Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrlich, der arme französische Tambour
schien halb verwes't aus dem Grabe gestiegen
zu seyn, es war nur ein kleiner Schatten in
einer schmutzig zerfetzten grauen Capotte, ein
verstorben gelbes Gesicht, mit einem großen
Schnurrbarte, der wehmüthig herabhing über
die verblichenen Lippen, die Augen waren wie
verbrannter Zunder, worin nur noch wenige
Fünkchen glimmen, und dennoch, an einem
einzigen dieser Fünkchen, erkannte ich Monsieur
Le Grand.

Er erkannte auch mich, und zog mich nie¬
der auf den Rasen, und da saßen wir wieder
wie sonst, als er mir auf der Trommel die
französische Sprache und die neuere Geschichte
dozirte. Es war noch immer die wohlbekannte,
alte Trommel, und ich konnte mich nicht ge¬
nug wundern, wie er sie vor russischer Hab¬
sucht geschützt hatte. Er trommelte jetzt wie¬
der wie sonst, jedoch ohne dabey zu sprechen.

Wahrlich, der arme franzoͤſiſche Tambour
ſchien halb verweſ't aus dem Grabe geſtiegen
zu ſeyn, es war nur ein kleiner Schatten in
einer ſchmutzig zerfetzten grauen Capotte, ein
verſtorben gelbes Geſicht, mit einem großen
Schnurrbarte, der wehmuͤthig herabhing uͤber
die verblichenen Lippen, die Augen waren wie
verbrannter Zunder, worin nur noch wenige
Fuͤnkchen glimmen, und dennoch, an einem
einzigen dieſer Fuͤnkchen, erkannte ich Monſieur
Le Grand.

Er erkannte auch mich, und zog mich nie¬
der auf den Raſen, und da ſaßen wir wieder
wie ſonſt, als er mir auf der Trommel die
franzoͤſiſche Sprache und die neuere Geſchichte
dozirte. Es war noch immer die wohlbekannte,
alte Trommel, und ich konnte mich nicht ge¬
nug wundern, wie er ſie vor ruſſiſcher Hab¬
ſucht geſchuͤtzt hatte. Er trommelte jetzt wie¬
der wie ſonſt, jedoch ohne dabey zu ſprechen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0228" n="220"/>
          <p>Wahrlich, der arme franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Tambour<lb/>
&#x017F;chien halb verwe&#x017F;'t aus dem Grabe ge&#x017F;tiegen<lb/>
zu &#x017F;eyn, es war nur ein kleiner Schatten in<lb/>
einer &#x017F;chmutzig zerfetzten grauen Capotte, ein<lb/>
ver&#x017F;torben gelbes Ge&#x017F;icht, mit einem großen<lb/>
Schnurrbarte, der wehmu&#x0364;thig herabhing u&#x0364;ber<lb/>
die verblichenen Lippen, die Augen waren wie<lb/>
verbrannter Zunder, worin nur noch wenige<lb/>
Fu&#x0364;nkchen glimmen, und dennoch, an einem<lb/>
einzigen die&#x017F;er Fu&#x0364;nkchen, erkannte ich Mon&#x017F;ieur<lb/>
Le Grand.</p><lb/>
          <p>Er erkannte auch mich, und zog mich nie¬<lb/>
der auf den Ra&#x017F;en, und da &#x017F;aßen wir wieder<lb/>
wie &#x017F;on&#x017F;t, als er mir auf der Trommel die<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che Sprache und die neuere Ge&#x017F;chichte<lb/>
dozirte. Es war noch immer die wohlbekannte,<lb/>
alte Trommel, und ich konnte mich nicht ge¬<lb/>
nug wundern, wie er &#x017F;ie vor ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Hab¬<lb/>
&#x017F;ucht ge&#x017F;chu&#x0364;tzt hatte. Er trommelte jetzt wie¬<lb/>
der wie &#x017F;on&#x017F;t, jedoch ohne dabey zu &#x017F;prechen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0228] Wahrlich, der arme franzoͤſiſche Tambour ſchien halb verweſ't aus dem Grabe geſtiegen zu ſeyn, es war nur ein kleiner Schatten in einer ſchmutzig zerfetzten grauen Capotte, ein verſtorben gelbes Geſicht, mit einem großen Schnurrbarte, der wehmuͤthig herabhing uͤber die verblichenen Lippen, die Augen waren wie verbrannter Zunder, worin nur noch wenige Fuͤnkchen glimmen, und dennoch, an einem einzigen dieſer Fuͤnkchen, erkannte ich Monſieur Le Grand. Er erkannte auch mich, und zog mich nie¬ der auf den Raſen, und da ſaßen wir wieder wie ſonſt, als er mir auf der Trommel die franzoͤſiſche Sprache und die neuere Geſchichte dozirte. Es war noch immer die wohlbekannte, alte Trommel, und ich konnte mich nicht ge¬ nug wundern, wie er ſie vor ruſſiſcher Hab¬ ſucht geſchuͤtzt hatte. Er trommelte jetzt wie¬ der wie ſonſt, jedoch ohne dabey zu ſprechen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/228
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/228>, abgerufen am 21.11.2024.