Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.Staunend, und seltsam geblendet, betracht' ich Das luftige Pantheon, Die feyerlich stummen, grau'nhaft bewegten Riesengestalten. Der dort ist Kronion, der Himmelskönig, Schneeweiß sind die Locken des Haupts, Die berühmten, olymposerschütternden Locken, Er hält in der Hand den erloschenen Blitz, In seinem Gesichte liegt Unglück und Gram, Und doch noch immer der alte Stolz. Das waren bessere Zeiten, o Zeus, Als du dich himmlisch ergötztest An Knaben und Nymphen und Hekatomben! Doch auch die Götter regieren nicht ewig, Die jungen verdrängen die alten, Wie du einst selber den greisen Vater Und deine Titanen-Oehme verdrängt, Jupiter Parricida! Auch dich erkenn' ich, stolze Here! Trotz all deiner eifersüchtigen Angst, Hat doch eine Andre das Zepter gewonnen, Staunend, und ſeltſam geblendet, betracht' ich Das luftige Pantheon, Die feyerlich ſtummen, grau'nhaft bewegten Rieſengeſtalten. Der dort iſt Kronion, der Himmelskoͤnig, Schneeweiß ſind die Locken des Haupts, Die beruͤhmten, olymposerſchuͤtternden Locken, Er haͤlt in der Hand den erloſchenen Blitz, In ſeinem Geſichte liegt Ungluͤck und Gram, Und doch noch immer der alte Stolz. Das waren beſſere Zeiten, o Zeus, Als du dich himmliſch ergoͤtzteſt An Knaben und Nymphen und Hekatomben! Doch auch die Goͤtter regieren nicht ewig, Die jungen verdraͤngen die alten, Wie du einſt ſelber den greiſen Vater Und deine Titanen-Oehme verdraͤngt, Jupiter Parricida! Auch dich erkenn' ich, ſtolze Here! Trotz all deiner eiferſuͤchtigen Angſt, Hat doch eine Andre das Zepter gewonnen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0029" n="21"/> <lg n="3"> <l>Staunend, und ſeltſam geblendet, betracht' ich</l><lb/> <l>Das luftige Pantheon,</l><lb/> <l>Die feyerlich ſtummen, grau'nhaft bewegten</l><lb/> <l>Rieſengeſtalten.</l><lb/> <l>Der dort iſt Kronion, der Himmelskoͤnig,</l><lb/> <l>Schneeweiß ſind die Locken des Haupts,</l><lb/> <l>Die beruͤhmten, olymposerſchuͤtternden Locken,</l><lb/> <l>Er haͤlt in der Hand den erloſchenen Blitz,</l><lb/> <l>In ſeinem Geſichte liegt Ungluͤck und Gram,</l><lb/> <l>Und doch noch immer der alte Stolz.</l><lb/> <l>Das waren beſſere Zeiten, o Zeus,</l><lb/> <l>Als du dich himmliſch ergoͤtzteſt</l><lb/> <l>An Knaben und Nymphen und Hekatomben!</l><lb/> <l>Doch auch die Goͤtter regieren nicht ewig,</l><lb/> <l>Die jungen verdraͤngen die alten,</l><lb/> <l>Wie du einſt ſelber den greiſen Vater</l><lb/> <l>Und deine Titanen-Oehme verdraͤngt,</l><lb/> <l>Jupiter Parricida!</l><lb/> <l>Auch dich erkenn' ich, ſtolze Here!</l><lb/> <l>Trotz all deiner eiferſuͤchtigen Angſt,</l><lb/> <l>Hat doch eine Andre das Zepter gewonnen,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0029]
Staunend, und ſeltſam geblendet, betracht' ich
Das luftige Pantheon,
Die feyerlich ſtummen, grau'nhaft bewegten
Rieſengeſtalten.
Der dort iſt Kronion, der Himmelskoͤnig,
Schneeweiß ſind die Locken des Haupts,
Die beruͤhmten, olymposerſchuͤtternden Locken,
Er haͤlt in der Hand den erloſchenen Blitz,
In ſeinem Geſichte liegt Ungluͤck und Gram,
Und doch noch immer der alte Stolz.
Das waren beſſere Zeiten, o Zeus,
Als du dich himmliſch ergoͤtzteſt
An Knaben und Nymphen und Hekatomben!
Doch auch die Goͤtter regieren nicht ewig,
Die jungen verdraͤngen die alten,
Wie du einſt ſelber den greiſen Vater
Und deine Titanen-Oehme verdraͤngt,
Jupiter Parricida!
Auch dich erkenn' ich, ſtolze Here!
Trotz all deiner eiferſuͤchtigen Angſt,
Hat doch eine Andre das Zepter gewonnen,
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