Sorte, die ich liebe: -- und ich liebe diese blassen, elegischen Gesichter, wo die großen, schwarzen Augen so liebeskrank herausstrahlen; ich liebe auch den dunkeln Teint jener stolzen Hälse, die schon Phöbos geliebt und braun geküßt hat; ich liebe sogar jene überreife Nacken, worin purpurne Pünktchen, als hätten lüsterne Vögel daran ge¬ pickt; vor allem aber liebe ich jenen genialen Gang, jene stumme Musik des Leibes, jene Glie¬ der, die sich in den süßesten Rhythmen bewegen, üppig, schmiegsam, göttlich liederlich, sterbefaul, dann wieder ätherisch erhaben, und immer hoch¬ poetisch. Ich liebe dergleichen, wie ich die Poesie selbst liebe, und diese melodisch bewegten Gestal¬ ten, dieses wunderbare Menschenkonzert, das an mir vorüberrauschte, fand sein Echo in meinem Herzen, und weckte darin die verwandten Töne.
Es war jetzt nicht mehr die Zaubermacht der ersten Ueberraschung, die Mährchenhaftigkeit der
Sorte, die ich liebe: — und ich liebe dieſe blaſſen, elegiſchen Geſichter, wo die großen, ſchwarzen Augen ſo liebeskrank herausſtrahlen; ich liebe auch den dunkeln Teint jener ſtolzen Haͤlſe, die ſchon Phoͤbos geliebt und braun gekuͤßt hat; ich liebe ſogar jene uͤberreife Nacken, worin purpurne Puͤnktchen, als haͤtten luͤſterne Voͤgel daran ge¬ pickt; vor allem aber liebe ich jenen genialen Gang, jene ſtumme Muſik des Leibes, jene Glie¬ der, die ſich in den ſuͤßeſten Rhythmen bewegen, uͤppig, ſchmiegſam, goͤttlich liederlich, ſterbefaul, dann wieder aͤtheriſch erhaben, und immer hoch¬ poetiſch. Ich liebe dergleichen, wie ich die Poeſie ſelbſt liebe, und dieſe melodiſch bewegten Geſtal¬ ten, dieſes wunderbare Menſchenkonzert, das an mir voruͤberrauſchte, fand ſein Echo in meinem Herzen, und weckte darin die verwandten Toͤne.
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Sorte, die ich liebe: — und ich liebe dieſe blaſſen,
elegiſchen Geſichter, wo die großen, ſchwarzen
Augen ſo liebeskrank herausſtrahlen; ich liebe
auch den dunkeln Teint jener ſtolzen Haͤlſe, die
ſchon Phoͤbos geliebt und braun gekuͤßt hat; ich
liebe ſogar jene uͤberreife Nacken, worin purpurne
Puͤnktchen, als haͤtten luͤſterne Voͤgel daran ge¬
pickt; vor allem aber liebe ich jenen genialen
Gang, jene ſtumme Muſik des Leibes, jene Glie¬
der, die ſich in den ſuͤßeſten Rhythmen bewegen,
uͤppig, ſchmiegſam, goͤttlich liederlich, ſterbefaul,
dann wieder aͤtheriſch erhaben, und immer hoch¬
poetiſch. Ich liebe dergleichen, wie ich die Poeſie
ſelbſt liebe, und dieſe melodiſch bewegten Geſtal¬
ten, dieſes wunderbare Menſchenkonzert, das an
mir voruͤberrauſchte, fand ſein Echo in meinem
Herzen, und weckte darin die verwandten Toͤne.
Es war jetzt nicht mehr die Zaubermacht der
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/111>, abgerufen am 24.11.2024.
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