Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Vor der Hand sitze ich aber noch auf der
dunklen Düsterstraße in meinem dunklen Zimmer
und begnüge mich in der Mitte desselben den
größten Obscuranten des Landes aufzuhängen --
"Mais est-ce-que vous verrez plus clair alors?"
Augenscheinlichement, Madame -- doch mißver¬
stehen Sie mich nicht, ich hänge nicht den
Mann selbst, sondern nur die kristallne Lampe,
die ich für das Honorar, das ich aus ihm er¬
schreibe, mir anschaffen werde. Indessen, ich
glaube, es wäre noch besser und es würde plötz¬
lich im ganzen Lande hell werden, wenn man
die Obscuranten in Natura aufhinge. Kann
man aber die Leute nicht hängen, so muß man
sie brandmarken. Ich spreche wieder figürlich,
ich brandmarke in effigie. Freylich, Herr v.
Weiß -- er ist weiß und unbescholten wie eine
Lilie -- hat sich weiß machen lassen, ich hätte
in Berlin erzählt, Er sey wirklich gebrandmarkt;
der Narr ließ sich deßhalb von der Obrigkeit
besehen und schriftlich geben, daß seinem

17

Vor der Hand ſitze ich aber noch auf der
dunklen Duͤſterſtraße in meinem dunklen Zimmer
und begnuͤge mich in der Mitte deſſelben den
groͤßten Obſcuranten des Landes aufzuhaͤngen —
„Mais est-ce-que vous verrez plus clair alors?“
Augenſcheinlichement, Madame — doch mißver¬
ſtehen Sie mich nicht, ich haͤnge nicht den
Mann ſelbſt, ſondern nur die kriſtallne Lampe,
die ich fuͤr das Honorar, das ich aus ihm er¬
ſchreibe, mir anſchaffen werde. Indeſſen, ich
glaube, es waͤre noch beſſer und es wuͤrde ploͤtz¬
lich im ganzen Lande hell werden, wenn man
die Obſcuranten in Natura aufhinge. Kann
man aber die Leute nicht haͤngen, ſo muß man
ſie brandmarken. Ich ſpreche wieder figuͤrlich,
ich brandmarke in effigie. Freylich, Herr v.
Weiß — er iſt weiß und unbeſcholten wie eine
Lilie — hat ſich weiß machen laſſen, ich haͤtte
in Berlin erzaͤhlt, Er ſey wirklich gebrandmarkt;
der Narr ließ ſich deßhalb von der Obrigkeit
beſehen und ſchriftlich geben, daß ſeinem

17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0265" n="257"/>
          <p>Vor der Hand &#x017F;itze ich aber noch auf der<lb/>
dunklen Du&#x0364;&#x017F;ter&#x017F;traße in meinem dunklen Zimmer<lb/>
und begnu&#x0364;ge mich in der Mitte de&#x017F;&#x017F;elben den<lb/>
gro&#x0364;ßten Ob&#x017F;curanten des Landes aufzuha&#x0364;ngen &#x2014;<lb/>
&#x201E;Mais est-ce-que vous verrez plus clair alors?&#x201C;<lb/>
Augen&#x017F;cheinlichement, Madame &#x2014; doch mißver¬<lb/>
&#x017F;tehen Sie mich nicht, ich ha&#x0364;nge nicht den<lb/>
Mann &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern nur die kri&#x017F;tallne Lampe,<lb/>
die ich fu&#x0364;r das Honorar, das ich aus ihm er¬<lb/>
&#x017F;chreibe, mir an&#x017F;chaffen werde. Inde&#x017F;&#x017F;en, ich<lb/>
glaube, es wa&#x0364;re noch be&#x017F;&#x017F;er und es wu&#x0364;rde plo&#x0364;tz¬<lb/>
lich im ganzen Lande hell werden, wenn man<lb/>
die Ob&#x017F;curanten in Natura aufhinge. Kann<lb/>
man aber die Leute nicht ha&#x0364;ngen, &#x017F;o muß man<lb/>
&#x017F;ie brandmarken. Ich &#x017F;preche wieder figu&#x0364;rlich,<lb/>
ich brandmarke in <hi rendition="#aq">effigie</hi>. Freylich, Herr v.<lb/>
Weiß &#x2014; er i&#x017F;t weiß und unbe&#x017F;cholten wie eine<lb/>
Lilie &#x2014; hat &#x017F;ich weiß machen la&#x017F;&#x017F;en, ich ha&#x0364;tte<lb/>
in Berlin erza&#x0364;hlt, Er &#x017F;ey wirklich gebrandmarkt;<lb/>
der Narr ließ &#x017F;ich deßhalb von der Obrigkeit<lb/>
be&#x017F;ehen und &#x017F;chriftlich geben, daß &#x017F;einem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">17<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0265] Vor der Hand ſitze ich aber noch auf der dunklen Duͤſterſtraße in meinem dunklen Zimmer und begnuͤge mich in der Mitte deſſelben den groͤßten Obſcuranten des Landes aufzuhaͤngen — „Mais est-ce-que vous verrez plus clair alors?“ Augenſcheinlichement, Madame — doch mißver¬ ſtehen Sie mich nicht, ich haͤnge nicht den Mann ſelbſt, ſondern nur die kriſtallne Lampe, die ich fuͤr das Honorar, das ich aus ihm er¬ ſchreibe, mir anſchaffen werde. Indeſſen, ich glaube, es waͤre noch beſſer und es wuͤrde ploͤtz¬ lich im ganzen Lande hell werden, wenn man die Obſcuranten in Natura aufhinge. Kann man aber die Leute nicht haͤngen, ſo muß man ſie brandmarken. Ich ſpreche wieder figuͤrlich, ich brandmarke in effigie. Freylich, Herr v. Weiß — er iſt weiß und unbeſcholten wie eine Lilie — hat ſich weiß machen laſſen, ich haͤtte in Berlin erzaͤhlt, Er ſey wirklich gebrandmarkt; der Narr ließ ſich deßhalb von der Obrigkeit beſehen und ſchriftlich geben, daß ſeinem 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/265
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/265>, abgerufen am 22.11.2024.