Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

schwarzen Sammtkäppchen mit langem Schirm
bedeckt. Ganz auf gleiche Weise waren die vier
Bedienten gekleidet, die hinten auf dem Wagen
standen, sich mit brüderlicher Umschlingung einer
an dem andern festhielten, und dem gaffenden
Publikum vier wackelnde Haarbeutel zeigten.
Aber Er trug die gewöhnliche Herrscherwürde
im Antlitz, Er dirigirte die sechsspännige
Staatskarosse, zerrend zog er die Zügel,
"und rasch hinflogen die Rosse."

Es war ein furchtbares Menschengewühl
auf dem Schloßhofe. Das muß man sagen, die
Berlinerinnen sind nicht neugierig. Die zarte¬
sten Mägdlein gaben mir Stöße in die Seiten,
die ich noch heute fühle. Es war ein Glück,
daß ich keine schwangere Frau bin. Ich quetschte
mich aber ehrlich durch, und gelangte glücklich in's
Portal des Schlosses. Der zurückdrängende Poli¬
zeibeamte ließ mich durch, weil ich einen schwarzen

ſchwarzen Sammtkaͤppchen mit langem Schirm
bedeckt. Ganz auf gleiche Weiſe waren die vier
Bedienten gekleidet, die hinten auf dem Wagen
ſtanden, ſich mit bruͤderlicher Umſchlingung einer
an dem andern feſthielten, und dem gaffenden
Publikum vier wackelnde Haarbeutel zeigten.
Aber Er trug die gewoͤhnliche Herrſcherwuͤrde
im Antlitz, Er dirigirte die ſechsſpaͤnnige
Staatskaroſſe, zerrend zog er die Zuͤgel,
„und raſch hinflogen die Roſſe.“

Es war ein furchtbares Menſchengewuͤhl
auf dem Schloßhofe. Das muß man ſagen, die
Berlinerinnen ſind nicht neugierig. Die zarte¬
ſten Maͤgdlein gaben mir Stoͤße in die Seiten,
die ich noch heute fuͤhle. Es war ein Gluͤck,
daß ich keine ſchwangere Frau bin. Ich quetſchte
mich aber ehrlich durch, und gelangte gluͤcklich in's
Portal des Schloſſes. Der zuruͤckdraͤngende Poli¬
zeibeamte ließ mich durch, weil ich einen ſchwarzen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0328" n="320"/>
&#x017F;chwarzen Sammtka&#x0364;ppchen mit langem Schirm<lb/>
bedeckt. Ganz auf gleiche Wei&#x017F;e waren die vier<lb/>
Bedienten gekleidet, die hinten auf dem Wagen<lb/>
&#x017F;tanden, &#x017F;ich mit bru&#x0364;derlicher Um&#x017F;chlingung einer<lb/>
an dem andern fe&#x017F;thielten, und dem gaffenden<lb/>
Publikum vier wackelnde Haarbeutel zeigten.<lb/>
Aber Er trug die gewo&#x0364;hnliche Herr&#x017F;cherwu&#x0364;rde<lb/>
im Antlitz, Er dirigirte die &#x017F;echs&#x017F;pa&#x0364;nnige<lb/>
Staatskaro&#x017F;&#x017F;e, zerrend zog er die Zu&#x0364;gel,<lb/><hi rendition="#c">&#x201E;und ra&#x017F;ch hinflogen die Ro&#x017F;&#x017F;e.&#x201C;</hi></p><lb/>
            <p>Es war ein furchtbares Men&#x017F;chengewu&#x0364;hl<lb/>
auf dem Schloßhofe. Das muß man &#x017F;agen, die<lb/>
Berlinerinnen &#x017F;ind nicht neugierig. Die zarte¬<lb/>
&#x017F;ten Ma&#x0364;gdlein gaben mir Sto&#x0364;ße in die Seiten,<lb/>
die ich noch heute fu&#x0364;hle. Es war ein Glu&#x0364;ck,<lb/>
daß ich keine &#x017F;chwangere Frau bin. Ich quet&#x017F;chte<lb/>
mich aber ehrlich durch, und gelangte glu&#x0364;cklich in's<lb/>
Portal des Schlo&#x017F;&#x017F;es. Der zuru&#x0364;ckdra&#x0364;ngende Poli¬<lb/>
zeibeamte ließ mich durch, weil ich einen &#x017F;chwarzen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0328] ſchwarzen Sammtkaͤppchen mit langem Schirm bedeckt. Ganz auf gleiche Weiſe waren die vier Bedienten gekleidet, die hinten auf dem Wagen ſtanden, ſich mit bruͤderlicher Umſchlingung einer an dem andern feſthielten, und dem gaffenden Publikum vier wackelnde Haarbeutel zeigten. Aber Er trug die gewoͤhnliche Herrſcherwuͤrde im Antlitz, Er dirigirte die ſechsſpaͤnnige Staatskaroſſe, zerrend zog er die Zuͤgel, „und raſch hinflogen die Roſſe.“ Es war ein furchtbares Menſchengewuͤhl auf dem Schloßhofe. Das muß man ſagen, die Berlinerinnen ſind nicht neugierig. Die zarte¬ ſten Maͤgdlein gaben mir Stoͤße in die Seiten, die ich noch heute fuͤhle. Es war ein Gluͤck, daß ich keine ſchwangere Frau bin. Ich quetſchte mich aber ehrlich durch, und gelangte gluͤcklich in's Portal des Schloſſes. Der zuruͤckdraͤngende Poli¬ zeibeamte ließ mich durch, weil ich einen ſchwarzen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/328
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/328>, abgerufen am 21.11.2024.