Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

der auf den Gesichtern der Berliner lag, als
sie erwartungsvoll nach den hohen Schloßfen¬
stern sahen, wo unsre Alexandrine vermählt
wurde. Verdruß durften sie nicht zeigen; denn
es war der Ehrentag der geliebten Prinzessin.
Recht freuen konnten sie sich auch nicht; denn
sie verloren dieselbe. Neben mir stand ein Müt¬
terchen, auf dessen Gesicht zu lesen war: Jetzt
habe ich sie zwar verheurathet, aber sie verläßt
mich jetzt. Auf dem Gesichte meines jugendli¬
chen Nachbars stand: Als Herzogin von Meck¬
lenburg ist sie doch nicht so viel, wie sie als
Königin aller Herzen war. Aus den rothen
Lippen einer hübschen Brünette las ich: Ach,
wär' ich schon so weit! -- Da donnerten plötz¬
lich die Kanonen, die Damen zuckten zusammen,
die Glocken läuteten, Staub- und Dampfwolken
erhoben sich, die Jungen schrieen, die Leute
trabten nach Hause, und die Sonne ging blut¬
roth unter hinter Monbijou.


der auf den Geſichtern der Berliner lag, als
ſie erwartungsvoll nach den hohen Schloßfen¬
ſtern ſahen, wo unſre Alexandrine vermaͤhlt
wurde. Verdruß durften ſie nicht zeigen; denn
es war der Ehrentag der geliebten Prinzeſſin.
Recht freuen konnten ſie ſich auch nicht; denn
ſie verloren dieſelbe. Neben mir ſtand ein Muͤt¬
terchen, auf deſſen Geſicht zu leſen war: Jetzt
habe ich ſie zwar verheurathet, aber ſie verlaͤßt
mich jetzt. Auf dem Geſichte meines jugendli¬
chen Nachbars ſtand: Als Herzogin von Meck¬
lenburg iſt ſie doch nicht ſo viel, wie ſie als
Koͤnigin aller Herzen war. Aus den rothen
Lippen einer huͤbſchen Bruͤnette las ich: Ach,
waͤr' ich ſchon ſo weit! — Da donnerten ploͤtz¬
lich die Kanonen, die Damen zuckten zuſammen,
die Glocken laͤuteten, Staub- und Dampfwolken
erhoben ſich, die Jungen ſchrieen, die Leute
trabten nach Hauſe, und die Sonne ging blut¬
roth unter hinter Monbijou.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0334" n="326"/>
der auf den Ge&#x017F;ichtern der Berliner lag, als<lb/>
&#x017F;ie erwartungsvoll nach den hohen Schloßfen¬<lb/>
&#x017F;tern &#x017F;ahen, wo un&#x017F;re Alexandrine verma&#x0364;hlt<lb/>
wurde. Verdruß durften &#x017F;ie nicht zeigen; denn<lb/>
es war der Ehrentag der geliebten Prinze&#x017F;&#x017F;in.<lb/>
Recht freuen konnten &#x017F;ie &#x017F;ich auch nicht; denn<lb/>
&#x017F;ie verloren die&#x017F;elbe. Neben mir &#x017F;tand ein Mu&#x0364;<lb/>
terchen, auf de&#x017F;&#x017F;en Ge&#x017F;icht zu le&#x017F;en war: Jetzt<lb/>
habe ich &#x017F;ie zwar verheurathet, aber &#x017F;ie verla&#x0364;ßt<lb/>
mich jetzt. Auf dem Ge&#x017F;ichte meines jugendli¬<lb/>
chen Nachbars &#x017F;tand: Als Herzogin von Meck¬<lb/>
lenburg i&#x017F;t &#x017F;ie doch nicht &#x017F;o viel, wie &#x017F;ie als<lb/>
Ko&#x0364;nigin aller Herzen war. Aus den rothen<lb/>
Lippen einer hu&#x0364;b&#x017F;chen Bru&#x0364;nette las ich: Ach,<lb/>
wa&#x0364;r' ich &#x017F;chon &#x017F;o weit! &#x2014; Da donnerten plo&#x0364;tz¬<lb/>
lich die Kanonen, die Damen zuckten zu&#x017F;ammen,<lb/>
die Glocken la&#x0364;uteten, Staub- und Dampfwolken<lb/>
erhoben &#x017F;ich, die Jungen &#x017F;chrieen, die Leute<lb/>
trabten nach Hau&#x017F;e, und die Sonne ging blut¬<lb/>
roth unter hinter Monbijou.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[326/0334] der auf den Geſichtern der Berliner lag, als ſie erwartungsvoll nach den hohen Schloßfen¬ ſtern ſahen, wo unſre Alexandrine vermaͤhlt wurde. Verdruß durften ſie nicht zeigen; denn es war der Ehrentag der geliebten Prinzeſſin. Recht freuen konnten ſie ſich auch nicht; denn ſie verloren dieſelbe. Neben mir ſtand ein Muͤt¬ terchen, auf deſſen Geſicht zu leſen war: Jetzt habe ich ſie zwar verheurathet, aber ſie verlaͤßt mich jetzt. Auf dem Geſichte meines jugendli¬ chen Nachbars ſtand: Als Herzogin von Meck¬ lenburg iſt ſie doch nicht ſo viel, wie ſie als Koͤnigin aller Herzen war. Aus den rothen Lippen einer huͤbſchen Bruͤnette las ich: Ach, waͤr' ich ſchon ſo weit! — Da donnerten ploͤtz¬ lich die Kanonen, die Damen zuckten zuſammen, die Glocken laͤuteten, Staub- und Dampfwolken erhoben ſich, die Jungen ſchrieen, die Leute trabten nach Hauſe, und die Sonne ging blut¬ roth unter hinter Monbijou.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/334
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/334>, abgerufen am 21.11.2024.