dann die Menschen, die in geheimnißvoller Hast dazwischen wimmelten, und endlich wieder den gottblauen Himmel, der das seltsame Ganze wie ein kostbarer Rahmen umschloß, und dadurch gleichsam zu einem Gemälde erhob. Es ist aber eigen, wenn man in dem Gemälde, das man eben betrachtet hat, selbst steckt, und hie und da von den Figuren desselben angelächelt wird, und gar von den weiblichen, wie's mir auf der Piazza delle Erbe so lieblich geschah. Das ist nemlich der Gemüsemarkt, und da gab es vollauf ergötz¬ liche Gestalten, Frauen und Mädchen, schmach¬ tend großäugige Gesichter, süße wöhnliche Leiber, reizend gelb, naiv schmutzig, geschaffen viel mehr für die Nacht als für den Tag. Der weiße oder schwarze Schleyer, den die Stadtfrauen auf dem Haupte tragen, war so listig um den Busen geschlagen, daß er die schönen Formen mehr verrieth als verbarg. Die Mägde trugen Chignons, durchstochen mit einem oder mehreren
dann die Menſchen, die in geheimnißvoller Haſt dazwiſchen wimmelten, und endlich wieder den gottblauen Himmel, der das ſeltſame Ganze wie ein koſtbarer Rahmen umſchloß, und dadurch gleichſam zu einem Gemaͤlde erhob. Es iſt aber eigen, wenn man in dem Gemaͤlde, das man eben betrachtet hat, ſelbſt ſteckt, und hie und da von den Figuren deſſelben angelaͤchelt wird, und gar von den weiblichen, wie's mir auf der Piazza delle Erbe ſo lieblich geſchah. Das iſt nemlich der Gemuͤſemarkt, und da gab es vollauf ergoͤtz¬ liche Geſtalten, Frauen und Maͤdchen, ſchmach¬ tend großaͤugige Geſichter, ſuͤße woͤhnliche Leiber, reizend gelb, naiv ſchmutzig, geſchaffen viel mehr fuͤr die Nacht als fuͤr den Tag. Der weiße oder ſchwarze Schleyer, den die Stadtfrauen auf dem Haupte tragen, war ſo liſtig um den Buſen geſchlagen, daß er die ſchoͤnen Formen mehr verrieth als verbarg. Die Maͤgde trugen Chignons, durchſtochen mit einem oder mehreren
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dann die Menſchen, die in geheimnißvoller Haſt
dazwiſchen wimmelten, und endlich wieder den
gottblauen Himmel, der das ſeltſame Ganze wie
ein koſtbarer Rahmen umſchloß, und dadurch
gleichſam zu einem Gemaͤlde erhob. Es iſt aber
eigen, wenn man in dem Gemaͤlde, das man
eben betrachtet hat, ſelbſt ſteckt, und hie und da
von den Figuren deſſelben angelaͤchelt wird, und
gar von den weiblichen, wie's mir auf der Piazza
delle Erbe ſo lieblich geſchah. Das iſt nemlich
der Gemuͤſemarkt, und da gab es vollauf ergoͤtz¬
liche Geſtalten, Frauen und Maͤdchen, ſchmach¬
tend großaͤugige Geſichter, ſuͤße woͤhnliche Leiber,
reizend gelb, naiv ſchmutzig, geſchaffen viel mehr
fuͤr die Nacht als fuͤr den Tag. Der weiße
oder ſchwarze Schleyer, den die Stadtfrauen
auf dem Haupte tragen, war ſo liſtig um den
Buſen geſchlagen, daß er die ſchoͤnen Formen
mehr verrieth als verbarg. Die Maͤgde trugen
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/145>, abgerufen am 21.11.2024.
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