der Ihnen damals, wie ein Jokey, aufwar¬ tete? -- in diesem Falle mußte er sich wohl des silbergrauen Schleyers erinnern, den er einst mit rothem Wein überschüttet und ver¬ dorben hat -- Ich war froh, daß Sie ihn ablegten, er kleidete Sie nicht sonderlich, wie denn überhaupt die europäische Tracht für Frauenzimmer viel kleidsamer ist, als die indi¬ sche. Freylich, schöne Frauen sind schön in jeder Tracht. Erinnern Sie sich, Madame, daß ein galanter Bramine -- er sah aus wie Ganesa, der Gott mit dem Elephantenrüssel, der auf einer Maus reitet -- Ihnen einst das Compliment gemacht hat: die göttliche Maneka, als sie, aus Indrahs goldner Burg, zum königlichen Büßer Wiswamitra hinabgestie¬ gen, sey gewiß nicht schöner gewesen als Sie, Madame!
Sie erinnern sich dessen nicht mehr? Es sind ja kaum 3000 Jahre, seitdem Ihnen
der Ihnen damals, wie ein Jokey, aufwar¬ tete? — in dieſem Falle mußte er ſich wohl des ſilbergrauen Schleyers erinnern, den er einſt mit rothem Wein uͤberſchuͤttet und ver¬ dorben hat — Ich war froh, daß Sie ihn ablegten, er kleidete Sie nicht ſonderlich, wie denn uͤberhaupt die europaͤiſche Tracht fuͤr Frauenzimmer viel kleidſamer iſt, als die indi¬ ſche. Freylich, ſchoͤne Frauen ſind ſchoͤn in jeder Tracht. Erinnern Sie ſich, Madame, daß ein galanter Bramine — er ſah aus wie Ganeſa, der Gott mit dem Elephantenruͤſſel, der auf einer Maus reitet — Ihnen einſt das Compliment gemacht hat: die goͤttliche Maneka, als ſie, aus Indrahs goldner Burg, zum koͤniglichen Buͤßer Wiswamitra hinabgeſtie¬ gen, ſey gewiß nicht ſchoͤner geweſen als Sie, Madame!
Sie erinnern ſich deſſen nicht mehr? Es ſind ja kaum 3000 Jahre, ſeitdem Ihnen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0299"n="291"/>
der Ihnen damals, wie ein Jokey, aufwar¬<lb/>
tete? — in dieſem Falle mußte er ſich wohl<lb/>
des ſilbergrauen Schleyers erinnern, den er<lb/>
einſt mit rothem Wein uͤberſchuͤttet und ver¬<lb/>
dorben hat — Ich war froh, daß Sie ihn<lb/>
ablegten, er kleidete Sie nicht ſonderlich, wie<lb/>
denn uͤberhaupt die europaͤiſche Tracht fuͤr<lb/>
Frauenzimmer viel kleidſamer iſt, als die indi¬<lb/>ſche. Freylich, ſchoͤne Frauen ſind ſchoͤn in<lb/>
jeder Tracht. Erinnern Sie ſich, Madame,<lb/>
daß ein galanter Bramine — er ſah aus wie<lb/>
Ganeſa, der Gott mit dem Elephantenruͤſſel,<lb/>
der auf einer Maus reitet — Ihnen einſt das<lb/>
Compliment gemacht hat: die goͤttliche Maneka,<lb/>
als ſie, aus Indrahs goldner Burg, zum<lb/>
koͤniglichen Buͤßer Wiswamitra hinabgeſtie¬<lb/>
gen, ſey gewiß nicht ſchoͤner geweſen als Sie,<lb/>
Madame!</p><lb/><p>Sie erinnern ſich deſſen nicht mehr? Es<lb/>ſind ja kaum 3000 Jahre, ſeitdem Ihnen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[291/0299]
der Ihnen damals, wie ein Jokey, aufwar¬
tete? — in dieſem Falle mußte er ſich wohl
des ſilbergrauen Schleyers erinnern, den er
einſt mit rothem Wein uͤberſchuͤttet und ver¬
dorben hat — Ich war froh, daß Sie ihn
ablegten, er kleidete Sie nicht ſonderlich, wie
denn uͤberhaupt die europaͤiſche Tracht fuͤr
Frauenzimmer viel kleidſamer iſt, als die indi¬
ſche. Freylich, ſchoͤne Frauen ſind ſchoͤn in
jeder Tracht. Erinnern Sie ſich, Madame,
daß ein galanter Bramine — er ſah aus wie
Ganeſa, der Gott mit dem Elephantenruͤſſel,
der auf einer Maus reitet — Ihnen einſt das
Compliment gemacht hat: die goͤttliche Maneka,
als ſie, aus Indrahs goldner Burg, zum
koͤniglichen Buͤßer Wiswamitra hinabgeſtie¬
gen, ſey gewiß nicht ſchoͤner geweſen als Sie,
Madame!
Sie erinnern ſich deſſen nicht mehr? Es
ſind ja kaum 3000 Jahre, ſeitdem Ihnen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/299>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.