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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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Droschke. Gut, daß ich durch das Räderge¬
rassel nicht singen höre. Bey ***li steig' ich
ab. Ist's Fräulein zu sprechen? Der Diener
läuft. Ja. Die Thüre fliegt auf. Die Holde
sitzt am Pianoforte, und empfängt mich mit
einem süßen:

"Wo bleibt der schmucke Freiersmann,
Ich kann ihn kaum erwarten."--

Sie singen wie ein Engel! ruf' ich mit krampf¬
hafter Freundlichkeit. "Ich will noch einmal
von vorne anfangen", lispelt die Gütige, und
sie windet wieder ihren Jungfernkranz, und
windet, und windet, bis ich selbst vor unsäg¬
lichen Qualen wie ein Wurm mich winde, bis
ich vor Seelenangst ausrufe: "Hilf Samiel!"

Sie müssen wissen, so heißt der böse Feind
im Freischützen; der Jäger Kaspar, der sich ihm
ergeben hat, ruft in jeder Noth: "Hilf Sa¬
miel;" es wurde hier Mode, in komischer Be¬

Droſchke. Gut, daß ich durch das Raͤderge¬
raſſel nicht ſingen hoͤre. Bey ***li ſteig' ich
ab. Iſt's Fraͤulein zu ſprechen? Der Diener
laͤuft. Ja. Die Thuͤre fliegt auf. Die Holde
ſitzt am Pianoforte, und empfaͤngt mich mit
einem ſuͤßen:

“Wo bleibt der ſchmucke Freiersmann,
Ich kann ihn kaum erwarten.”—

Sie ſingen wie ein Engel! ruf' ich mit krampf¬
hafter Freundlichkeit. “Ich will noch einmal
von vorne anfangen”, lispelt die Guͤtige, und
ſie windet wieder ihren Jungfernkranz, und
windet, und windet, bis ich ſelbſt vor unſaͤg¬
lichen Qualen wie ein Wurm mich winde, bis
ich vor Seelenangſt ausrufe: “Hilf Samiel!”

Sie muͤſſen wiſſen, ſo heißt der boͤſe Feind
im Freiſchuͤtzen; der Jaͤger Kaspar, der ſich ihm
ergeben hat, ruft in jeder Noth: “Hilf Sa¬
miel;” es wurde hier Mode, in komiſcher Be¬

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[302/0310] Droſchke. Gut, daß ich durch das Raͤderge¬ raſſel nicht ſingen hoͤre. Bey ***li ſteig' ich ab. Iſt's Fraͤulein zu ſprechen? Der Diener laͤuft. Ja. Die Thuͤre fliegt auf. Die Holde ſitzt am Pianoforte, und empfaͤngt mich mit einem ſuͤßen: “Wo bleibt der ſchmucke Freiersmann, Ich kann ihn kaum erwarten.”— Sie ſingen wie ein Engel! ruf' ich mit krampf¬ hafter Freundlichkeit. “Ich will noch einmal von vorne anfangen”, lispelt die Guͤtige, und ſie windet wieder ihren Jungfernkranz, und windet, und windet, bis ich ſelbſt vor unſaͤg¬ lichen Qualen wie ein Wurm mich winde, bis ich vor Seelenangſt ausrufe: “Hilf Samiel!” Sie muͤſſen wiſſen, ſo heißt der boͤſe Feind im Freiſchuͤtzen; der Jaͤger Kaspar, der ſich ihm ergeben hat, ruft in jeder Noth: “Hilf Sa¬ miel;” es wurde hier Mode, in komiſcher Be¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/310>, abgerufen am 24.11.2024.