Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite
Capitel I.

Ich bin der höflichste Mensch von der Welt.
Ich thue mir was darauf zu gute, niemals
grob gewesen zu seyn auf dieser Erde, wo es
so viele unerträgliche Schlingel giebt, die sich
zu einem hinsetzen und ihre Leiden erzählen oder
gar ihre Verse deklamiren; mit wahrhaft christ¬
licher Geduld habe ich immer solche Misere ruhig
angehört, ohne nur durch eine Miene zu ver¬
rathen, wie sehr sich meine Seele ennuirte.
Gleich einem büßenden Braminen, der seinen
Leib dem Ungeziefer Preis giebt, damit auch

Capitel I.

Ich bin der hoͤflichſte Menſch von der Welt.
Ich thue mir was darauf zu gute, niemals
grob geweſen zu ſeyn auf dieſer Erde, wo es
ſo viele unertraͤgliche Schlingel giebt, die ſich
zu einem hinſetzen und ihre Leiden erzaͤhlen oder
gar ihre Verſe deklamiren; mit wahrhaft chriſt¬
licher Geduld habe ich immer ſolche Miſere ruhig
angehoͤrt, ohne nur durch eine Miene zu ver¬
rathen, wie ſehr ſich meine Seele ennuirte.
Gleich einem buͤßenden Braminen, der ſeinen
Leib dem Ungeziefer Preis giebt, damit auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0013" n="[5]"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Capitel</hi><hi rendition="#aq">I</hi>.<lb/></head>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch bin der ho&#x0364;flich&#x017F;te Men&#x017F;ch von der Welt.<lb/>
Ich thue mir was darauf zu gute, niemals<lb/>
grob gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn auf die&#x017F;er Erde, wo es<lb/>
&#x017F;o viele unertra&#x0364;gliche Schlingel giebt, die &#x017F;ich<lb/>
zu einem hin&#x017F;etzen und ihre Leiden erza&#x0364;hlen oder<lb/>
gar ihre Ver&#x017F;e deklamiren; mit wahrhaft chri&#x017F;<lb/>
licher Geduld habe ich immer &#x017F;olche Mi&#x017F;ere ruhig<lb/>
angeho&#x0364;rt, ohne nur durch eine Miene zu ver¬<lb/>
rathen, wie &#x017F;ehr &#x017F;ich meine Seele ennuirte.<lb/>
Gleich einem bu&#x0364;ßenden Braminen, der &#x017F;einen<lb/>
Leib dem Ungeziefer Preis giebt, damit auch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[5]/0013] Capitel I. Ich bin der hoͤflichſte Menſch von der Welt. Ich thue mir was darauf zu gute, niemals grob geweſen zu ſeyn auf dieſer Erde, wo es ſo viele unertraͤgliche Schlingel giebt, die ſich zu einem hinſetzen und ihre Leiden erzaͤhlen oder gar ihre Verſe deklamiren; mit wahrhaft chriſt¬ licher Geduld habe ich immer ſolche Miſere ruhig angehoͤrt, ohne nur durch eine Miene zu ver¬ rathen, wie ſehr ſich meine Seele ennuirte. Gleich einem buͤßenden Braminen, der ſeinen Leib dem Ungeziefer Preis giebt, damit auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/13
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. [5]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/13>, abgerufen am 21.11.2024.