diese Gottesgeschöpfe sich sättigen, habe ich dem fatalsten Menschengeschmeiß oft tagelang Stand gehalten und ruhig zugehört, und meine inneren Seufzer vernahm nur Er, der die Tu¬ gend belohnt.
Aber auch die Lebensklugheit gebietet uns höflich zu seyn, und nicht verdrießlich zu schwei¬ gen, oder gar Verdrießliches zu erwiedern, wenn irgend ein schwammiger Kommerzienrath oder dürrer Käsekrämer sich zu uns setzt, und ein allgemein europäisches Gespräch anfängt mit den Worten: "Es ist heute eine schöne Witterung." Man kann nicht wissen, wie man mit einem solchen Philister wieder zusammentrifft, und er kann es uns dann bitter eintränken, daß wir nicht höflich geantwortet: "Die Witterung ist sehr schön." Es kann sich sogar fügen, lieber Leser, daß Du zu Cassel an der Table d'Hote neben besagtem Philister zu sitzen kömmst, und
dieſe Gottesgeſchoͤpfe ſich ſaͤttigen, habe ich dem fatalſten Menſchengeſchmeiß oft tagelang Stand gehalten und ruhig zugehoͤrt, und meine inneren Seufzer vernahm nur Er, der die Tu¬ gend belohnt.
Aber auch die Lebensklugheit gebietet uns hoͤflich zu ſeyn, und nicht verdrießlich zu ſchwei¬ gen, oder gar Verdrießliches zu erwiedern, wenn irgend ein ſchwammiger Kommerzienrath oder duͤrrer Kaͤſekraͤmer ſich zu uns ſetzt, und ein allgemein europaͤiſches Geſpraͤch anfaͤngt mit den Worten: „Es iſt heute eine ſchoͤne Witterung.“ Man kann nicht wiſſen, wie man mit einem ſolchen Philiſter wieder zuſammentrifft, und er kann es uns dann bitter eintraͤnken, daß wir nicht hoͤflich geantwortet: „Die Witterung iſt ſehr ſchoͤn.“ Es kann ſich ſogar fuͤgen, lieber Leſer, daß Du zu Caſſel an der Table d'Hôte neben beſagtem Philiſter zu ſitzen koͤmmſt, und
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dieſe Gottesgeſchoͤpfe ſich ſaͤttigen, habe ich
dem fatalſten Menſchengeſchmeiß oft tagelang
Stand gehalten und ruhig zugehoͤrt, und meine
inneren Seufzer vernahm nur Er, der die Tu¬
gend belohnt.
Aber auch die Lebensklugheit gebietet uns
hoͤflich zu ſeyn, und nicht verdrießlich zu ſchwei¬
gen, oder gar Verdrießliches zu erwiedern, wenn
irgend ein ſchwammiger Kommerzienrath oder
duͤrrer Kaͤſekraͤmer ſich zu uns ſetzt, und ein
allgemein europaͤiſches Geſpraͤch anfaͤngt mit den
Worten: „Es iſt heute eine ſchoͤne Witterung.“
Man kann nicht wiſſen, wie man mit einem
ſolchen Philiſter wieder zuſammentrifft, und er
kann es uns dann bitter eintraͤnken, daß wir
nicht hoͤflich geantwortet: „Die Witterung iſt
ſehr ſchoͤn.“ Es kann ſich ſogar fuͤgen, lieber
Leſer, daß Du zu Caſſel an der Table d'Hôte
neben beſagtem Philiſter zu ſitzen koͤmmſt, und
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/14>, abgerufen am 21.11.2024.
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