Anblick. Haben sie die blendend, weißen Segel aufgespannt, so sehen sie aus wie vorbeyziehende, große Schwäne. Gar besonders schön ist dieser Anblick, wenn die Sonne hinter dem vorbey¬ segelnden Schiffe untergeht, und dieses, wie von einer riesigen Glorie, umstrahlt wird.
Die Jagd am Strande soll ebenfalls ein gro¬ ßes Vergnügen gewähren. Was mich betrifft, so weiß ich es nicht sonderlich zu schätzen. Der Sinn für das Edle, Schöne und Gute läßt sich oft durch Erziehung den Menschen beybringen; aber der Sinn für die Jagd liegt im Blute. Wenn die Ahnen, schon seit undenklichen Zeiten, Rehböcke geschossen haben, so findet auch der Enkel ein Vergnügen an dieser legitimen Be¬ schäftigung. Meine Ahnen gehörten aber nicht zu den Jagenden, viel eher zu den Gejagten, und soll ich auf die Nachkömmlinge ihrer ehe¬ maligen Collegen losdrücken, so empört sich dawider mein Blut. Ja, aus Erfahrung weiß ich, daß, nach abgesteckter Mensur, es mir
Anblick. Haben ſie die blendend, weißen Segel aufgeſpannt, ſo ſehen ſie aus wie vorbeyziehende, große Schwaͤne. Gar beſonders ſchoͤn iſt dieſer Anblick, wenn die Sonne hinter dem vorbey¬ ſegelnden Schiffe untergeht, und dieſes, wie von einer rieſigen Glorie, umſtrahlt wird.
Die Jagd am Strande ſoll ebenfalls ein gro¬ ßes Vergnuͤgen gewaͤhren. Was mich betrifft, ſo weiß ich es nicht ſonderlich zu ſchaͤtzen. Der Sinn fuͤr das Edle, Schoͤne und Gute laͤßt ſich oft durch Erziehung den Menſchen beybringen; aber der Sinn fuͤr die Jagd liegt im Blute. Wenn die Ahnen, ſchon ſeit undenklichen Zeiten, Rehboͤcke geſchoſſen haben, ſo findet auch der Enkel ein Vergnuͤgen an dieſer legitimen Be¬ ſchaͤftigung. Meine Ahnen gehoͤrten aber nicht zu den Jagenden, viel eher zu den Gejagten, und ſoll ich auf die Nachkoͤmmlinge ihrer ehe¬ maligen Collegen losdruͤcken, ſo empoͤrt ſich dawider mein Blut. Ja, aus Erfahrung weiß ich, daß, nach abgeſteckter Menſur, es mir
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0080"n="72"/>
Anblick. Haben ſie die blendend, weißen Segel<lb/>
aufgeſpannt, ſo ſehen ſie aus wie vorbeyziehende,<lb/>
große Schwaͤne. Gar beſonders ſchoͤn iſt dieſer<lb/>
Anblick, wenn die Sonne hinter dem vorbey¬<lb/>ſegelnden Schiffe untergeht, und dieſes, wie von<lb/>
einer rieſigen Glorie, umſtrahlt wird.</p><lb/><p>Die Jagd am Strande ſoll ebenfalls ein gro¬<lb/>
ßes Vergnuͤgen gewaͤhren. Was mich betrifft,<lb/>ſo weiß ich es nicht ſonderlich zu ſchaͤtzen. Der<lb/>
Sinn fuͤr das Edle, Schoͤne und Gute laͤßt ſich<lb/>
oft durch Erziehung den Menſchen beybringen;<lb/>
aber der Sinn fuͤr die Jagd liegt im Blute.<lb/>
Wenn die Ahnen, ſchon ſeit undenklichen Zeiten,<lb/>
Rehboͤcke geſchoſſen haben, ſo findet auch der<lb/>
Enkel ein Vergnuͤgen an dieſer legitimen Be¬<lb/>ſchaͤftigung. Meine Ahnen gehoͤrten aber nicht<lb/>
zu den Jagenden, viel eher zu den Gejagten,<lb/>
und ſoll ich auf die Nachkoͤmmlinge ihrer ehe¬<lb/>
maligen Collegen losdruͤcken, ſo empoͤrt ſich<lb/>
dawider mein Blut. Ja, aus Erfahrung weiß<lb/>
ich, daß, nach abgeſteckter Menſur, es mir<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[72/0080]
Anblick. Haben ſie die blendend, weißen Segel
aufgeſpannt, ſo ſehen ſie aus wie vorbeyziehende,
große Schwaͤne. Gar beſonders ſchoͤn iſt dieſer
Anblick, wenn die Sonne hinter dem vorbey¬
ſegelnden Schiffe untergeht, und dieſes, wie von
einer rieſigen Glorie, umſtrahlt wird.
Die Jagd am Strande ſoll ebenfalls ein gro¬
ßes Vergnuͤgen gewaͤhren. Was mich betrifft,
ſo weiß ich es nicht ſonderlich zu ſchaͤtzen. Der
Sinn fuͤr das Edle, Schoͤne und Gute laͤßt ſich
oft durch Erziehung den Menſchen beybringen;
aber der Sinn fuͤr die Jagd liegt im Blute.
Wenn die Ahnen, ſchon ſeit undenklichen Zeiten,
Rehboͤcke geſchoſſen haben, ſo findet auch der
Enkel ein Vergnuͤgen an dieſer legitimen Be¬
ſchaͤftigung. Meine Ahnen gehoͤrten aber nicht
zu den Jagenden, viel eher zu den Gejagten,
und ſoll ich auf die Nachkoͤmmlinge ihrer ehe¬
maligen Collegen losdruͤcken, ſo empoͤrt ſich
dawider mein Blut. Ja, aus Erfahrung weiß
ich, daß, nach abgeſteckter Menſur, es mir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/80>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.