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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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einige Verse aus der "Würde der Frauen"
hinlispelte und dabey so süß lächelte, wie ein
Esel, der den Kopf in ein Syropfaß gesteckt
hatte und sich wohlgefällig die Schnautze ab¬
leckt. Beide Jünglinge verstärkten ihre Be¬
hauptungen beständig mit dem betheuernden
Refrain: "Er ist doch größer, Er ist wirklich
größer, wahrhaftig, Er ist größer, ich versichere
Sie auf Ehre, Er ist größer." Die Dame
war so gütig, auch mich in dieses ästhetische
Gespräch zu ziehen, und fragte: "Doctor, was
halten Sie von Goethe?" Ich aber legte
meine Arme kreuzweis auf die Brust, beugte
gläubig das Haupt, und sprach: "La illah ill
allah, wamohammed rasul allah!"

Die Dame hatte, ohne es selbst zu wissen,
die allerschlaueste Frage gethan. Man kann
ja einen Mann nicht geradezu fragen: was
denkst du von Himmel und Erde? was sind
deine Ansichten über Menschen und Menschen¬
leben? bist du ein vernünftiges Geschöpf oder

einige Verſe aus der „Wuͤrde der Frauen“
hinlispelte und dabey ſo ſuͤß laͤchelte, wie ein
Eſel, der den Kopf in ein Syropfaß geſteckt
hatte und ſich wohlgefaͤllig die Schnautze ab¬
leckt. Beide Juͤnglinge verſtaͤrkten ihre Be¬
hauptungen beſtaͤndig mit dem betheuernden
Refrain: „Er iſt doch groͤßer, Er iſt wirklich
groͤßer, wahrhaftig, Er iſt groͤßer, ich verſichere
Sie auf Ehre, Er iſt groͤßer.“ Die Dame
war ſo guͤtig, auch mich in dieſes aͤſthetiſche
Geſpraͤch zu ziehen, und fragte: „Doctor, was
halten Sie von Goethe?“ Ich aber legte
meine Arme kreuzweis auf die Bruſt, beugte
glaͤubig das Haupt, und ſprach: „La illah ill
allah, wamohammed raſul allah!“

Die Dame hatte, ohne es ſelbſt zu wiſſen,
die allerſchlaueſte Frage gethan. Man kann
ja einen Mann nicht geradezu fragen: was
denkſt du von Himmel und Erde? was ſind
deine Anſichten uͤber Menſchen und Menſchen¬
leben? biſt du ein vernuͤnftiges Geſchoͤpf oder

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[61/0069] einige Verſe aus der „Wuͤrde der Frauen“ hinlispelte und dabey ſo ſuͤß laͤchelte, wie ein Eſel, der den Kopf in ein Syropfaß geſteckt hatte und ſich wohlgefaͤllig die Schnautze ab¬ leckt. Beide Juͤnglinge verſtaͤrkten ihre Be¬ hauptungen beſtaͤndig mit dem betheuernden Refrain: „Er iſt doch groͤßer, Er iſt wirklich groͤßer, wahrhaftig, Er iſt groͤßer, ich verſichere Sie auf Ehre, Er iſt groͤßer.“ Die Dame war ſo guͤtig, auch mich in dieſes aͤſthetiſche Geſpraͤch zu ziehen, und fragte: „Doctor, was halten Sie von Goethe?“ Ich aber legte meine Arme kreuzweis auf die Bruſt, beugte glaͤubig das Haupt, und ſprach: „La illah ill allah, wamohammed raſul allah!“ Die Dame hatte, ohne es ſelbſt zu wiſſen, die allerſchlaueſte Frage gethan. Man kann ja einen Mann nicht geradezu fragen: was denkſt du von Himmel und Erde? was ſind deine Anſichten uͤber Menſchen und Menſchen¬ leben? biſt du ein vernuͤnftiges Geſchoͤpf oder

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/69>, abgerufen am 21.11.2024.