und wenn man just nichts besseres zu thun weiß, kann man darüber weinen. O Gott! einst war die Welt so hübsch, und die Vögel sangen dein ewiges Lob, und die kleine Vero¬ nika sah mich an, mit stillen Augen, und wir saßen vor der marmornen Statue auf dem Schloßplatz -- auf der einen Seite liegt das alte, verwüstete Schloß, worin es spukt und Nachts eine schwarzseidene Dame ohne Kopf, mit langer, rauschender Schleppe, herumwan¬ delt; auf der andern Seite ist ein hohes, weißes Gebäude, in dessen oberen Gemächern die bunten Gemälde mit goldnen Rahmen wun¬ derbar glänzten, und in dessen Untergeschosse so viele tausend mächtige Bücher standen, die ich und die kleine Veronika oft mit Neugier be¬ trachteten, wenn uns die fromme Ursula an die großen Fenster hinanhob -- Späterhin, als ich ein großer Knabe geworden, erkletterte ich dort täglich die höchsten Leitersprossen, und holte die höchsten Bücher herab, und las darin so
und wenn man juſt nichts beſſeres zu thun weiß, kann man daruͤber weinen. O Gott! einſt war die Welt ſo huͤbſch, und die Voͤgel ſangen dein ewiges Lob, und die kleine Vero¬ nika ſah mich an, mit ſtillen Augen, und wir ſaßen vor der marmornen Statue auf dem Schloßplatz — auf der einen Seite liegt das alte, verwuͤſtete Schloß, worin es ſpukt und Nachts eine ſchwarzſeidene Dame ohne Kopf, mit langer, rauſchender Schleppe, herumwan¬ delt; auf der andern Seite iſt ein hohes, weißes Gebaͤude, in deſſen oberen Gemaͤchern die bunten Gemaͤlde mit goldnen Rahmen wun¬ derbar glaͤnzten, und in deſſen Untergeſchoſſe ſo viele tauſend maͤchtige Buͤcher ſtanden, die ich und die kleine Veronika oft mit Neugier be¬ trachteten, wenn uns die fromme Urſula an die großen Fenſter hinanhob — Spaͤterhin, als ich ein großer Knabe geworden, erkletterte ich dort taͤglich die hoͤchſten Leiterſproſſen, und holte die hoͤchſten Buͤcher herab, und las darin ſo
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und wenn man juſt nichts beſſeres zu thun
weiß, kann man daruͤber weinen. O Gott!
einſt war die Welt ſo huͤbſch, und die Voͤgel
ſangen dein ewiges Lob, und die kleine Vero¬
nika ſah mich an, mit ſtillen Augen, und wir
ſaßen vor der marmornen Statue auf dem
Schloßplatz — auf der einen Seite liegt das
alte, verwuͤſtete Schloß, worin es ſpukt und
Nachts eine ſchwarzſeidene Dame ohne Kopf,
mit langer, rauſchender Schleppe, herumwan¬
delt; auf der andern Seite iſt ein hohes,
weißes Gebaͤude, in deſſen oberen Gemaͤchern
die bunten Gemaͤlde mit goldnen Rahmen wun¬
derbar glaͤnzten, und in deſſen Untergeſchoſſe
ſo viele tauſend maͤchtige Buͤcher ſtanden, die
ich und die kleine Veronika oft mit Neugier be¬
trachteten, wenn uns die fromme Urſula an die
großen Fenſter hinanhob — Spaͤterhin, als ich
ein großer Knabe geworden, erkletterte ich dort
taͤglich die hoͤchſten Leiterſproſſen, und holte
die hoͤchſten Buͤcher herab, und las darin ſo
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/225>, abgerufen am 21.11.2024.
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