;o trommelte er den Mar&#x017F;eiller Mar&#x017F;ch<lb/>
&#x2014; und ich ver&#x017F;tand ihn. Wußte ich nicht die<lb/>
Bedeutung des Worts &#x201E;<hi rendition="#aq">égalité</hi>&#x201C;, &#x017F;o trommelte<lb/>
er den Mar&#x017F;ch &#x201E;<hi rendition="#aq">ça ira</hi>, <hi rendition="#aq">ça ira</hi> &#x2014; &#x2014; &#x2014; l<hi rendition="#aq">es<lb/>
aristocrats à la lanterne</hi>!&#x201C; &#x2014; und ich ver&#x017F;tand<lb/>
ihn. Wußte ich nicht, was &#x201C;<hi rendition="#aq">bétise</hi>&#x201D; &#x017F;ey, &#x017F;o<lb/>
trommelte er den De&#x017F;&#x017F;auer Mar&#x017F;ch, den wir<lb/>
Deut&#x017F;chen, wie auch Goethe berichtet, in der<lb/>
Champagne getrommelt &#x2014; und ich ver&#x017F;tand ihn.<lb/>
Er wollte mir mal das Wort &#x201E;<hi rendition="#aq">l'Allemagne</hi>&#x201C; er¬<lb/>
kla&#x0364;ren, und er trommelte jene allzueinfache Ur¬<lb/>
melodie, die man oft an Markttagen bey tan¬<lb/>
zenden Hunden ho&#x0364;rt, na&#x0364;mlich <hi rendition="#aq">Dum &#x2014; Dum &#x2014;<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0202] Wache, nach dem Appel, nach der Parade — da war nichts als Waffenglanz und Luſtig¬ keit — les jours de fète sont passés! Mon¬ ſieur Le Grand wußte nur wenig gebrochenes Deutſch, nur die Hauptausdruͤcke — Brod, Kuß, Ehre — doch konnte er ſich auf der Trommel ſehr gut verſtaͤndlich machen, z. B. wenn ich nicht wußte, was das Wort „liberté“ bedeute, ſo trommelte er den Marſeiller Marſch — und ich verſtand ihn. Wußte ich nicht die Bedeutung des Worts „égalité“, ſo trommelte er den Marſch „ça ira, ça ira — — — les aristocrats à la lanterne!“ — und ich verſtand ihn. Wußte ich nicht, was “bétise” ſey, ſo trommelte er den Deſſauer Marſch, den wir Deutſchen, wie auch Goethe berichtet, in der Champagne getrommelt — und ich verſtand ihn. Er wollte mir mal das Wort „l'Allemagne“ er¬ klaͤren, und er trommelte jene allzueinfache Ur¬ melodie, die man oft an Markttagen bey tan¬ zenden Hunden hoͤrt, naͤmlich Dum — Dum —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/202
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/202>, abgerufen am 21.11.2024.