drängniß diesen Ausruf zu gebrauchen, und Boucher, der sich den Sokrates der Violinisten nennt, hat einst sogar im Concerte, als ihm eine Violinsaite sprang, laut ausgerufen: Hilf Samiel!
Und Samiel hilft. Die bestürzte Donna hält plötzlich ein mit dem rädernden Gesange, und lispelt: Was fehlt Ihnen? "Es ist pures Entzücken" ächze ich mit forcirtem Lächeln. Sie sind krank, lispelte sie, gehen Sie nach dem Thiergarten, genießen sie das schene Wetter und beschauen sie die schene Welt. Ich greife nach Hut und Stock, küsse der Gnädigen die gnädige Hand, werfe ihr noch einen schmachtenden Passionsblick zu, stürze zur Thür hinaus, steige wieder in die erste beste Droschke, und rolle nach dem Bran¬ denburger Thore. Ich steige aus und laufe hin¬ ein in den Thiergarten.
Ich rathe Ihnen, wenn Sie hierher kom¬ men, so versäumen Sie nicht, an solchen schö¬
draͤngniß dieſen Ausruf zu gebrauchen, und Bouchér, der ſich den Sokrates der Violiniſten nennt, hat einſt ſogar im Concerte, als ihm eine Violinſaite ſprang, laut ausgerufen: Hilf Samiel!
Und Samiel hilft. Die beſtuͤrzte Donna haͤlt ploͤtzlich ein mit dem raͤdernden Geſange, und lispelt: Was fehlt Ihnen? „Es iſt pures Entzuͤcken“ aͤchze ich mit forcirtem Laͤcheln. Sie ſind krank, lispelte ſie, gehen Sie nach dem Thiergarten, genießen ſie das ſchene Wetter und beſchauen ſie die ſchene Welt. Ich greife nach Hut und Stock, kuͤſſe der Gnaͤdigen die gnaͤdige Hand, werfe ihr noch einen ſchmachtenden Paſſionsblick zu, ſtuͤrze zur Thuͤr hinaus, ſteige wieder in die erſte beſte Droſchke, und rolle nach dem Bran¬ denburger Thore. Ich ſteige aus und laufe hin¬ ein in den Thiergarten.
Ich rathe Ihnen, wenn Sie hierher kom¬ men, ſo verſaͤumen Sie nicht, an ſolchen ſchoͤ¬
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draͤngniß dieſen Ausruf zu gebrauchen, und
Bouchér, der ſich den Sokrates der Violiniſten
nennt, hat einſt ſogar im Concerte, als ihm eine
Violinſaite ſprang, laut ausgerufen: Hilf Samiel!
Und Samiel hilft. Die beſtuͤrzte Donna
haͤlt ploͤtzlich ein mit dem raͤdernden Geſange,
und lispelt: Was fehlt Ihnen? „Es iſt pures
Entzuͤcken“ aͤchze ich mit forcirtem Laͤcheln. Sie
ſind krank, lispelte ſie, gehen Sie nach dem
Thiergarten, genießen ſie das ſchene Wetter und
beſchauen ſie die ſchene Welt. Ich greife nach Hut
und Stock, kuͤſſe der Gnaͤdigen die gnaͤdige Hand,
werfe ihr noch einen ſchmachtenden Paſſionsblick
zu, ſtuͤrze zur Thuͤr hinaus, ſteige wieder in die
erſte beſte Droſchke, und rolle nach dem Bran¬
denburger Thore. Ich ſteige aus und laufe hin¬
ein in den Thiergarten.
Ich rathe Ihnen, wenn Sie hierher kom¬
men, ſo verſaͤumen Sie nicht, an ſolchen ſchoͤ¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/311>, abgerufen am 21.11.2024.
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