vornehmen Classe streben, mit mehr oder min¬ derm Glücke, den Hofbällen oder fürstlichen Bällen ähnlich zu seyn. Auf letztern herrscht jetzt fast im ganzen gebildeten Europa derselbe Ton, oder vielmehr sie sind den Pariser Bällen nachgebildet. Folglich haben unsere hiesigen Bälle nichts charakteristisches; wie verwunderlich es auch oft aussehen mag, wenn vielleicht ein von seiner Gage lebender Secondelieutenant, und ein, mit Läppchen und Geflitter, mosaikar¬ tig aufgeputztes Kommisbrod-Fräulein, sich auf solchen Bällen in entsetzlich vornehmen Formen bewegen, und die rührend-kümmerlichen Gesich¬ ter puppenspielmäßig kontrastiren mit dem ange¬ schnallten, steifen Hofkothurn.
Wenig Schnee, und folglich auch fast gar kein Schlittengeklingel und Peitschengeknall hat¬ ten wir dieses Jahr. Wie in allen protestan¬ tischen Städten spielt hier Weihnachten die Hauptrolle in der großen Winterkomödie. Schon
vornehmen Claſſe ſtreben, mit mehr oder min¬ derm Gluͤcke, den Hofbaͤllen oder fuͤrſtlichen Baͤllen aͤhnlich zu ſeyn. Auf letztern herrſcht jetzt faſt im ganzen gebildeten Europa derſelbe Ton, oder vielmehr ſie ſind den Pariſer Baͤllen nachgebildet. Folglich haben unſere hieſigen Baͤlle nichts charakteriſtiſches; wie verwunderlich es auch oft ausſehen mag, wenn vielleicht ein von ſeiner Gage lebender Secondelieutenant, und ein, mit Laͤppchen und Geflitter, moſaikar¬ tig aufgeputztes Kommisbrod-Fraͤulein, ſich auf ſolchen Baͤllen in entſetzlich vornehmen Formen bewegen, und die ruͤhrend-kuͤmmerlichen Geſich¬ ter puppenſpielmaͤßig kontraſtiren mit dem ange¬ ſchnallten, ſteifen Hofkothurn.
Wenig Schnee, und folglich auch faſt gar kein Schlittengeklingel und Peitſchengeknall hat¬ ten wir dieſes Jahr. Wie in allen proteſtan¬ tiſchen Staͤdten ſpielt hier Weihnachten die Hauptrolle in der großen Winterkomoͤdie. Schon
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0318"n="310"/>
vornehmen Claſſe ſtreben, mit mehr oder min¬<lb/>
derm Gluͤcke, den Hofbaͤllen oder fuͤrſtlichen<lb/>
Baͤllen aͤhnlich zu ſeyn. Auf letztern herrſcht<lb/>
jetzt faſt im ganzen gebildeten Europa derſelbe<lb/>
Ton, oder vielmehr ſie ſind den Pariſer Baͤllen<lb/>
nachgebildet. Folglich haben unſere hieſigen<lb/>
Baͤlle nichts charakteriſtiſches; wie verwunderlich<lb/>
es auch oft ausſehen mag, wenn vielleicht ein<lb/>
von ſeiner Gage lebender Secondelieutenant,<lb/>
und ein, mit Laͤppchen und Geflitter, moſaikar¬<lb/>
tig aufgeputztes Kommisbrod-Fraͤulein, ſich auf<lb/>ſolchen Baͤllen in entſetzlich vornehmen Formen<lb/>
bewegen, und die ruͤhrend-kuͤmmerlichen Geſich¬<lb/>
ter puppenſpielmaͤßig kontraſtiren mit dem ange¬<lb/>ſchnallten, ſteifen Hofkothurn.</p><lb/><p>Wenig Schnee, und folglich auch faſt gar<lb/>
kein Schlittengeklingel und Peitſchengeknall hat¬<lb/>
ten wir dieſes Jahr. Wie in allen proteſtan¬<lb/>
tiſchen Staͤdten ſpielt hier Weihnachten die<lb/>
Hauptrolle in der großen Winterkomoͤdie. Schon<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[310/0318]
vornehmen Claſſe ſtreben, mit mehr oder min¬
derm Gluͤcke, den Hofbaͤllen oder fuͤrſtlichen
Baͤllen aͤhnlich zu ſeyn. Auf letztern herrſcht
jetzt faſt im ganzen gebildeten Europa derſelbe
Ton, oder vielmehr ſie ſind den Pariſer Baͤllen
nachgebildet. Folglich haben unſere hieſigen
Baͤlle nichts charakteriſtiſches; wie verwunderlich
es auch oft ausſehen mag, wenn vielleicht ein
von ſeiner Gage lebender Secondelieutenant,
und ein, mit Laͤppchen und Geflitter, moſaikar¬
tig aufgeputztes Kommisbrod-Fraͤulein, ſich auf
ſolchen Baͤllen in entſetzlich vornehmen Formen
bewegen, und die ruͤhrend-kuͤmmerlichen Geſich¬
ter puppenſpielmaͤßig kontraſtiren mit dem ange¬
ſchnallten, ſteifen Hofkothurn.
Wenig Schnee, und folglich auch faſt gar
kein Schlittengeklingel und Peitſchengeknall hat¬
ten wir dieſes Jahr. Wie in allen proteſtan¬
tiſchen Staͤdten ſpielt hier Weihnachten die
Hauptrolle in der großen Winterkomoͤdie. Schon
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/318>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.