hörlich heimliches Wispern, und nichts sah als Fächerschlag und wehende Schleier. Der knar¬ rende Tritt meiner Stiefeln störte manche schöne Andacht, und große katholische Augen sahen mich an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzustrecken und Seelensieste zu halten.
Wahrlich, ein solcher Dom mit seinem ge¬ dämpften Lichte und seiner wehenden Kühle ist ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller Sonnenschein und drückende Hitze. Davon hat man gar keinen Begriff in unserem prote¬ stantischen Norddeutschland, wo die Kirchen nicht so komfortabel gebaut sind, und das Licht so frech durch die unbemalten Vernunftscheiben hin¬ einschießt, und selbst die kühlen Predigten vor der Hitze nicht genug schützen. Man mag sagen was man will, der Katholizismus ist eine gute Sommerreligion. Es läßt sich gut liegen auf den
hoͤrlich heimliches Wiſpern, und nichts ſah als Faͤcherſchlag und wehende Schleier. Der knar¬ rende Tritt meiner Stiefeln ſtoͤrte manche ſchoͤne Andacht, und große katholiſche Augen ſahen mich an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzuſtrecken und Seelenſieſte zu halten.
Wahrlich, ein ſolcher Dom mit ſeinem ge¬ daͤmpften Lichte und ſeiner wehenden Kuͤhle iſt ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller Sonnenſchein und druͤckende Hitze. Davon hat man gar keinen Begriff in unſerem prote¬ ſtantiſchen Norddeutſchland, wo die Kirchen nicht ſo komfortabel gebaut ſind, und das Licht ſo frech durch die unbemalten Vernunftſcheiben hin¬ einſchießt, und ſelbſt die kuͤhlen Predigten vor der Hitze nicht genug ſchuͤtzen. Man mag ſagen was man will, der Katholizismus iſt eine gute Sommerreligion. Es laͤßt ſich gut liegen auf den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0101"n="93"/>
hoͤrlich heimliches Wiſpern, und nichts ſah als<lb/>
Faͤcherſchlag und wehende Schleier. Der knar¬<lb/>
rende Tritt meiner Stiefeln ſtoͤrte manche ſchoͤne<lb/>
Andacht, und große katholiſche Augen ſahen mich<lb/>
an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten<lb/>
mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzuſtrecken<lb/>
und Seelenſieſte zu halten.</p><lb/><p>Wahrlich, ein ſolcher Dom mit ſeinem ge¬<lb/>
daͤmpften Lichte und ſeiner wehenden Kuͤhle iſt<lb/>
ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller<lb/>
Sonnenſchein und druͤckende Hitze. Davon<lb/>
hat man gar keinen Begriff in unſerem prote¬<lb/>ſtantiſchen Norddeutſchland, wo die Kirchen nicht<lb/>ſo komfortabel gebaut ſind, und das Licht ſo<lb/>
frech durch die unbemalten Vernunftſcheiben hin¬<lb/>
einſchießt, und ſelbſt die kuͤhlen Predigten vor<lb/>
der Hitze nicht genug ſchuͤtzen. Man mag ſagen<lb/>
was man will, der Katholizismus iſt eine gute<lb/>
Sommerreligion. Es laͤßt ſich gut liegen auf den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[93/0101]
hoͤrlich heimliches Wiſpern, und nichts ſah als
Faͤcherſchlag und wehende Schleier. Der knar¬
rende Tritt meiner Stiefeln ſtoͤrte manche ſchoͤne
Andacht, und große katholiſche Augen ſahen mich
an, halb neugierig, halb liebwillig, und mochten
mir wohl rathen, mich ebenfalls hinzuſtrecken
und Seelenſieſte zu halten.
Wahrlich, ein ſolcher Dom mit ſeinem ge¬
daͤmpften Lichte und ſeiner wehenden Kuͤhle iſt
ein angenehmer Aufenthalt, wenn draußen greller
Sonnenſchein und druͤckende Hitze. Davon
hat man gar keinen Begriff in unſerem prote¬
ſtantiſchen Norddeutſchland, wo die Kirchen nicht
ſo komfortabel gebaut ſind, und das Licht ſo
frech durch die unbemalten Vernunftſcheiben hin¬
einſchießt, und ſelbſt die kuͤhlen Predigten vor
der Hitze nicht genug ſchuͤtzen. Man mag ſagen
was man will, der Katholizismus iſt eine gute
Sommerreligion. Es laͤßt ſich gut liegen auf den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/101>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.