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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Waren aber die Lippen unheimlich zusammen¬
gekniffen, so sprachen desto mehr seine Augen,
die sieghaft aufleuchteten, indem er die alten
Märsche trommelte. Die Pappeln neben uns
erzitterten, als er wieder den rothen Guilloti¬
nenmarsch erdröhnen ließ. Auch die alten Frey¬
heitskämpfe, die alten Schlachten, die Thaten
des Kaisers, trommelte er wie sonst, und es
schien, als sey die Trommel selber ein lebendi¬
ges Wesen, das sich freute, seine innere Lust
aussprechen zu können. Ich hörte wieder den
Kanonendonner, das Pfeifen der Kugeln, den
Lärm der Schlacht, ich sah wieder den Todes¬
muth der Garde, ich sah wieder die flattern¬
den Fahnen, ich sah wieder den Kaiser zu
Roß -- aber allmählig schlich sich ein trüber
Ton in jene freudigsten Wirbel, aus der Trom¬
mel drangen Laute, worin das wildeste Jauch¬
zen und das entsetzlichste Trauern unheimlich
gemischt waren, es schien ein Siegesmarsch
und zugleich ein Todtenmarsch, die Augen Le

Waren aber die Lippen unheimlich zuſammen¬
gekniffen, ſo ſprachen deſto mehr ſeine Augen,
die ſieghaft aufleuchteten, indem er die alten
Maͤrſche trommelte. Die Pappeln neben uns
erzitterten, als er wieder den rothen Guilloti¬
nenmarſch erdroͤhnen ließ. Auch die alten Frey¬
heitskaͤmpfe, die alten Schlachten, die Thaten
des Kaiſers, trommelte er wie ſonſt, und es
ſchien, als ſey die Trommel ſelber ein lebendi¬
ges Weſen, das ſich freute, ſeine innere Luſt
ausſprechen zu koͤnnen. Ich hoͤrte wieder den
Kanonendonner, das Pfeifen der Kugeln, den
Laͤrm der Schlacht, ich ſah wieder den Todes¬
muth der Garde, ich ſah wieder die flattern¬
den Fahnen, ich ſah wieder den Kaiſer zu
Roß — aber allmaͤhlig ſchlich ſich ein truͤber
Ton in jene freudigſten Wirbel, aus der Trom¬
mel drangen Laute, worin das wildeſte Jauch¬
zen und das entſetzlichſte Trauern unheimlich
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[221/0229] Waren aber die Lippen unheimlich zuſammen¬ gekniffen, ſo ſprachen deſto mehr ſeine Augen, die ſieghaft aufleuchteten, indem er die alten Maͤrſche trommelte. Die Pappeln neben uns erzitterten, als er wieder den rothen Guilloti¬ nenmarſch erdroͤhnen ließ. Auch die alten Frey¬ heitskaͤmpfe, die alten Schlachten, die Thaten des Kaiſers, trommelte er wie ſonſt, und es ſchien, als ſey die Trommel ſelber ein lebendi¬ ges Weſen, das ſich freute, ſeine innere Luſt ausſprechen zu koͤnnen. Ich hoͤrte wieder den Kanonendonner, das Pfeifen der Kugeln, den Laͤrm der Schlacht, ich ſah wieder den Todes¬ muth der Garde, ich ſah wieder die flattern¬ den Fahnen, ich ſah wieder den Kaiſer zu Roß — aber allmaͤhlig ſchlich ſich ein truͤber Ton in jene freudigſten Wirbel, aus der Trom¬ mel drangen Laute, worin das wildeſte Jauch¬ zen und das entſetzlichſte Trauern unheimlich gemiſcht waren, es ſchien ein Siegesmarſch und zugleich ein Todtenmarſch, die Augen Le

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/229>, abgerufen am 21.11.2024.