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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Rücken kein Wappen aufgedruckt sey, dieses ne¬
gative Wappenzeugniß betrachtete er wie ein Di¬
plom, das ihm Einlaß in die beste Gesellschaft
verschaffen müsse, und wunderte sich, als man
ihn dennoch hinauswarf, und kreischt jetzt Mord
und Zeter über mich armen Menschen, und will
mich, mit einer geladenen Pistole, wo er mich
findet, todtschießen -- Und was glauben Sie
wohl, Madame, was ich dagegen thue? Ma¬
dame, für diesen Narrn, d. h. für das Honorar,
das ich aus ihm herausschreiben werde, kaufe ich
mir ein gutes Faß Rüdesheimer Rheinwein.
Ich erwähne dieses, damit Sie nicht glauben,
es sey Schadenfreude, daß ich so lustig aussehe,
wenn mir Herr v. Weiß auf der Straße begeg¬
net. Wahrhaftig, Madame, ich sehe in ihm nur
meinen lieben Rüdesheimer, sobald ich ihn er¬
blicke, wird mir wonnig und angenehm zu Mu¬
the, und ich trällere unwillkührlich: "am Rhein,
am Rhein, da wachsen unsre Reben --" "Dies
Bildniß ist bezaubernd schön --" "O weiße

Ruͤcken kein Wappen aufgedruckt ſey, dieſes ne¬
gative Wappenzeugniß betrachtete er wie ein Di¬
plom, das ihm Einlaß in die beſte Geſellſchaft
verſchaffen muͤſſe, und wunderte ſich, als man
ihn dennoch hinauswarf, und kreiſcht jetzt Mord
und Zeter uͤber mich armen Menſchen, und will
mich, mit einer geladenen Piſtole, wo er mich
findet, todtſchießen — Und was glauben Sie
wohl, Madame, was ich dagegen thue? Ma¬
dame, fuͤr dieſen Narrn, d. h. fuͤr das Honorar,
das ich aus ihm herausſchreiben werde, kaufe ich
mir ein gutes Faß Ruͤdesheimer Rheinwein.
Ich erwaͤhne dieſes, damit Sie nicht glauben,
es ſey Schadenfreude, daß ich ſo luſtig ausſehe,
wenn mir Herr v. Weiß auf der Straße begeg¬
net. Wahrhaftig, Madame, ich ſehe in ihm nur
meinen lieben Ruͤdesheimer, ſobald ich ihn er¬
blicke, wird mir wonnig und angenehm zu Mu¬
the, und ich traͤllere unwillkuͤhrlich: “am Rhein,
am Rhein, da wachſen unſre Reben —” “Dies
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[258/0266] Ruͤcken kein Wappen aufgedruckt ſey, dieſes ne¬ gative Wappenzeugniß betrachtete er wie ein Di¬ plom, das ihm Einlaß in die beſte Geſellſchaft verſchaffen muͤſſe, und wunderte ſich, als man ihn dennoch hinauswarf, und kreiſcht jetzt Mord und Zeter uͤber mich armen Menſchen, und will mich, mit einer geladenen Piſtole, wo er mich findet, todtſchießen — Und was glauben Sie wohl, Madame, was ich dagegen thue? Ma¬ dame, fuͤr dieſen Narrn, d. h. fuͤr das Honorar, das ich aus ihm herausſchreiben werde, kaufe ich mir ein gutes Faß Ruͤdesheimer Rheinwein. Ich erwaͤhne dieſes, damit Sie nicht glauben, es ſey Schadenfreude, daß ich ſo luſtig ausſehe, wenn mir Herr v. Weiß auf der Straße begeg¬ net. Wahrhaftig, Madame, ich ſehe in ihm nur meinen lieben Ruͤdesheimer, ſobald ich ihn er¬ blicke, wird mir wonnig und angenehm zu Mu¬ the, und ich traͤllere unwillkuͤhrlich: “am Rhein, am Rhein, da wachſen unſre Reben —” “Dies Bildniß iſt bezaubernd ſchoͤn —” “O weiße

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/266>, abgerufen am 22.11.2024.